Auf der Hütte Neu-Essen lag der Hochofen seit einigen Jahren still und ging auch nicht wieder in Betrieb. Hier arbeitete zunächst eine kleine Gießerei, die mit einem ▶ Kupolofen Potteriewaren und Munition herstellte, aber bereits 1821 wieder schloss.162 In der Zwischenzeit baute das Unternehmen die Anlage an der Emscher zu einem Frischfeuer mit Schmiede- und Reckhammer um. Das Frischen war ein Prozess, in dem Roheisen zu Stahl umgearbeitet wurde. Dieser war dann in einer Schmiede oder in einem Walzwerk formbar. Am 15. Juni 1812 ging der Hammer in Betrieb, konnte aber nur mit zugekauftem Roheisen vom Mittelrhein und der Lahn betrieben werden, da das Eisen der eigenen Hochöfen nicht zum Frischen geeignet war. Neu-Essen produzierte nun Stabeisen und ab 1816 Brammen, die bei der Produktion von Maschinen und ab 1828 im Walzwerk benötigt wurden. Ab 1835 stellte man hier auch feuerfeste Steine her.163 Gegen den Betrieb des Eisenhammers wendete der Duisburger Landrat 1825 ein, dass er durch die Stilllegung der dortigen Mahlmühle zu Korn- und Brotmangel geführt habe. Konsequenzen hatte dies für den Industriebetrieb aber nicht.164
Abb. 28: Hochofenskizze aus dem Notizbuch Jacobis von 1812
Abb. 29: Ansicht der Hütte Neu-Essen um 1835, Zeichnung von Jacob Weeser-Krell aus dem Jahr 1902
Abb. 30: Hochofen der Gutehoffnungshütte, nach 1832 entstandene Zeichnung
Den größten Umbau erlebte die Hütte Gute Hoffnung in Sterkrade. 1810 begannen hier Modernisierung und Ausbau der Anlagen. 1816 ersetzte ein 36 Fuß (= 11,30 Meter) hoher achteckiger den alten 20 Fuß (= 6,30 Meter) hohen rechteckigen Hochofen.165 Die Roheisenherstellung verlagerte sich nun immer stärker nach Sterkrade, das sich zum neuen Zentrum des Unternehmens entwickelte. Auch verarbeitende Betriebe nahmen hier ihre Tätigkeit auf. Damit verbunden war eine Ausweitung des Produktionsprogramms. Zwar blieben weiterhin auch Potteriewaren ein wichtiges Produkt der JHH, aber die Herstellung von Maschinen und Maschinenteilen wurde immer umfangreicher. So lieferte das Unternehmen weiter Zylinder, Kolben, Röhren, Maschinenräder, Rohrpumpen, Luftpumpen oder Deckel aus Eisen an Franz Dinnendahl. Der Anteil der Maschinenteile an der Gesamtfertigung stieg stetig an. Zwischen Juli und Dezember 1809 waren auf der St. Antony-Hütte von einer Gesamtproduktion von 393.500 Pfund Gusswaren bereits 43.000 Pfund Dampfmaschinenteile.166 Auf der Hütte Gute Hoffnung dürfte der Anteil noch wesentlich größer gewesen sein. Finanziert wurden die Investitionen weitgehend aus den Gewinnen des Unternehmens.167 Ab 1820 war die Ertragslage dann so gut, dass hohe Dividenden an die Anteilseigner ausgeschüttet werden konnten.168 Für den Verkehr zwischen den verschiedenen Werken in Osterfeld, Sterkrade und Oberhausen unterhielt die JHH seit dem Beginn der 1820er Jahre erstmals auch eigene Fuhrwerke.169
Zusammen mit Franz Dinnendahl baute die JHH eine Dampfmaschine, die ab 1813 auf der St. Antony-Hütte eingesetzt wurde. Doch verschlechterten sich in den folgenden Jahren die Geschäftsbeziehungen zu Franz Dinnendahl, was wohl in der schlechten Zahlungsmoral des Kunden begründet war. So schrieb Gottlob Jacobi am 15. Mai 1819 an Johann Dinnendahl, dass er die Geschäftsbeziehungen zu dessen Bruder Franz abbrechen werde, da er „nichts als Chikanen gegen uns spielte“ und Rechnungen unbezahlt lasse.170 Die Fähigkeiten, die man sich bei der Zusammenarbeit mit Dinnendahl angeeignet hatte, nutzte man, um in Sterkrade im Frühjahr 1820 eine weitere Dampfmaschine für das Hochofengebläse der Hütte in Eigenkonstruktion zu bauen. Jetzt war man so weit, dass das Unternehmen am 22. Juli desselben Jahres in mehreren Zeitungen die Einrichtung einer eigenen Maschinenwerkstatt anzeigen konnte.171 Die JHH bot „Dampf- und Gebläsemaschinen jeder Dimension, nicht allein für Berg, Hütten- und Hammerwerke, sondern auch für Spinnerein, Woll, Öl- und Mahlmühlen, sowie für andere Gewerke“ an. In Sterkrade entstand dann 1824 auch die erste Dampffördermaschine der JHH für den Bergbau, ein Produkt, das für das Unternehmen bis nach dem Zweiten Weltkrieg wichtig bleiben sollte.172
Abb. 31: Dampfmaschine Nr. 43 von Jacobi, Haniel & Huyssen aus dem Jahr 1835. Sie war die erste Dampfmaschine der Gussstahlfabrik Fried. Krupp in Essen und steht heute im Deutschen Museum in München.
