(Ein Text mit darin versteckten Zeilen aus Weihnachtsliedern)
Alle Jahre wieder steht auch in der Eingangszone der Arbeitsagentur ein geschmückter Weihnachtsbaum. Sind die Lichter angezündet, verleiht ihr Glanz diesem sonst so nüchternen Gebäude, dessen Architektur eher an ein Gefängnis aus einem amerikanischen Film erinnert, eine solche Wärme, die mir in den Augen brennt und die Kehle zuschnürt.
Macht hoch die Tür’, die Tor’ macht weit – jetzt im Dezember kommen besonders viele, die sich noch schüchtern umschauen und sich zum ersten Mal in die Warteschlangen am Informationsstand gleich neben dem Eingang einreihen, denn viele Entlassungen sind zum Jahresende ausgesprochen worden. Mit ihrem Anmeldebogen in der Hand treten die neuen „Klienten“ die Suche nach dem ihnen zugeteilten Wartebereich an. Dort, neben den akkurat ausgerichteten Stuhlreihen, steht auch noch ein kleiner Tisch mit ein paar kleinen Stühlen. Ihr Kinderlein, kommet – ja, kommt nur mit Mutti mit auf Arbeitssuche; wo sollt ihr denn sonst auch hin – der Kindergarten ist jetzt zu teuer geworden für Mutti und außerdem ist sie sowieso zu Hause. Wenn sie sich wirklich einmal auf einer Arbeitsstelle vorstellt, wird man ihr gleich sagen, sie soll euch erst einmal großziehen. Der Dienst an der Waffe in der Bundeswehr ist aber jetzt auch für Frauen erlaubt – schließlich haben wir Gleichberechtigung. Friede auf Erden …
Als die Nummer meiner Wartemarke auf der Digitalanzeige an der Wand aufblinkt, gehe ich in das Büro mit der entsprechenden Zimmernummer. Bewerbungskosten will ich heute auch abrechnen. „Das hätten Sie vorher beantragen müssen“, sagt die Beraterin. In dem Merkheft über die Rechte – und vor allem Pflichten – der Arbeitssuchenden hatte ich das nicht so gelesen. So viel Heimlichkeit … Aber ich habe mich wenigstens wieder mal gemeldet und gehe meinen nun schon gewohnten Weg den Gang am Geländer über dem Treppenhaus entlang und die Treppe hinunter zum Ausgang.
Der Würstchenmann steht, wie seit Jahren jeden Tag, gleich an der Ecke. Oh, es riecht gut, oh, es riecht fein. Der Preis für eine Bockwurst ist noch immer sozial verträglich, inzwischen allerdings auch um 20 Cent gestiegen. Das wird von den meisten, die aus der großen Tür kommen, stillschweigend geschluckt. Nirgendwo anders ist Frustfressen so verständlich wie hier.
Es ist Donnerstagnachmittag, zweimal in der Woche ist die Agentur jetzt bis 18 Uhr geöffnet und noch immer strömen die Menschen hinein – manche, die direkt nach der Arbeit mit der Kündigung in der Tasche hierher kommen, und andere, die schon mehrere Weihnachtsbäume in dieser Eingangszone gesehen haben. Fröhliche Weihnacht – überall? Die Vorübergehenden werfen einen recht ungläubigen Blick auf den Baum mit seinen Kerzen, Strohsternen und Glaskugeln. Arbeitsplätze hängen keine daran. Nur an einer Wand dort drin gleich neben dem Eingang hängt ein Plakat mit den nächsten Existenzgründerseminaren.
Fürchtet euch nicht!
Friedemann Steiger
jeder soll menschlich behandelt werden
vier dinge sind
dabei wichtig
wir nennen es
ehrfurcht vor dem
leben gewaltlos
wir nennen es
solidarisch
ziel ist eine
gerechtere ordnung
der welt
wir nennen es
ein toleranteres
leben wahrhaftig
wir nennen es
ein gleichberechtigtes
leben geduldig
partnerschaftlich
das ist alles
leben als gebet
der prophet micha
der blickte nach vorn
nicht zurück
wir fragen was den
frieden damals
zerstörte was heute
ob wir nicht auch
gegen ungerechtigkeit
unmenschlichkeit
etwas unternehmen
sollen klartext reden
wir wissen wir tun es
zu wenig die zahl der
arbeitslosen der menschen
ohne dach über dem kopf
darf sich nicht vergrößern
brauchen wir so viel
verwaltung in kirche und
staat sozialämter
da fallen viele durch das
berühmte soziale netz
deutschland ist ein reiches
land viele menschen
auf der welt sehnen sich
nach unserem wohlstand
ich stand einmal in israel
an der grenze zum libanon
ich sah die menschen von
der arbeit kommen aus
feindesland ich stand auf
dem nebo und dem sinai
auf golgatha und dem zionsberg
auf dem berg der bergpredigt
und schwamm im see genezareth
ich hielt meine hand in den
jordanfluss ich aß petrusfisch
ich kniete in bethlehem in der
hieronymuskapelle ich baute
den altar als krippe in krippehna
nach ich blicke mit micha
nach vorn sein reich kommt
es ist dir gesagt mensch was
gut ist und was der herr von dir
fordert nämlich gottes wort
halten liebe üben und demütig
sein vor deinem gottlosen
schwerter zu pflugscharen stand
an der grenze, micha vier, Vers
drei dafür lebe ich
Weihnacht
Friedemann Steiger
Die schönste Geschichte der Welt
Milliarden Menschen hören sie heute.
Eine K i n d e r g e s c h i c h t e?
Wer sich ein kindliches Gemüt bewahrt hat,
versteht das und glaubt.
Wir sind viel zu brav; singen und tanzen
sind angesagt; vielleicht teilt ihr jubelnd
miteinander die Weihnachtsoblate; lasst das
Kind in euch leben.
Eine Geschichte für Tr ä u m e r?
Einmal