Equinox. Dana Schwarz-Haderek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dana Schwarz-Haderek
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783941935266
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meiner Träume. Hatte er mich nicht zugunsten einer anderen am Samstag im Café verlassen? Schlag ihn dir aus dem Kopf, sagte ich mir ein ums andere Mal. Er ist sowieso nicht interessiert an dir. Und trotzdem konnte ich einfach nicht aufhören, an ihn zu denken. Wie er mich angesehen hatte …

      Ich schloss die Augen und sah ihn sofort wieder vor mir. Nein, konzentriere dich, versuchte ich mich aus meinen Tagträumen zu reißen und strengte mich halbherzig an, dem wenig fesselnden, monotonen Redefluss des Dozenten zu folgen.

      »Wir gehen nachher Mittagessen. Hast Du Zeit und Lust? Dann komm doch mit!«, forderte mich Theresa auf, als wir nach einer gefühlten Ewigkeit knochentrockener Textanalyse endlich unsere Sachen packten und eilig aus dem viel zu warmen Seminarraum flohen.

      »Ja, gern«, antwortete ich und freute mich, so netten Anschluss gefunden zu haben.

      »Oh Mann, den überleben wir nie!«, polterte Jason mit rollenden Augen auf dem Weg zur Mensa. »Dabei dachte ich mir, dass man gerade dieses Thema doch leicht mit Leben füllen und interessant gestalten könnte. Das hat der steife Brite aber voll vermasselt!« Jason, der, abgesehen von seinem verräterischen Akzent, ein bewundernswertes Deutsch sprach, betonte vermasselt eher wie vermesselt, was Theresa und mich schmunzeln ließ.

      »Waaas?«, frage er gespielt genervt.

      »Nichts! Ich sehe schon, das wird der harte Montagvormittag dieses Semester!« witzelte Theresa und lachte auffordernd in meine Richtung. »Was ist, bleibst du dabei oder suchst du dir eine Alternative?«

      »Klar bleibe ich! Mit Euch beiden könnte man es dort schon überleben!«, und lachte mit.

      Während des Mittagessens setzte sich unsere Unterhaltung fort und ich spürte, dass ich in den beiden tatsächlich die ersten neuen Freunde gefunden zu haben schien. Sie schafften es durch ihr unbekümmertes, freundliches Wesen sogar, mich von meinen sehnsuchtsvollen, schmerzhaften und vor allem sinnlosen Erinnerungen an Robert fern zu halten.

      »Woher kennt ihr Euch? Seid ihr ein Paar?«, wagte ich mich am Ende der Mittagspause zu fragen, denn der vertraute Umgang der beiden miteinander war auffällig und die Frage nach ihrem Verhältnis zueinander nur naheliegend.

      Jason lachte kurz gespielt amüsiert und leicht wehmütig auf und sagte dann, Theresa schelmisch anlächelnd: »Nein, als hätte ich jemals eine Chance bei Theresa! Wir sind zufällig beide zu Beginn des vergangenen Semesters in der gleichen WG gelandet, sind also sozusagen Zimmernachbarn. Und da wir auch noch die gleichen Fächer belegen, verbringen wir notgedrungen viel Zeit miteinander.«

      Postwendend knuffte Theresa ihn in die Seite und entgegnete neckend: »Es scheint dich ja auch mächtig zu stören, ständig mit mir herumzuhängen!«

      »Nun ja, es gibt schon noch Schlimmeres!«

      »Sag mal Elizabeth … hast Du am Freitagnachmittag schon was vor? Es werden noch Leute für eine Studie zum Zweitspracherwerb gesucht. Weißt du, was das ist?«, fragte Theresa und beantwortete die Frage gleich selbst: »Klar, sicher weißt du das. Du bist ja schließlich vom Fach. Wir machen übrigens auch mit und das nicht zum ersten Mal.«

      »Und was passiert dann da?«, fragte ich sie interessiert. Alles war gut, solange es mich ablenkte und beschäftigte, stellte ich etwas grimmig mit mir selbst fest.

      »Das ist immer ganz lustig, man bekommt einen kleinen Test vorgelegt, füllt den aus oder spricht eine Testrunde lang mit den Leuten dort und am Ende gibt es meist sogar zwanzig Euro dafür.« Theresa schaute mich erwartungsvoll an.

      »Ja, cool. Klingt interessant. Wo muss ich da hin und vor allem wann?«

      »Wir können uns ja alle sechzehn Uhr am Bahnhof treffen und gemeinsam hinlaufen. Es ist nicht weit«, meinte sie.

      »Okay, abgemacht.«

      »Und danach wollen wir mit ein paar Leuten in die Moritzbastei zur Semesteranfangsparty. Es spielen auch zwei ganz gute Bands. Wenn Du willst, bist Du mit dabei!«, lud Jason mich ein.

      »Ja, mal schauen«, zögerte ich.