Die Leistungen des Unternehmens wurden schnell bekannt, so dass ab 1813 eine Zeit guter Geschäftslage folgte.173 Die JHH wurde zu einem der wichtigsten Dampfmaschinenproduzenten Deutschlands.174 Zur Bekanntheit des Unternehmens trug nicht zuletzt ein Ereignis des Jahres 1817 bei: Als James Watt jr. mit seinem Dampfschiff „Caledonia“ den Rhein hinauffuhr und auf der Höhe von Wesel einen Maschinenschaden erlitt, wurde er zur Reparatur an die JHH verwiesen. Gottlob Jacobi goss auf seinen Hütten für Watt einen neuen Balancier für die Dampfmaschine des Schiffes und konnte damit die Weiterfahrt der „Caledonia“ sicher stellen. Watt hielt Jacobi für „very obliging & intelligent“.175 Die Geschäftsbücher zeigen, dass dennoch der größte Teil des Absatzes in der unmittelbaren Nähe zwischen Duisburg und Dortmund und vom Niederrhein bis ins Bergische bzw. bis Köln erfolgte. In einigen Fällen gingen die Geschäftsbeziehungen aber auch darüber hinaus ins Rheinland, nach Bremen oder in andere Regionen.176
Papier als Zukunftstechnologie?
Mit dem Ausbau der Anlagen in Sterkrade verlor die St. Antony-Hütte für die Eisengewinnung der JHH jegliche Bedeutung. 1820 blies das Unternehmen den dortigen Hochofen aus und wandelte den Osterfelder Betrieb in eine Papiermühle um. Um- und Neubauten waren erforderlich.177 Ein Mann namens Carl Teschenmacher, der seine Mitarbeiter mitbrachte, wurde von der JHH für den Betrieb der Mühle gewonnen. 1821 produzierte er unter der Firma „Jacobi, Teschenmacher und Comp.“178 Doch warf die Papiermühle offensichtlich keine ausreichenden Erträge ab, so dass Teschenmacher den Betrieb wieder aufgab. Am 29. Januar 1826 suchte die JHH mit einer Anzeige in den „Allgemeinen Politischen Nachrichten“ nochmals, offensichtlich erfolglos, einen neuen Pächter der Papiermühle.179
In diese Zeit fiel am 25. Januar 1823 der frühe Tod von Gottlob Jacobi. Neuer Direktor der JHH wurde Wilhelm Lueg (1792 – 1864), der im April 1812 als Hauslehrer zu Jacobi gekommen war.180 Seit dem 1. März 1817 arbeitete er aber schon als Hüttenfaktor, nachdem er 1815 auf einer Reise in die Eifel und nach Belgien seine hüttentechnischen Kenntnisse erweitert hatte.181 1825 und 1829 führten ihn dann weitere Reisen in die englischen Industriereviere.182 Er stellte die Anteilseigner der JHH vor die Wahl, ihn als Direktor anzustellen oder sein Ausscheiden aus der Firma und die mögliche Gründung eines Konkurrenzunternehmens in Kauf zu nehmen.183 Franz und Gerhard Haniel sowie Heinrich Huyssen entschieden sich für Wilhelm Lueg.184 Da durch den Tod Jacobis die Leitungsstruktur des Unternehmens ohnehin zu reformieren war, führten die drei noch lebenden Besitzer der JHH nun zur Kontrolle Luegs eine gemeinsame Führung der Geschäfte ein. In einem Vertrag, dem auch die Witwe von Jacobi zustimmte, regelten sie die gemeinsamen Vollmachten, so dass jeder der Partner für alle Eigentümer entscheiden konnte.185 Für jeweils einen Monat führte gemeinsam mit Wilhelm Lueg einer der Eigentümer im Wechsel die Geschäfte. Im März 1823 begann Gerhard Haniel als erster „Mitdirektor“ die monatlich wechselnde Direktorenschaft.186 Dennoch verblieb Lueg eine sehr starke Position, zumal er bei Stimmengleichheit der Anteilseigner mit der eigenen Stimme den Ausschlag geben konnte. So prägte er bis zu seinem Tod 1864 die Unternehmenspolitik. Die Grundzüge dieser Regelung wurden bis in die 1870er Jahre nur wenig modifiziert. Ein neuer Gesellschaftsvertrag vom 7. November 1840 regelte nach dem Tod von Gerhard Haniel und der Vererbung seiner Anteile allerdings die Besitzverhältnisse neu.187 Die Erben eines jeden der vier Stämme hatten nun aus ihrem Kreis einen Repräsentanten mit unbeschränkter Vollmacht zu benennen, der sie innerhalb der Gesellschaft vertrat.