Mein Ziel ist es, nicht nur Israels Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Das Land will ich kennenlernen und mit seinen Menschen reden.
Ich bin Schachspieler und hatte die Hoffnung, an einem Schachturnier in Israel teilzunehmen und so mit israelischen Schachfreunden unkompliziert ins Gespräch zu kommen. Im Internet wurden Turniere in Hebräisch offeriert, die Übersetzungen ins Deutsche und die englischen Angaben halfen mir trotz stundenlanger Stöberei nicht.
Ich wandte mich an die Sektion Schach des Makkabi Deutschland (jüdischer Sportverband in Deutschland) mit der Bitte um Mithilfe. Zunächst wurde mir gesagt, dass ich eine Mail mit der Adresse eines Schachfreundes bekomme, der sich in der israelischen Schach-Szene auskennt. Nichts geschah. Nach telefonischer Rücksprache wurde mir erneut die zugesagte Mail zugesichert. Nichts geschah.
Ich erreichte dann noch einen anderen jüdischen Schachfreund, der mir empfahl, mich an den israelischen Schachverband zu wenden. Aus der Homepage dieses Verbandes ermittelte ich vier Mailadressen und schickte an alle vier Adressen den gleichen englischen Text, in dem ich um Mithilfe bei der Anmeldung meiner Person für ein Schachturnier in Israel bat. Ich bekam nicht eine Antwort.
Das waren meine ersten Erfahrungen mit den Israelis. Natürlich lag mir jedwedes Pauschalisieren fern.
Allerhand Zeit ist mit diesem Rumgemehre vergangen. Ich hätte eher anfangen und stringenter organisieren sollen. Hätte, hätte, hätte – jetzt ist jetzt.
Vor einer Woche buchte ich mir eine Hostel-Unterkunft in Tel Aviv für die ersten vier Nächte, stellte dabei fest, dass ich reichlich spät dran war, da viele Quartiere für Ende April bereits ausgebucht waren. Alles kommt jetzt auf einmal. Ein paar andere Sachen regeln und meiner Arbeit muss ich auch noch nachgehen.
Ursprünglich wollte ich mit Koffer reisen und nur Tagesausflüge machen.
Ich bin Arzt für Orthopädie in einer Rehabilitationsklinik. Zeitlich kann ich es mir natürlich nicht leisten, ewig mit den Patienten über Privates zu reden. Dennoch war es mir in meinem ärztlichen Leben immer wichtig, mit meinen Patienten auch etwas über ihr sonstiges Leben zu reden und nicht nur deren Leiden fabrikmäßig abzuarbeiten – einige Worte mit ihnen über ihren Beruf oder ihren Heimatort zu wechseln. So berichtete mir ein Patient und ehemaliger Deutsch-Lehrer vor einem Monat mit Begeisterung von Landolf Scherzers Wander-Reportage „Immer geradeaus. Zu Fuß durch Europas Osten.“ Das Buch selbst habe ich noch nicht gelesen, lediglich ein paar Rezensionen und Inhaltsangaben. Das gab mir den Anstoß, meine Pläne zu ändern. Ich bin doch kein Weichei. Wenn der 68jährige Landolf Scherzer durch den relativ gefährlichen Osten Europas allein wandern konnte, so kann ich mit meinen 51 Jahren natürlich auch durch das zivilisierte Israel „immer geradeaus“ wandern und so werde ich nach vier Tagen Tel Aviv „immer geradeaus“ Richtung Nordost zum See Genezareth wandern. Ich habe genügend Zeit, der Weg ist das Ziel. Laut Landkarte wird ein leichter Bogen um das Westjordanland erforderlich sein.
Mit langen Wanderungen habe ich nur wenig praktische Erfahrungen. Nun ja, gegebenenfalls kann ich mir in Israel zur Not noch notwendige Sachen kaufen.
Einen guten Rucksack, ein schnell trocknendes leichtes Handtuch, zwei warme atmungsaktive Unterhemden, einen atmungsaktiven Regenponcho (den ich auch über meinen Rucksack werfen kann) werde ich mir noch heute im Internet bestellen. Meine sonstige Ausrüstung ist nach meiner Ansicht okay.
Mein allerliebster Schatz,
ich glaube nicht an den Himmel nach dem Leben. Niemand weiß, ob es ihn wirklich gibt. Ich hoffe, du hast ihn und schaust mir von dort oben zu und freust dich für mich, dass ich versuche mein Leben ohne dich zu gestalten. Ich denke jeden Tag an dich.
