Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783874683265
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einen „Platenformer“, in der Lehmformerei zwei Meister und sieben Knechte. Zwei Putzknechte und vier Tagelöhner besorgten die Möllerung, also die Befüllung des Hochofens. Außerdem arbeiteten für die Hütte 16 Erzgräber sowie 32 Kohlenbrenner und Holzraider. 1802 stellten die Arbeiter 602.593 Pfund Gusswaren her. Auf der Hütte Neu-Essen sah Eversmann als Bemerkenswertes allein die Einrichtung eines Polierhammers und das Kastengebläse, stellte ansonsten nur fest, dass die Hütte still lag.104

      Offensichtlich war auch die Fürstäbtissin mit Jacobis Arbeit zufrieden. Durch einen Vertrag vom 16. November 1799 ermöglichte sie ihm, für 5.000 Reichstaler an beiden Hütten ein Viertel der Anteile zu erwerben.105 Gleichzeitig gründeten beide eine gemeinsame Gesellschaft zum Betrieb der Hütten. Jacobi hatte seine Schulden aus den Erträgen der Hütten zu zahlen. Die Fürstäbtissin und Jacobi räumten sich gegenseitig ein Vorkaufsrecht für den Verkauf von Anteilen ein. Der Vertrag sicherte Jacobi ein Gehalt für die Hüttenleitung von 600 Reichstalern jährlich zu. Zusätzlich erhielt er freien Brand und Licht, die Genehmigung zur freien Nutzung der Ländereien der Hütten sowie die Fourage, also das Futter, für ein Pferd. Auf diese Weise gelang es Maria Kunigunde, Jacobi dauerhaft an die Hütten zu binden.

       Abb. 21: Skizze des Hochofens der St. Antony-Hütte, 1797

       Ruhrorter Kaufleute expandieren in die Eisenindustrie

      1803 schlugen weltpolitische Ereignisse auf das Dreiländereck an Elpenbach und Emscher durch. Die ▶ Säkularisierung in der Folge des ▶ Reichsdeputationshauptschlusses löste in Deutschland alle geistlichen Staaten auf. Das Vest Recklinghausen fiel in den Besitz des Herzogtums Arenberg, das Reichsstift Essen kam unter preußische Herrschaft. Die Fürstäbtissin zog es zurück in ihre Heimat Sachsen. Bei der Übernahme Essens erklärte der preußische Staat die Eisenhütten Neu-Essen und St. Antony zu Bestandteilen des Privateigentums von Maria Kunigunde. Dabei spielte die Erwartung eine entscheidende Rolle, dass den Hütten angesichts des schlechten Erzes, des Kohlenmangels sowie der Konkurrenz im Siegerland, am Rhein und in Holland keine große Entwicklung mehr bevorstehe.106

      Maria Kunigunde entschloss sich, ihre Hüttenanteile zu verkaufen. Im Zusammenhang mit den Verkaufsverhandlungen erhielt Gottlob Jacobi die Anfrage eines Unbekannten mit zehn „Fragen in Beziehung auf die St. Antoni-Hütte“. In seiner Antwort vom 8. Oktober 1803107 stellte er die Fakten sachlich dar, betonte aber, dass er zum Verkauf seiner Anteile nicht bereit sei, da die Hütte „meine Nahrung sichert“ und er „nichts anderes als das Berg und Hüttenwesen erlernt habe“. Aus seiner Darstellung ergab sich das Bild einer profitablen, mit wichtigen Privilegien ausgestatteten Hütte. Zunächst bot Maria Kunigunde die Hütten dem preußischen Staat an. Eine Prüfungskommission kam zu dem Ergebnis, dass die gute Lage der Hütten vom Engagement des „gewandten und geistreichen Herrn“ Jacobi abhängig wäre, der wegen seiner Fähigkeiten für den profitablen Betrieb der Hütten unverzichtbar sei. Außerdem werde der Mangel an Holz wegen der anstehenden Schonung vor allem der Essener Wälder zunehmen, so dass sich eine Übernahme der Hütten nicht lohne.108 Auch der arenbergische Staat und die Witwe Krupp als Eigentümerin der Hütte Gute Hoffnung zeigten kein Interesse an einer Übernahme.109

      Gottlob Jacobi fand zwei neue Interessenten: Franz und Gerhard Haniel, Kaufleute aus Ruhrort, die zuvor bereits als Spediteure für die Hütten tätig110 und mit ihm verschwägert waren. Jacobi hatte 1800 die Schwester der Beiden, Johanna Sophia, geheiratet. Nachdem Franz Haniel111 die Kosten einer Übernahme und eines weiteren Betriebs der Hütten kalkuliert hatte, kaufte er mit seinem Bruder Gerhard in zwei Verträgen vom 10. Mai 1805 die Anteile von Maria Kunigunde an der St. Antony-Hütte für 23.800 und an der Hütte Neu-Essen für 8.000 Reichstaler.112 Zur Hütte Neu-Essen gehörte auch die Oberhausener Mahl- und Ölmühle; aus ihr ging später das erste Walzwerk auf Oberhausener Gebiet hervor. Die Kaufsummen waren in Raten bis Juli 1809 bar oder in guten Wechseln zu zahlen. Die Brüder Haniel bildeten mit ihrem Schwager Jacobi für den Betrieb der Hütten eine gemeinsame Gesellschaft, die jedem zu einem Drittel gehörte.

