VT Vāmakeśvara Tantra (auch bekannt als Vāmakeśvarīmatam) Einer der ersten Texte der Śrī Vidyā Tradition. Ein eher technisches Werk welches sich ausgiebig mit tantrischer Kosmologie beschäftigt. Der Stil ist recht trocken, und ohne einen brauchbaren Kommentar ist das Werk nahezu unverständlich. Üblicherweise werden nur die ersten fünf Kapitel (die Nityāṣoḍaśikārṇava) behandelt. Ein hochentwickeltes Tantra, das deutlich auf den Ideen und der Terminologie des kaschmirischen Tantras basiert. Lange Passagen über das Śri Yantra, Mantra, Mudrā usw.
VBT Vījñana Bhairava Tantra (Die Gnosis von Bhairava) Ein Text in 161 Strophen. Enthält wenig ‘typisch tantrisches’ Material (wie Mantras, Phoneme, lange Rituale, Opfer, Zauberei, Guru Verehrung, Initiationen, 5-M Rituale usw.), aber eine Menge praktischer meditativer Ansätze. Zur Erbauung der Leser erklärt Śiva/Bhairava 112 verschiedene Meditationen und Bewusstseinsübungen, wobei jede einzelne in wenigen Worten präzise beschrieben wird. Das Buch gehört zum Besten, was Tantra zu bieten hat, ist höchst inspirierend und kann einen das ganze Leben lang immer wieder erstaunen. Die Praxis setzt allerdings gründliche Vorkenntnisse und vor allem viel Eigeninitiative voraus. Wer detaillierte Anweisungen erwartet, wird mit Sicherheit enttäuscht. Das VBT gehört zu den ältesten erhaltenen Tantras und hat zahllose spätere Werke und den Kaschmir-Monismus entscheidend beeinflusst. Im Gegensatz zum Großteil der tantrischen Fachliteratur gibt es dieses Buch in einer guten deutschen Übersetzung (Bäumer, 2008).
VŚT Vīṇāśikhatantra Ein Śaiva-Tantra, das in Südostasien höchst einflussreich war. Es stellt detailliert die Verehrung von Śiva als Tumburu im Zentrum der Weltkarte dar und die vier Śaktis Jayā (Osten), Vijayā (Süden), Jayāntī (Westen) und Aparājitā (Norden). Der Text hatte einen starken Einfluss auf die vorbuddhistische Religion Kambodschas. Besonders betont werden Initiationsriten, Mantras, Magie und praktische Rituale.
YT Yonitantra Ein kurzes und etwas einseitiges Werk, wahrscheinlich aus dem 17. Jh., das die Yoni, ihre Verehrung und die Heiligkeit des Menstrualblutes preist. Es gehört zur Śaiva-Richtung, hat aber starke Vaiṣṇava-Untertöne. Im Gegensatz zu anderen Tantras liegt die Betonung auf sexuellen Riten; die typischen Grundthemen anderer Tantras, wie Kosmologie, Phoneme, Meditationen, Cakras, innere Alchemie, allgemeine Grundausbildung, Guru-Schüler-Relation, Ethik, Yoga usw. fehlen größtenteils.
Bild 2
Śiva
Kapitel 1
Dakṣas Fest
Es war einmal:
In der Zeit vor der Zeit nahm die höchste Śakti (Parāśakti) drei Formen an: Sarasvatī, die Brahmās Frau wurde, Lakṣmī, die Viṣṇus Gefährtin wurde, und Gaurī, die Goldene, die Geliebte von Śiva. Dann geschah das Übliche. Wie so oft erscheint da ein Asura oder Dānava, der zu ehrgeizig wird. Asuras und Dānavas gehörten in der Vorzeit zu den respektablen Götterfamilien, wurden aber mit dem Beginn des modernen Hinduismus in dämonische Gegen-Götter verwandelt. Wie die Götter (Devas) hat das Volk der Dämonen den Wunsch nach Befreiung, und manchmal nehmen sie die spirituelle Disziplin sehr ernst. Dies war der Fall bei den Halāhalas, einer besonders ehrgeizigen Gruppe von Dānavas. Sie trieben die Askese bis ins Extreme, sie übten sich in Beschränkungen, sie praktizierten Tag und Nacht hindurch, und schließlich musste Brahmā, der Schöpfer, ihnen spirituelle Kräfte gewähren. Was keine besonders weise Idee war. Brahmā ist allerdings bekannt für unbedachte Taten, egal, wie oft sie die Götter in Schwierigkeiten bringen. Die Halāhalas sagten Brahmā ‘Danke!’ und machten sich auf, das Universum zu erobern. Bald beherrschten sie die drei Welten des Himmels, der Erde und der Unterwelt, sie erstürmten sogar den Berg Kailāsa, stürzten Śiva und besetzten die Regionen in der Unterwelt. Angesichts solcher Katastrophen rüsteten sich Viṣṇu und Śiva zum Krieg. Brahmā tat nichts dergleichen. Er lehnte sich lediglich zurück und hoffte, dass die Anderen die Dinge schon in Ordnung bringen würden. Und die Götter taten es. Viṣṇu zog in Begleitung seiner himmlischen Truppen in die Schlacht und Śiva ebenso, dessen Truppen nicht ganz so himmlisch waren. Der Krieg dauerte 60.000 Jahre. Als der letzte Halāhala in die Flucht geschlagen war, kehrten die Götter müde, erschöpft und angeschlagen zu ihren Gemahlinnen zurück. Sie nahmen ihre Rüstungen ab, legten ihre Waffen beiseite, nahmen ein Bad und einen guten Trunk und begannen zu prahlen. ‘Wir haben sie geschlagen’, verkündete Viṣṇu. ‘Wir haben sie völlig vernichtet!’ erklärte Śiva. ‘In allen Welten kann niemand gegen uns bestehen!’
