1.2 Die Wohlfahrtswirkungen von Bäumen
Die grünen Riesen begannen vor mehr als 300 Millionen Jahren sich zu entwickeln und gehören heute zu den ältesten Lebensformen auf unserem Planeten. Sie begleiteten die Entstehung der Menschheit und versorgten uns von Anbeginn mit dem Wichtigsten, was wir für unsere Existenz benötigten. Das ist bis heute so geblieben. Ihr Holz begleitet uns von der Wiege bis zum Sarg und ist Bestandteil unserer Häuser. Ihre Früchte tragen zu unserer Ernährung bei und ihr Laub ist für die Fruchtbarkeit unserer Böden von großer Bedeutung.
Wie oft übersehen „moderne Menschen“ dieses und ärgern sich über die Blätter, die im Herbst vor ihre Haustür fallen, und die sie beseitigen müssen. Lieber gehen sie nach einem Arbeitstag am Schreibtisch in ein Fitness-Studio, um sich zu bewegen. Wir sollten dankbar sein für die Schönheit der Bäume und uns erinnern, dass sie uns mit diesen Organen, die sie nun abwerfen, während der vorausgegangenen Monate gedient haben, indem Kohlendioxid aufgenommen und Sauerstoff produziert wurde, durch die Verdunstung von Wasser die Luftfeuchtigkeit erhöht und die Temperatur im Schatten der Bäume verringert wurde. Und, und, und …
In Umfragen zur Einschätzung der Qualität der umgebenden Stadtstruktur und zu den diesbezüglichen Veränderungswünschen äußern viele Menschen regelmäßig, dass ihnen das „Grün“ sehr wichtig ist und dass sie sich mehr davon wünschen. Mütter und Väter spüren, was lebenswichtig ist, für ihre Kinder und für sie selbst.
In einer bundesweiten Bürgerbefragung, die im Sommer 2004 in Zusammenarbeit zwischen der GALK (Gartenamtsleiter-Konferenz beim Deutschen Städtetag) und der KGST (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung) durchgeführt wurde, haben sich für die Stadt Osnabrück, von deren Stadtgebiet immerhin ca. 31 % als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und zu etwa 30 % im „Naturpark TERRA.vita Nördlicher Teutoburger Wald/Wiehengebirge“ gelegen ist, die meisten teilnehmenden Personen für eine noch stärkere Durchgrünung ihrer Stadt ausgesprochen.
Die Menschen wollen eine grüne Umgebung, wollen große, alte Bäume in ihrer Nähe, weil sie deren wohltuende Wirkung für ihr seelisches und körperliches Befinden spüren. Die Schaffung von Grünanlagen sowie die Pflanzung und Pflege von Bäumen sind Maßnahmen der Daseinsvorsorge par excellence. Alle für die Umwelt Verantwortlichen, Politiker und administrativ Tätige, sollten diese Tatsache bedenken und in ihr tägliches Handeln übertragen, auch im Interesse der Wirtschaftskraft ihrer Städte. Als „weicher Standortfaktor“ hat die Durchgrünung einer Stadt einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Bereitschaft zur Ansiedlung neuer Unternehmungen.
Es sei gestattet, in diesem Kontext den großen Naturwissenschaftler ALEXANDER VON HUMBOLDT zu zitieren, der eine Betrachtung über Menschen und Bäume mit den Worten beginnt: „Habt Ehrfurcht vor dem Baum, er ist ein einziges großes Wunder und Euren Vorfahren war er heilig …“. Und der Maler und Architekt FRIEDENS REICH HUNDERTWASSER hat seinen Mitmenschen in’s Stammbuch geschrieben: „Nur wenn du den Baum liebst wie dich selbst, wirst du überleben.“
In einem Klassiker der Baumpflegeliteratur, dem Buch „Baum und Mensch“ von A. BERNATZKY (1973), werden neben vielen anderen interessanten Informationen über die Einflüsse der Bäume auf die Menschheit Angaben über deren Wohlfahrtswirkung publiziert. Unglaublich, welche Mengen von Schadstoffen, seien sie gasförmig oder als Staubpartikel vorliegend, von Bäumen und den Gehölzen in Grünanlagen aus der Luft „herausgefiltert“ werden! Messungen in Frankfurt/M. ergaben, dass Gebiete mit Grünflächen und mit Bäumen bestandene Straßen z. T. nur mit einem Sechstel der Stäube belastet waren, die Stadtbereiche ohne Grünflächen oder baumfreie Straßen aufwiesen.
