Equinox. Dana Schwarz-Haderek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dana Schwarz-Haderek
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783941935266
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36

       Kapitel 37

       Kapitel 38

       Kapitel 39

       Kapitel 40

       Kapitel 41

       Kapitel 42

       Kapitel 43

       Kapitel 44

       Kapitel 45

       Kapitel 46

       Kapitel 47

       Kapitel 48

       Kapitel 49

       Kapitel 50

       1

      »Viel Glück, mein Schatz!«

      Meine Mutter umarmte mich herzlich und mein Vater erinnerte mich zum bestimmt zehnten Mal an mein Versprechen, mindestens zweimal wöchentlich daheim anzurufen. Zweimal wöchentlich. Als würde das reichen! Wahrscheinlich würde ich mich mehrmals täglich melden. Ich war in der Vergangenheit erst einmal lange von zu Hause weg, als ich neun Monate in Exeter als Fremdsprachenassistentin verbracht hatte. Und selbst mit mehr als tausend Kilometern Entfernung zu meiner Familie waren wir nie wirklich getrennt. Dank Telefon und Email tauschten wir uns täglich aus und ich konnte mir nicht vorstellen, nun nicht mehr alles mit meinen Lieben zu teilen. Ich gehörte nicht zu den Menschen, die ihre Familie und Freunde zugunsten einer ins Ungewisse führenden Abenteuerlust leichtfertig hinwegsehnten.

      Wehmut schwang mit, als die beiden in ihr Auto stiegen und aus den offenen Fenstern winkend sich in den Feierabendverkehr stadtauswärts einfädelten.

      Leipzig! Wow, dies würde nun meine neue Heimat für die nächsten mindestens viereinhalb Jahre werden. Ich drehte den Schlüssel zu meiner ersten eigenen kleinen Wohnung langsam in den Händen, die ich mit Kristin, meiner mit mir gleichaltrigen Cousine und schon-immer-besten Freundin teilen würde, und schaute dem längst aus dem Blick verschwundenen Auto meiner Eltern hinterher. Nun war ich erst einmal allein in dieser vor Leben pulsierenden Stadt, die so ganz anders war als die Kleinstadt, in der ich aufgewachsen war. Ein etwas flaues, aber auch erwartungsvolles Gefühl breitete sich langsam in meinem Magen aus. Nun gut, Kristin würde erst in einer Woche nach Leipzig kommen. Sie hatte bisher allein in unserer jetzt gemeinsamen Wohnung gewohnt, da sie wusste, dass ich nach meinem Jahr in Exeter zu ihr nach Leipzig kommen würde. Wir kannten uns schon immer, besuchten zusammen den Kindergarten, waren gemeinsam zur Schule gegangen und fühlten uns so eng miteinander verbunden, als wären wir Schwestern, obwohl wir eigentlich völlig unterschiedlich waren. Bis Kristin in wenigen Tagen auch ankommen würde, hatte ich Zeit, meine Kartons auszuräumen und die Gegend, in der wir ab nun wohnten und die ich bisher weitestgehend nur aus Kristins Erzählungen kannte, langsam selbst zu erkunden.

      Kristin studierte im dritten Semester Jura und begann das neue Semester mit einem Blockseminar in Halle. Da sie dort einige Freunde hatte, würde sie bei diesen schlafen und die Zeit für gemeinsame Abende nutzen. Sicher bereitete sie sich gerade weniger auf das Seminar, sondern umso mehr darauf vor, das abendliche Halle mit ihren Kommilitonen unsicher zu machen.

      Ich schaute noch immer die Straße hinab. Zur Uni war es nicht weit, fünf Minuten Fußweg rechts die Straße hinunter zur Straßenbahn und zehn weitere darin. Diesen Weg kannte ich bereits. Ich drehte mich um und blickte in die andere Richtung. Nahe der nächsten Kreuzung befand sich ein kleiner ovaler Platz, umsäumt von großen Eichen, Buchen und Kastanien. In der Mitte ein kleiner Springbrunnen, darum ein Blumenbeet mit Tagetes und Wandelröschen. Alles zusammen bildete ein schönes Farbspiel und lud ein, auf den Bänken unter den Bäumen zu verweilen. Ich atmete tief durch und nahm mir vor, am Abend mit einem Buch dorthin zu kommen, denn ich war ein absoluter Bücherwurm und diese kleine stille Oase lud gerade dazu ein, sich niederzulassen und den Tag mit der Lektüre einer guten Geschichte ausklingen zu lassen. Nun aber musste ich zuerst ins Haus und anfangen, auszupacken und in meinem neuen Leben anzukommen.