‘Keiner von euch bringt ohne uns irgendetwas zustande!’ erwiderten die Gemahlinnen. ‘Wer gab euch die Kraft zu kämpfen? Wer könnte je ohne Śakti kämpfen?’ ‘Nun kommt schon’, sagten die Götter. ‘Wir haben das doch ganz gut erledigt, oder?’ Die Göttinnen brachen in Gelächter aus. ‘Sicher’, erwiderten die Devīs, ‘und nun werdet ihr erfahren, wie weit ihr ohne uns kommt.’
Und ohne ein weiteres Wort verschwanden Lakṣmī und Gaurī.
Die Götter waren sprachlos. Sie begannen zu weinen. Sie beweinten ihren Verlust, sie verloren ihre göttliche Ausstrahlung, sie taumelten wie Verrückte durch die Welt. Ihre Kraft (Śakti) verschwand und damit auch ihre Funktion im Universum. Als Brahmā dies sah, wurde er sehr besorgt. Er wusste, dass in nicht allzu langer Zeit ein weiterer Haufen von Dānavas erscheinen würde, und er wusste noch besser, dass er, allein auf sich gestellt, keine Chance gegen sie hätte. In seiner Furcht schloss er die Augen, wandte sich nach Innen und sank hinab in den heiligen, leeren Raum des Herzens. In der alles erschaffenden Höhle der Absoluten Realität erfuhr er, dass die Höchste Energie (Parāśakti) wütend auf die Götter war und ihren Segen von ihnen genommen hatte. Und Brahmā wurde klar, dass er für drei arbeiten musste. Wenn Viṣṇu verrückt und Śiva verwirrt war, musste er deren Ämter als Bewahrer und Zerstörer übernehmen – und, als Schöpfungsgott, lag ihm das überhaupt nicht. Die anderen Götter waren genauso erschüttert. Dann lud der uralte Gott Dakṣa die Gottheiten, Seher und himmlischen Asketen zu einem Beschwichtigungsritus ein. Sie gingen zu den Hängen des Himalaya und sangen 100.000 Jahre lang ‘Hrīṁ’, bis die höchste Göttin erschien. Parāśakti manifestierte sich in ihren Herzen in Form von Sein, Intelligenz und Glück. Sie hielt die Schlinge und den Elefantentreibstock; ihre anderen beiden Hände beschrieben die Zeichen, die Furcht vertreiben und Segen spenden. Die Götter und Weisen priesen sie, und endlich antwortete sie auf ihre Sorgen.
‘Hört’, sprach die Göttin, die in der Form von Mahāmāyā/Bhuvaneśvarī erschienen war, ‘der Wahnsinn der Götter wird bald vergehen. Lakṣmī wird wiederkehren, wenn der Milchozean gebuttert wird, sie wird mit dem Elixier der Unsterblichkeit wieder entstehen. Gaurī wird bald wiedergeboren, und es wird in Dakṣas Familie sein.‘ Die Versammlung war begeistert, dies zu hören, vor allem der alte Dakṣa, der in den vedischen Zeiten ein Hauptgott gewesen war, dessen Bedeutung aber im Laufe der Jahre stark verblasst war.
Nun ging der Seher Durvāsā eines Tages zum Fluss Jambū, um zu meditieren. Vielleicht war es kein Glückstag. Er sah die höchste Śakti auf der Flussbank. Um seine Sinne unter Kontrolle zu halten (war die Göttin nackt?), rezitierte er ihr Bīja ‘Hrīṁ’, und dies gefiel der Göttin. Sie näherte sich dem Seher und gab ihm eine Girlande aus Jasmin, so süß, dass zahlreiche Bienen um die Blüten schwärmten. In seinem Glück legte sich der Seher die Girlande auf den Kopf und ging, Dakṣa zu besuchen. ‘Was für eine wunderbare Girlande ist das?’ fragte Dakṣa. ‘Möchtest Du sie haben?’ erwiderte Durvāsā großzügiger als für ihn gut war. ‘Alles in den drei Welten mag einem gegeben werden, der Śakti ergeben ist.’ ‘Ich nehme sie