Im Rahmen der Reichsgruppe Industrie wurden am 7. November 1941 zuerst der selbstständige Südost-Ausschuss und innerhalb von diesem sieben Ausschüsse für einzelne südosteuropäische Staaten samt ihrer Beauftragten gegründet. Zum Beauftragten für die Slowakei wählte man Wilhelm Voss, Generaldirektor der Hermann-Göring-Werke (nachfolgend "HGW" genannt) und Vorsitzender der Škoda-Werke, der wesentlich an der Kontrolle der Podbrezovské železiarne (Eisenhüttenwerke Podbrezová) in der Mittelslowakei durch den Göring-Konzern beteiligt war. Zum Vorsitzenden des Südost-Ausschusses ernannte man M. Ilgner, Vorstandsmitglied des Konzerns I.G. Farben, der den Konzern Dynamit Nobel Bratislava kontrollierte. Zugleich bekleidete er den Posten des Beauftragten für Ungarn.38 Ausgehend von Tätigkeiten der Reichsgruppe Industrie wurde im Februar 1942 der slowakisch-deutsche Ausschuss für Industrie gegründet. Damit eröffnete sich in der Zusammenarbeit der beiden Länder und der Kontrolle der slowakischen Industrie durch Deutschland ein neues Kapitel. Im Juli 1942 legte die Reichsgruppe Industrie eine detaillierte Analyse der Lage und der strategischen Programmziele für die weitere Entwicklung der slowakischen Industrie vor. Die Programme betonten die Notwendigkeit einer Beschleunigung des Aufbaus der Kraftwerksysteme, insbesondere der Kaskade am slowakischen Fluss Waag, und der anschließenden Beschleunigung der Elektrifizierung der Eisenbahn, Industrie und Landwirtschaft. In einzelnen Industriezweigen bestimmte diese Organisation also bevorzugte Entwicklungsrichtungen als auch Industriezweige, deren Entwicklung verlangsamt werden sollte. Die slowakisch-deutsche wirtschaftliche Zusammenarbeit sollte die aktuellen Kriegsbedürfnisse befriedigen, aber auch zeigen, dass „… eine Ausrichtung aller neuen Investierungen auf die Erfordernisse der zukünftigen europäischen Großraumwirtschaft notwendig ist“39.
Mit der räumlichen Expansion NS-Deutschlands vergrößerte sich auch der Kern des Großwirtschaftsraums in Mittel- und Südosteuropa um die militärisch angeschlossenen oder wirtschaftspolitisch kontrollierten Gebiete und Staaten. Nach und nach wurde fast das gesamte Kontinentaleuropa in die Großraumwirtschaft eingegliedert. Dies führte zur wirtschaftlichen Autarkie mit einem unterschiedlichen Grad der wirtschaftspolitischen Anbindung der einzelnen Gebiete und Länder an das Deutsche Reich, beginnend mit wirtschaftlich kontrollierten Gebieten über Satellitenstaaten, die die Rolle von Ergänzungsräumen einnahmen, bis zu offiziell neutralen Ländern. Die Gestaltung des deutschen Großwirtschaftsraums erreichte ihren Höhepunkt 1941–1942 durch die Expansion in die Sowjetunion und den Krieg in Nordafrika, als Deutschland über die sogenannten östlichen Gebiete Kontrolle übernahm und eine Erweiterung des Großwirtschaftsraums bis nach Asien plante.
1 Die Gründer des Mitteleuropäischen Wirtschaftstags, ursprünglich "Mitteleuropäische Wirtschaftstagung", im Jahr 1925 waren der ungarische liberale Volkswirt Elemér Hantos und der bekannte österreichische Unternehmer Julius Meinl.
2 Max Hahn (1895, Treis an der Mosel, heute BRD – 1939, München) war Rechtsanwalt und Volkswirt. Er stammte aus einer deutschen Notarfamilie. Er diente im Ersten Weltkrieg und verlor bereits 1914 infolge einer schweren Verletzung seine linke Hand. Anschließend studierte er Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. In den 20er Jahren wirkte er in der Leitung mehrerer rheinländischer Wirtschaftskörperschaften. 1931 wurde er Geschäftsführer des MWT und verfolgte in seiner Funktion Wirtschaftsinteressen Deutschlands und die Pläne der Konzerne, auch der I. G. Farben, in Mittel- und Südosteuropa, insbesondere im Balkan. Er billigte das nationalsozialistische Regime als notwendiges Mittel zur Durchsetzung der Interessen des deutschen Großkapitals, lehnte jedoch seine Ideologie und sein totalitäres System ab. Er starb unerwartet 1939 an einer Darmerkrankung.