      »Ach komm schon, es soll die ganze Woche so weiter regnen,« sagte Theresa mit einem genervten Blick aus dem Fenster. »Da tut ein bisschen Ablenkung doch ganz gut!«

      »Okay, einverstanden. Ich komme mit«, sagte ich, da ich nun bestätigt bekam, dass meine Pläne, jeden Abend den kleinen grünen Platz in unserer Straße aufzusuchen, in der stillen Hoffnung ihn zu treffen, endgültig durchkreuzt waren. Wenn das Wetter so bleiben sollte, brauchte ich dort nicht hinzugehen. Aber wenn es besser werden sollte … könnte ich immer noch absagen. Jedenfalls war gegen ein bisschen Ablenkung nichts einzuwenden, fand ich.

      »Prima«, freuten sich Jason und Theresa gemeinsam. »Wir müssen nun los, mach’s gut, Elisabeth.« Bevor sie gingen, tauschten wir noch schnell unsere Telefonnummern aus, und dann waren sie auch schon weg.

      Auf meinem Weg zur Bibliothek sah ich an der Eingangstür eines liebevoll gestalteten Kindergartens ein Schild hängen, auf dem ich las, dass Vorlesepaten für die Kinder gesucht würden. Da könnte ich mich doch melden, dachte ich mir. Denn Kinder hatte ich immer gern um mich. Meine Kleinen aus Exeter fehlten mir richtiggehend, als ich darüber nachdachte. Na, und Lesen … das war ja schließlich ich.

       5

      Die Woche schritt voran und der Regen hielt an. Am Donnerstagvormittag, als ich in der Bibliothek saß und Literatur für mein erstes Kurzreferat in einem Germanistikseminar in zwei Wochen zusammentrug, schien es, als wollten sich die Wolken etwas lichten. Hoffnung durchströmte mich mit einer derartigen Intensität, dass es mir fast unmöglich war, mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren. Doch schon, als ich zur Mittagszeit aus dem modernen Bibliotheksgebäude heraustrat, war es wieder dunkelgrau und ich tappte tief enttäuscht meinem nächsten Seminar entgegen. Es schien, als würde sich das Wetter belustigt meiner Hoffnung auf einen regenfreien Abend in den Weg stellen, um mir ein ums andere Mal zu sagen, dass ich ein Dummkopf sei und nicht meinen unerreichbaren Träumen hinterherhängen sollte.

      Ich war froh, dass ich meine Tage über das vorgeschlagene Maß hinaus mit Veranstaltungen vollgepackt hatte. Vorbereitung, Nachbereitung. Ich hatte zu viel zu tun, als dass ich häufig Raum für meine mittlerweile schon fast surreale Erinnerung an Robert hatte.

      Nachts jedoch schlief ich kaum und versuchte, meinem sich rastlos drehenden Gedankenkarussell zu entkommen, während ich mich endlose Stunden im Bett hin und her wälzte.

      Ich musste mir eingestehen, ich hatte mich in einen völlig fremden Menschen verliebt. Das erste Mal in meinem Leben überhaupt. Und nichts in meinem Leben war bisher je aussichtsloser gewesen als diese Liebe, die ich so deutlich und heftig wie körperlichen Schmerz empfand. Irgendwann, jede Nacht aufs Neue, schlief ich dann unter Tränen ein, mir der absoluten Hoffnungslosigkeit meiner Gefühle bewusst, nur um im Traum Roberts smaragdgrünen Blick wieder und wieder auf mir ruhen zu sehen.

      Der Freitagmorgen verlief höhepunktlos und nachdem meine letzte Vorlesung der Woche vorbei war, hatte ich noch ausreichend Zeit, nach Hause zu gehen, bevor ich mich mit Theresa und Jason für die Studie und vielleicht auch für die Party in der Moritzbastei treffen wollte. Ein ums andere Mal ertappte ich mich dabei, meiner Versuchung nachzugeben, die beiden anzurufen und ihnen zu sagen, dass ich eine Erkältung hätte, nur um nicht mit zu müssen. Ich tat es dann doch nicht, denn noch mehr fürchtete ich, wieder allein zu Hause zu hocken und von meinen deprimierenden Sehnsüchten eingeholt zu werden. Ich brauchte definitiv Ablenkung, so viel stand fest. Sonst würde ich noch verrückt werden!

      Unschlüssig stand ich wenig später vor meinem Kleiderschrank. Ich war nicht der Typ Frau, der sich gern aufbretzelte. Ich hielt es lieber schlicht und vor allem unauffällig. So verließ ich am Nachmittag das Haus in meinen altbekannten Bluejeans und einem einfachen dunkelblauen Shirt mit dreiviertellangen Ärmeln, alles gut versteckt unter meinem Parka, denn es regnete noch immer unaufhörlich. Meine dunkelblonden, lockigen Haare ließ ich einfach offen und Make-up trug ich sowieso nie.

      Bevor ich mich mit Theresa und Jason