Da die Messungen viele Jahre zurückliegen, können die Angaben nicht unmittelbar auf die heutigen Verhältnisse übertragen werden. Natürlich haben die vielfältigen Auflagen zum Umweltschutz, die inzwischen realisiert wurden, zur Verringerung von Immissionen beigetragen. Andererseits wissen wir aber auch, dass dort, wo in den Nachkriegsjahren nur wenige Autos fuhren, heute im weiten Umkreis kein freier Parkplatz mehr zu finden ist.... Inzwischen wissen wir, dass die Luftschadstoffe sogar zu einem Problem für die Gesundheit der Bäume werden können.
1.3 Die Wurzeln der Bäume
Die Lebensvorgänge der Bäume wurden in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend erforscht. So haben wir viel gelernt, z. B. über die Steuerung des Triebwachstums, die Einlagerung und Mobilisierung von Reservestoffen im Holz oder die aktive Reaktion der Bäume auf Verletzungen und wiederkehrende mechanische Belastungen.
Zu dem erworbenen Wissen „rund um den Baum“ gehören auch Kenntnisse über die Grundlagen des Wurzelwachstums. Diese unterirdischen Organe entziehen sich in der Regel unseren Blicken und so verwundert es nicht, dass sie hin und wieder regelrecht in Vergessenheit geraten. Doch von ihrem Zustand, ihrer Gesundheit und Funktionsfähigkeit hängt die Existenz des ganzen Baumes ab. Bäume benötigen nicht nur gesunde Wurzeln, auch das Volumen dieser unterirdischen Versorgungsorgane muss in einem ausgewogenen Verhältnis zum Volumen der in den Kronen vorhandenen oberirdischen Versorgungsorgane, den Blättern (oder Nadeln) stehen. Nur dann sind Bäume im „Gleichgewicht“, und können ihre vielfältigen Wohlfahrtswirkungen uneingeschränkt erbringen.
Abbildung 2: Z. ERDELJAC und F. DÄUBLE
So unterschiedlich das äußere Erscheinungsbild der verschiedenen Baumarten auch sein mag, so unterschiedlich ihr natürliches Wurzelwachstum auch sei, so sehr ihre Ansprüche an den Standort auch differieren, eines ist allen Baumarten gemeinsam: ihre Wurzeln wachsen bevorzugt dort, wo sie ein gutes Angebot an Sauerstoff (und Feuchtigkeit) vorfinden. Denn Wurzeln müssen atmen und benötigen daher dasselbe Medium, das auch uns am Leben erhält. So lange der Sauerstoffgehalt im Gasgemisch des Bodens bei 15 % oder darüber liegt, können sich die Wurzeln artgemäß entwickeln. Sinkt der Partialdruck des Sauerstoffs im Gasgemisch des Bodens, geht das Wurzelwachstum zurück. Bei 11 % und darunter, kommt es zum Erliegen, die Wurzeln sterben ab und nachfolgend auch der „oberirdische Baum“.
Selbstverständlich sind auch die chemischen und biologischen Eigenschaften eines Bodens für das Wurzelwachstum von großer Bedeutung. Doch die bodenphysikalischen Gegebenheiten überlagern diese, sowie die genetische Ausstattung der Bäume, bei der Ausprägung der Wurzeln viel stärker, als früher angenommen. In zahlreichen Untersuchungen wurden diese Sachverhalte nachgewiesen und fanden Einzug in die gärtnerische Praxis. Die Entwicklung von Pflanzsubstraten in europäischen Ländern und in den USA sowie die Anwendung neuer vegetations- und bautechnischer Verfahren sind Beispiele für die Umsetzung dieser Erkenntnisse.
Bei der Erforschung des Wurzelwachstums ist auch deutlich geworden, dass es möglich ist, die Wurzeln zu „lenken“ (HEIDGER 2002). Indem man ihnen ein gut durchlüftetes, an Grobporen reiches Medium anbietet, das sie unmittelbar erkennen und bevorzugt durchwurzeln, kann man sie aus anderen Bereichen, in die sie nicht hineinwurzeln sollen, „heraushalten“, wenn man die Eigenschaften des Substrates dort „wurzelunfreundlich“ gestaltet. Diese Erkenntnis wird bei innerstädtischen Baumpflanzungen auch im Zusammenhang mit Leitungsschutzmaßnahmen an Bedeutung gewinnen.
Wenn auf natürlichen Standorten keine optimalen Voraussetzungen für die Ausbreitung der Wurzeln herrschen, reagieren Bäume mit „intelligenten Tricks“,