3 Karl Adolf Tilo von Wilmowsky (1878, Hannover – 1966, Essen) war Rechtsanwalt, Volkswirt und Unternehmer. Er stammte aus einer deutschen Adelsfamilie. Er studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten in München, Göttingen und Halle (Saale). Nach dem Studium war er im Innenministerium und als Landrat tätig. Während des Ersten Weltkriegs wirkte er in der Besatzungsverwaltung in Belgien. Er heiratete die Tochter des Unternehmers F. A. Krupp Barbara Krupp und besaß einen Gutshof in Marienthal in Sachsen. Nach 1918 wirkte er als Führungskraft in mehreren regionalen Wirtschaftskörperschaften und blieb in der Führung der Gesellschaft Friedrich Krupp-AG, zuerst als Mitglied, später als Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates. Er war auch Mitglied des Preußischen Staatsrats und Vorsitzender der Fraktion der konservativen Deutschnationalen Volkspartei im Sächsischen Provinziallandtag. 1931 wurde er Vorsitzender des Präsidiums des Mitteleuropäischen Wirtschaftstags (MWT), in dem er bis 1944 wirkte und Wirtschaftsinteressen Deutschlands durchsetzte. Nach dem Machtantritt des nationalsozialistischen Regimes wurde er zuerst seiner öffentlichen Ämter entkleidet, aber 1937 trat er der NSDAP bei, erreichte eine leitende Position bei der Reichsbahn und zählte zu den Spitzenmanagern der Kriegswirtschaft. Nach dem auf Hitler verübten Attentat im Juli 1944 wurde er mit seiner Ehefrau interniert und in das KZ Ravensbrück deportiert. Nach dem Krieg verließ er Sachsen durch die sowjetische Zone und wirkte als Führungskraft in den ehemaligen Krupp-Werken in Essen. Er sagte im Krupp-Prozess als Zeuge aus.
4 Zur Gestaltung und Rolle des Mitteleuropäischen Wirtschaftstags siehe folgende: FREYTAG, Carl: Deutschlands „Drang nach Südosten“. Der Mitteleuropäische Wirtschaftstag und der „Ergänzungsraum Südosteuropa“ 1931–1945. Wien: Vienna University Press: Göttingen: V & R Unipress, 2012; FREYTAG, Carl: Die Tür zwischen Deutschland und dem Donauraum ist geöffnet. Südosteuropa-Konzepte und Positionierung des Mitteleuropäischen Wirtschaftstags nach dem Anschluss Österreichs 1938. In: SACHSE, Carola (eds.): Mitteleuropa und Südosteuropa als Planungsraum. Göttingen: Wallstein Verlag, 2010, S. 141-196.
5 KAHRS, Horst: Von der „Großraumwirtschaft“ zur „Neuen Ordnung“. Zur strategischen Orientierung der deutschen Eilten 1932–1943. In: Modelle für ein deutsches Europa. Ökonomie und Herrschaft im Großwirtschaftsraum. Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik: 10. Berlin: Rotbuch Verlag, 1992, S. 9-28.
6 Max Ilgner, Dr. (1899, Biebesheim am Rhein, heute BRD – 1966, Schwetzingen, BRD) war Manager. Er stammte aus der Familie eines deutschen Offiziers. Im Ersten Krieg kämpfte er an der Westfront. Nach 1918 studierte er Politologie an der Universität in Frankfurt a. M., wo er den Doktortitel erhielt, und Hüttenwesen und Chemie an der Technischen Schule in Charlottenburg. Zuerst fand er eine Stelle im Konzern BASF, wo sein Onkel H. Schmitz der Finanzdirektor war. Seit 1926 baute er eine Karriere in der I. G. Farben auf. Er übernahm nach H. Gattineau die Leitung der Volkswirtschaftlichen Abteilung (VoWi) und später auch der Wirtschaftspolitischen Abteilung (Wipo). Seit 1934 war er Verwaltungsratsmitglied im Konzern. 1933 lehnte er noch einen Beitritt in die NSDAP ab, Mitglied wurde er jedoch 1937. Als Vertreter der I. G. Farben war er Mitglied in Verwaltungs- und Aufsichtsräten mehrerer Unternehmen