Doch Clara zuckte nur mit den Schultern.
Die Rothaarige überlegte kurz.
Clair ließ Clara einfach stehen und wollte zur Schatzkammer gehen. Sarah stellte sich allerdings vor sie und blockierte somit die Leiter.
»Aus dem Weg.«
»Das geht dich nichts an.«
»Verdammt, lass mich durch, bevor ich mich vergesse! Ich will zu Molly!«
Sarah bewegte sich kein Stück. Sie schaute zwar eingeschüchtert zu Boden, trat aber nicht zur Seite.
»Wie kannst du das einfach so sagen? Sie ist deine Schwester!«
Der Krach hatte Almyras Aufmerksamkeit erregt. Sie kam die Leiter hochgeklettert.
»Was ist hier los?«
Die Angesprochene hob skeptisch eine Augenbraue.
»Was hast du mit Molly gemacht?!«
Almyra kletterte nach dieser Ansprache wieder zurück in die Schatzkammer. Clair war sprachlos. Mit so einer Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Sarah sah die Amazone betrübt an.
»Ich bringe dich in deine Kajüte.«
»Das schaff ich schon alleine!«
Clair tat auch tatsächlich, was ihr gesagt worden war. Almyras Worte hatten sie völlig aus der Bahn geworfen. In ihrer Kajüte angekommen, setzte sie sich an ihren Schreibtisch. Auf dem Tablett mit dem Tee und der Suppe befand sich eine neue Tasse. Clair schenkte sich etwas Tee ein und trank einen Schluck. Warum wollte sie überhaupt so unbedingt zu Almyra und Molly? Jetzt, wo sie darüber nachdachte, verstand sie es selbst nicht mehr.
»Was willst du, Mary?«
»Ich möchte nur reden.«
»Sicher? Hast du keine Angst, dass ich dir eine reinhaue?«
Mary grinste.
Die Rudergängerin setzte sich auf Clairs Bett und deutete neben sich. Die Amazone murrte leise, setzte sich aber neben sie.
»Was soll ich schon großartig erzählen?«
Die ganze Nacht ließ sie sich auf diese Art von Mary trösten. Dennoch verließ ihre Lippen immer nur derselbe Name.
»Molly…«
Almyra und Clair
Almyra war, nachdem sie in der Schatzkammer fertig geworden war, zur Brücke gegangen, wo sie mit Clara das weitere Vorgehen bis zur Ankunft in Spanien plante. Dort, genauer gesagt, bei einem Trockendock in Barcelona, lebte John mit seinen drei Kindern. Er war nicht nur Anlaufstelle für die Crew, sondern auch Mollys Mann. Weder er noch die Kinder der beiden wussten, was alles geschehen war, nachdem die Crew sich vor vier Tagen auf den Weg von Spanien nach Russland gemacht hatte. Sie wussten nicht, dass Rachel unter einem starken Fieber gelitten hatte. Und vor allem wussten sie nicht, dass Molly tot war. Wie sollten sie das der Familie nur beibringen?
Seufzend blickte Almyra Clara nach, die gerade die Brücke verließ, um eine Zigarette zu rauchen. Wie sehr Almyra sich gerade wünschte, ihre Lungen würden es verkraften, wenn sie rauchte. So könnte sie wenigstens Stress abbauen, ohne dafür stundenlang etwas basteln zu müssen. Ihre Gedanken wurden jedoch unterbrochen, als sie Stöhnen vernahm, das aus Clairs Kajüte kam. Sie hatte als Einzige eine Kajüte direkt bei der Brücke, was jedoch zur Folge hatte, dass man ab und an hörte, was bei ihr vor sich ging. Als Almyra hörte, welchen Namen ihr Käpt’n stöhne, wurde ihr schlagartig schlecht, und Erinnerungen bahnten sich unaufhaltsam ihren Weg in ihr Bewusstsein.
***
„Molly…“
Geschockt sah Almyra zu Clair und stoppte sofort in ihrem Tun.
„Bitte was?“
Die Amazone sah sie kurz irritiert, dann jedoch schuldbewusst an. Sie sagte nichts.
„Ich habe mich verhört, oder? Du hast nicht wirklich eben Mollys Namen gestöhnt, während ich dabei bin, dich zu vögeln!“, brüllte Almyra außer sich.
„Almyra, es tut mir leid.“
Clairs Stimme war kaum mehr ein Flüstern. Wütend stieg Almyra aus dem Bett und kramte ihre Sachen zusammen.
„Während wir Sex haben, stellst du dir also vor, ich wäre Molly?!“
Hektisch zog sich Almyra ihr Kleid über; sie wollte keine Sekunde länger mit Clair in einem Raum sein, als nötig war. Immer noch schwieg die Amazone und am liebsten hätte Almyra ihr dafür eine geknallt.
„Abserviert worden, mh? Wenn du deine Haare schneidest, siehst du Molly vielleicht ähnlich genug.“
Doch selbst diese blöde Bemerkung ignorierte Almyra einfach. In ihrer eigenen Kajüte angekommen, sank sie zu Boden und lehnte sich an die eben geschlossene Tür. Tränen rannen ihr über die Wangen. Clair hatte sie verdammt nochmal zum Weinen gebracht!
***
»Was ist passiert?«
Erst war Almyra von der Frage irritiert, doch dann fiel ihr auf, dass Hope es gar nicht hatte mitbekommen können. Die beiden hatten sich den ganzen Tag nicht gesehen. Almyra nahm Hopes Hand in ihre und lächelte.
»Nicht so wichtig.«
Die Mechanikerin drehte sich weg und nahm sich ihre Schlafkleidung vom Bett. Nachdem sie sich umgezogen und in ihr Bett gelegt hatte, schlief sie auch sehr schnell ein.
»Guten Morgen.«
Almyra erwiderte das Lächeln.
»Guten Morgen. Gehen wir frühstücken?«
»Gerne.«
»Ist bei dir alles in Ordnung? Du bist blasser als sonst.«
»Es geht mir besser, wenn wir wieder in Spanien sind«, antwortete Almyra schnaubend.
Eine Weile saß sie schweigend da und dachte einfach nur nach. Was machte sie eigentlich hier oben?
»Gibt es noch etwas Wichtiges?«
Clara schüttelte den Kopf.
»Nein, ich habe alles im Griff.«
Die Mechanikerin stand auf und sah Clara an.
»Ich bin im Maschinenraum. Halte mich auf dem Laufenden.«
»Aye.«
»Weißt du Almyra, jetzt verstehe ich auch, warum du dich immer wieder von Clair hast verarschen lassen. Sie ist wirklich gut im Bett. Aber hat es dich nicht gestört, wenn sie statt deinem Namen Mollys gestöhnt hat? Ich meine, diese Nacht konnte ich es ja nachvollziehen, aber bei dir hat sie das ja auch schon gemacht.«
»Was meint Mary damit?«
Almyra machte einen Schritt von Mary weg und sah Hope schuldbewusst an. Was genau sollte sie jetzt nur darauf antworten? Wie sollte sie das Ganze erklären? Bedauerlicherweise hatte sie nicht viel Zeit zum Nachdenken, da Estella sich nun ebenfalls einmischte.
»Mary, das hättest du nicht tun sollen. Almyra und Clair sind doch so ein schönes Paar.«
Hope sah Almyra aufgebracht an.
»Du hattest was mit Clair?!«
Almyra nickte leicht.
»Ja. Wir hatten eine Beziehung«, murmelte