       Abb. 22: Franz Haniel (1779 – 1868), Gemälde von Max Volkhardt nach einer älteren Vorlage

      Abb. 23: Gerhard Haniel (1774 – 1834), Bruder von Franz Haniel und Mitgesellschafter der „Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen“

      Trotz oder gerade wegen der schwierigen Lage in der Zeit der ▶ Revolutionskriege und des zunehmenden Einflusses von Frankreich ließen sich gute Geschäfte machen. So profitierten die Gießereien der Region vom Bedarf des französischen Militärs unter anderem an Ballasteisen für die Kriegsschiffe, wofür sogar Ausnahmen vom Einfuhrverbot in die linksrheinischen Gebiete gemacht wurden.113

       In der Zwischenzeit in Sterkrade: Die Krupps als Hüttenbesitzer

      Nach Übernahme der Hütte Gute Hoffnung 1799 ließ Helene Amalie Krupp das Werk, das zur Zeit von Pfandhöfers Flucht weitgehend stillgestanden hatte, wieder herrichten und weiter ausbauen. Eine Lehmformerei, ein Magazin, ein Kohlenschuppen sowie eine Schlackenpoche entstanden neu.114 Verhüttet wurde weiterhin das Raseneisenerz aus dem rechtsrheinischen Kleve, für das Witwe Krupp mit der Ersteigerung der Hütte alle Rechte übernommen hatte. Um Rohstoffe günstiger beziehen und Produkte zu einem konkurrenzfähigen Preis verkaufen zu können, erbat sie von den preußischen Behörden noch vor der Produktionsaufnahme Zollfreiheit. Doch die Verhandlungen verzögerten sich immer wieder, auch weil Krupp den Behörden notwendige Auskünfte schuldig blieb. Erst am 29. Juli 1801 erhielt sie für sechs Jahre volle Zollfreiheit für alle importierten Rohstoffe sowie für Exporte in die Niederlande zugesprochen.115 Pfandhöfer bot Amalie Krupp im März 1800 aus Holland nochmals seine Dienste zum Betrieb der Hütte an, doch ließ sie den Hochofen im Mai 1800 ohne ihn anblasen. Sie hatte sich zuvor intensiv um Aufträge für Gusswaren aller Art sowie für Munition besonders in den Niederlanden bemüht.116 Aber die Kampagne unter Hüttenmeister Schwickert war nicht besonders erfolgreich. Jacobi behauptete, dass Amalie Krupp unfähiges Personal beschäftige. Einige ihrer Mitarbeiter habe er auf seiner Hütte wegen schlechter Leistungen entlassen.117 Erst unter einem neuen erfahrenen Hüttenverwalter, Ferdinand Linnhoff aus Arnsberg, arbeitete die Gute Hoffnung erfolgreicher. Bis 1804 beschäftigte das Werk zwischen 35 und 96 Mann.118

      Den Betrieb der Hütte Gute Hoffnung erschwerten in diesen Jahren immer wieder Auseinandersetzungen mit Gottlob Jacobi als Hüttenmeister von St. Antony. Dabei schenkten sich die beiden Eigentümer nichts. Allerdings befand sich die St. Antony-Hütte in der besseren Ausgangslage, da die Hütte Gute Hoffnung bachabwärts lag und darauf angewiesen war, dass bei der oberhalb gelegenen Hütte das Wasser nicht aufgehalten wurde. Es lag also in der Macht von Jacobi, der Hütte Gute Hoffnung das Wasser abzugraben. Dies hatte auch Helene Amalie Krupp erkannt und, noch bevor sie die Gute Hoffnung 1800 wieder in Betrieb setzen wollte, gegenüber dem Oberbergamt ihre Bedenken wegen der Wassernutzung geäußert. Da Jacobi gern selbst die Hütte Gute Hoffnung übernommen oder zumindest gepachtet hätte – 1799 hatte er dies Krupp angeboten119 –, befürchtete sie, dass er der Hütte für einige Zeit das Wasser vorenthalten könnte.120

      Im Juni 1800 war es dann so weit: Jacobi hielt tatsächlich mehrfach für mehrere Tage das Wasser auf und zwang damit Amalie Krupp zur vorübergehenden Betriebseinstellung.121 Nachdem eine gütliche Einigung gescheitert war, wandte sich Krupp an die preußische Kriegs- und Domänenkammer in Wesel, die wiederum die Kölnische Hofkammer einschaltete.122 Die preußische Verwaltung warf Jacobi vor, „daß er dabei nur die sehr strafbare Absicht gehabt, der Witwe Krupp Schaden und Nachteil zuzuführen.“ Zu einem Verhandlungstermin am 14. August 1800 legte Jacobi eine schriftliche Stellungnahme vor,123 in der er abstritt, das Wasser bewusst zum Schaden von Krupp oder der Hütte Gute Hoffnung aufgehalten zu haben. Zurzeit herrsche eine Dürre, so dass kaum das Wasserrad der St. Antony-Hütte angetrieben werden könne. Überhaupt