      Mit kribbelnder Erwartung auf das mich erwartende neue Leben stieg ich die fünf Etagen zu unserer Dachgeschosswohnung hinauf, schloss auf und stand zwei Schritte hinter der Eingangstür sofort in der winzigen Küche, die sich gemütlich in eine von Dachschrägen umgebene Nische schmiegte. Von einem Flur zu sprechen, war eigentlich maßlos übertrieben, denn der Platz hinter der Tür reichte gerade, um die Schuhe abzustellen und die Jacken aufzuhängen. Trotz des begrenzten Platzes konnte man aber nicht sagen, dass unser kleines Domizil unkomfortabel gewesen wäre. Ganz im Gegenteil, wir verfügten sogar über einen kleinen Balkon, der, Richtung Westen blickend, den Blick über Leipzigs Dächer und viele grüne Inseln dazwischen enthüllte. Im Licht der untergehenden Sonne lag das Dächermeer goldgelb überzogen da und wirkte freundlich und einladend. Das flaue Gefühl der Unschlüssigkeit in meinem Bauch legte sich ein wenig und wich der Vorfreude, endlich das tun zu können, was ich schon immer machen wollte. In weniger als drei Tagen würde ich mein Studium der Anglistik und Germanistik beginnen und hoffte, damit alsbald noch tiefer in die Welt der von mir über alles geliebten Bücher zu versinken.

      Ich schnappte mir den ersten Karton und ging in mein Zimmer. Nun ja, Zimmer, es war gerade groß genug für einen Schreibtisch, mein Bett, das auch zugleich meine Couch sein musste, eine Kommode und mein Bücherregal. Die Dachschrägen gegenüber vom Bett waren glücklicherweise durch Einbauschränke genutzt und boten somit genügend Raum, meine Habseligkeiten unterzubringen. Zusammen mit meinem kleinen Bruder Daniel hatte ich die Wände vor ein paar Tagen in einem zarten Lindgrün gestrichen, duftige Schals aus weißem Baumwollbatist wehten nun um das geöffnete Fenster und ergänzten sich lieblich mit den weiß lasierten Holzmöbeln und dem ebenso weiß lackierten Eisenbett. Ein wahres Mädchenzimmer, aber ohne überflüssiges Schi Schi. Ich stellte meine liebsten Bücher ins Regal, ein paar gerahmte Fotos der zu Hause zurückgebliebenen Familie dazu und packte den Inhalt meines Koffers in den Wandschrank. Viel hatte ich nicht eingepackt, Wäsche, ein paar Jeans, T-Shirts, nichts Aufregendes. Meine Mutter hatte mir einige Kissen aus verschiedenen grünen und weißen Stoffresten genäht, die ich auf meinem Bett verteilte. Zufrieden schaute ich mich um und stellte fest, dass nun alles wohnlich und gemütlich wirkte. So würde ich mich sicher wohlfühlen. Die Küche war bereits von Kristin mit allem Notwendigen bestückt und die wenigen fehlenden Dinge würden wir in den nächsten Tagen zusammen besorgen. Nachdem ich alles vorerst Notwendige an seinen zukünftigen Platz gebracht und verstaut hatte, nahm ich eine Flasche Wasser und ein Buch, sprang die Treppen herab, lief hinüber zu den vorhin entdeckten Bänken unter den Bäumen und begann zu lesen.

       2

      »Ist dir nicht kalt?«, fragte plötzlich eine warme, tiefe Stimme.

      Ich erschrak fürchterlich, denn wie immer, wenn ich las, hatte ich die Welt um mich vergessen und war eins mit der Geschichte, die sich mir Seite um Seite erschloss. Ich schaute auf und erblickte auf der mir gegenüberliegenden Bank einen jungen Mann, ein wenig älter als ich, groß, mit dunkelbraunem, fast