Du warst die pralle Lebendigkeit und Lebensfreude. Warum musste ausgerechnet dich diese brutale Krankheit so früh treffen?
Du warst die Liebe meines Lebens.
Ich umarme dich ganz fest.
(Meine Frau litt und verstarb an ALS.)
Bad Liebenstein, 30.3.15
Vor 1 ½ Stunden habe ich die Lektüre des Buches „Wenn ich dich je vergesse, oh Jerusalem …“ von Angelika Schrobsdorff beendet. Ich war niedergeschlagen. Einige neue Sachen über Israel erfuhr ich, der Grundtenor des ganzen Buches deprimierte mich mächtig. Beim Lesen hoffte ich auf freudige Textstellen, es kamen keine. Fazit dieser Israel-Abhandlung: Seit Jitzchaks Rabins Tod ist alles zu spät mit dem Friedensprozess. Eine Besserung der großen Misere ist nicht in Sicht. Ich hatte das Gefühl, Israel ist ein Land in totaler Depression ohne Freude. Ob ich die Reise storniere? Ich trauere um meine liebe Frau, will nicht noch trauriger werden.
Ich rief meinen Cousin und seine Frau an. Sie waren schon zweimal in Israel, zuletzt vor zwei Jahren. Bei der geführten Reise spazierten sie durch mehrere Städte des Landes. Von einer traurigen Grundstimmung spürten sie überhaupt nichts. Nach ihrem Eindruck erfreuten sich die meisten Menschen ihres Lebens. Das baute mich wieder auf, ich werde wie geplant durch Israel wandern.
Bad Liebenstein, 11.4.15
Meine bestellten Sachen sind noch nicht eingetroffen. Ich schaue nicht jeden Tag nach meinen Mails, zudem werden manche korrekte Nachrichten bei gmx unter Spam hinterlegt. Heute bekam ich nun raus, dass ich fälschlicherweise mit den Angaben meiner alten Visa-Card meine Wanderausrüstung bestellt hatte. Seit einem Monat habe ich jedoch eine neue Visa-Card, die alte war nicht mehr gültig. Gerade habe ich meine Bestellungen aktualisiert. Ich hoffe, alles klappt noch. Es wird jetzt wirklich eng. In zwei Wochen will ich schon in Israel sein. Wenn es ganz blöd kommt, bin ich dort und verbringe die ersten Tage mit dem Besorgen meiner notwendigen Ausrüstung, während hier das bestellte Zeug ankommt.
Komme eher aus der Hefe, Scholz!!
Eigentlich bin ich ja ein ordentlicher, vorausschauender Mensch – wie man sieht nur eigentlich – nicht immer. Ein bisschen Schlamperei ergibt manchmal auch etwas Abenteuer und neue Erfahrungen.
Im Flugzeug auf dem Weg von Kiew nach Tel Aviv, 24.4.15
Mein Trip hat begonnen. Die notwendigen Klamotten sind zum Glück noch alle eingetroffen.
Die Boeing-Maschinen der Ukraine International Airlines und der Flughafen Kiew machen einen sehr guten Eindruck, äußerlich kann ich keinen Unterschied zu westeuropäischen Flugzeugen und Flughäfen finden.
Vor 11 Monaten war ich mit meiner geliebten Frau – sie leider schon im Rollstuhl – auf einer Kreuzfahrt. Das Schiff startete in Antalya und kam dort wieder an. Das Schwarze Meer und Antalya überfliege ich gerade.
Mein heiß geliebter Schatz,
ich umarme dich ganz fest und danke dir für die schöne, wenn auch teilweise sehr schwere Zeit, die wir gemeinsam hatten. Nach einer anderen Frau ist mir noch nicht.
Ich hege so viele schöne Erinnerungen an dich. Dein Grabstein ist nach deinen Wünschen gestaltet. Der einzige Grabstein mit Bild gleich am Eingang des Steinbacher Bergfriedhofs. Du wolltest ein Bild von dir mit Katze auf deinem Grabstein haben. Den Wunsch haben wir dir erfüllt. Wir wählten das Bild von unserer Wanderung um Meran vor fünf Jahren. Du liebtest Katzen, hieltest fremden Katzen nur die Hand und sie kamen meistens gleich zu dir. Sie spürten wohl gleich deine Katzenliebe. Auf dem Foto lächelst du mit der Katze auf deinem Arm ganz versonnen. Ich denke, du würdest dich über dein schönes Denkmal freuen.
Eine schöne Trauerfeier bekamst du. „My way“ von Frank Sinatra, was wir beide