Aus dem neugeharkten Lande.
Breitet aus die vielen Äste,
Bauschet sich mit seiner Krone,
Hebt den Wipfel bis zum Himmel,
Weit hinaus dehnt sie die Zweige,
Hält die Wolken auf im Laufe,
Läßt die Wölkchen selbst nicht ziehen,
Gönnt der Sonne nicht zu strahlen,
Gönnt dem Monde nicht zu leuchten.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Dachte nach und überlegte:
Könnte man den Stamm doch stürzen,
Diesen schlanken Baum hier fällen!
Traurig ist der Menschen Leben,
Seltsam ist des Fisches Schwimmen,
Wenn ihm nicht die Sonne scheinet,
Nicht das liebe Mondlicht leuchtet.
Nirgends gab es einen Helden,
Nirgends einen solchen Riesen,
Der den Eichenstamm ihm fällte
Und der Eiche hundert Wipfel.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Sprach dann selber diese Worte:
„Mutter, die du mich getragen,
Schöpfungstochter, die mich nährte!
Leihe mir des Wassers Kräfte,
(Viel der Kräfte sind im Wasser),
Diese Eiche umzustürzen,
Auszurotten ihre Bosheit,
Daß die Sonne wieder scheine,
Daß das liebe Mondlicht leuchte.“
Stieg ein Mann da aus dem Meere,
Hob ein Held sich aus den Wogen,
Nicht gehört er zu den größten,
Keineswegs auch zu den kleinsten:
Lang gleich einem Männerdaumen,
Hoch wie eine Weiberspanne.
Kupfern war des Mannes Mütze,
Kupfern an dem Fuß die Stiefel,
Kupfern an der Hand die Handschuh,
Kupfern ihre bunten Streifen,
Kupfern war am Leib der Gürtel,
Kupfern war das Beil im Gürtel,
Daumenslänge hat der Beilschaft,
Seine Schneide Nagels Höhe.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Dachte nach und überlegte:
„Hat das Aussehn eines Mannes,
Hat das Wesen eines Helden,
Doch die Länge eines Daumens,
Kaum die Höh’ des Rinderhufes.“
Redet’ darauf diese Worte,
Ließ sich selber also hören:
„Scheinest mir der Männer rechter,
Und der Helden jämmerlichster,
Besser kaum als ein Verstorbner,
Schöner kaum als ein Verkomm’ner.“
Sprach der kleine Mann vom Meere,
Antwort gab der Held der Fluthen:
„Bin gar wohl ein Mann, wenn einer
Von dem Heldenvolk im Wasser,
Komme um den Stamm zu fällen,
Um den Baum hier zu zertrümmern.“
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
„Nimmer hast du solche Kräfte,
Nimmer ist es dir gegeben,
Diesen großen Stamm zu stürzen,
Diesen Wunderbaum zu fällen.“
Konnte kaum noch dieses sagen,
Kaum den Blick auf ihn noch lenken,
Als der Mann sich rasch verwandelt
Und zu einem Riesen wurde,
Schleppt die Füße auf der Erde,
Mit dem Haupt hält er die Wolken,
Über’s Knie reicht ihm der Bartschmuck,
An die Fersen seine Haare,
Klafterweit sind seine Augen,
Klafterbreit steh’n ihm die Beine,
Anderthalb der Klafter haben
Seine Knie’ und zwei das Hüftbein.
Wetzte hin und her das Eisen,
Strich behend die ebne Schneide
Mit sechs harten Kieselsteinen
Und mit sieben Schleifsteinsenden.
Fängt dann hastig an zu schreiten,
Hebt behende seine Beine
Mit den überbreiten Hosen,
Die gar weit im Winde flattern,
Schwankt mit seinem ersten Schritte
Hin auf lockern Sandesboden,
Taumelt mit dem zweiten Schritte
Hin auf Land von dunkler Farbe,
Mit dem dritten Schritte endlich
Tritt er an der Eiche Wurzeln.
Haut den Baum mit seinem Beile,
Schlägt ihn mit der ebnen Schneide,
Einmal haut er, haut das zweite,
Schon zum dritten Male schlägt er,
Funken sprühen aus dem Beile,
Feuer fliehet aus der Eiche,
Will die Eiche niederwerfen,
Will den mächt’gen Baumstamm beugen.
Endlich bei dem dritten Male
Konnte er die Eiche fällen,
Brechen den gewalt’gen Baumstamm
Und die hundert Wipfeln senken;
Streckt der Eiche Stamm nach Osten,
Wirft die Wipfel hin nach Westen,
Schleuderte das Laub nach Süden,
Und die Äste nach dem Norden.
Wer dort einen Zweig genommen,
Der gewann sich ew’ge Wohlfahrt,
Wer den Wipfel an sich brachte,
Hatte ew’ge Zauberkunde,
Wer vom Laube ’was geschnitten,
Ward beständ’ger Wonne inne.
Was von Spänen ausgestreuet,
Was von Splittern fortgeflogen
Auf den klaren Meeresrücken,
Auf den flachen Wellenspiegel,
Ward vom Winde dort gewieget,
Von den Wellen dort beweget
Wie ein Boot im Wasserspiegel,
Wie ein Schiff in Meeresfluthen.
Nach dem Nordland trugen’s Winde,
Nordlands schlankgewachsne Jungfrau
Spülte ihren weiten Kopfputz,
Spült’ und klopfte ihre Kleider