Die Betriebswirtschaftslehre bekennt sich so letztlich in nicht zu überbietender Deutlichkeit dazu, den eigennützigen Interessen der Betriebseigner dienen zu wollen – und achtet dabei umso mehr darauf, dass man ihre Veranstaltung nicht mit parteilichem Denken identifiziert. Vornehm enthält man sich der wertenden Beurteilung der Interessen, in deren Dienst man seine Wissenschaft stellt:
„Die wirtschaftstheoretisch fundierte BWL verzichtet auf eine (ethische) Bewertung unternehmerischer Ziele.“ (I / S. 11)
Die überlässt man den dafür zuständigen Disziplinen der „Theologie und Moralphilosophie“ (I / S. 12).3) Da sind dann auch solche „ethischen Fragen“ (ebd.) gut aufgehoben wie die nach der Grenze zwischen tolerablem Egoismus und vielleicht doch nicht menschennatürlicher Übertreibung desselben; und dahin gehört auch die tiefschürfende Problematisierung eines geldgierigen Suchtverhaltens von Managern und Spekulanten, das womöglich gar zu Wirtschafts- und Finanzkrisen führt. Mit dieser demonstrativen Zurückhaltung in Sachen ‚ethische Bewertung‘ bestehen die Theoretiker der Betriebswirtschaft darauf, dass ihre unbedingte Parteilichkeit für das Interesse der Betriebseigner, das auf die Vermehrung ihres Kapitalvermögens abzielt, gar nichts anderes ist als der wissenschaftlich gebotene Realismus in der Bezugnahme auf eine Wirklichkeit, in der sich nun einmal eigennützige Individuen und keine Altruisten tummeln.
Hat die Menschennatur in der Weise ihren guten Dienst getan und erfolgreich als Berufungsinstanz fungiert, die nicht nur dem ökonomischen Treiben in der Marktwirtschaft seinen höheren rechtfertigenden Sinn verleiht, sondern zugleich auch noch die Wissenschaft adelt, die in ihrer Parteilichkeit für den Kapitalismus nur der Objektivität die Ehre gibt, so geht die Eigenwerbung für den Realismus der Wissenschaft auch über den Verweis auf ganz profane Instanzen:
„Das Shareholdermodell orientiert sich an der Existenz marktwirtschaftlichen Wettbewerbs und an den Vorgaben der geltenden Rechtsordnung...“ (I / S. 7)
Auch so kann man für eine Theorie Überzeugungsarbeit leisten, die sich dem Zweck der professionellen Geldvermehrung verschreibt: Stolz teilt man mit, dass man mit dem Beschluss, den betrieblichen Entscheidungsträgern mit Ratschlägen für die Steigerung ihres Profits zur Seite stehen zu wollen, auf jeden Fall die herrschende ökonomische Ordnung und den Staat, der sie rechtlich verbindlich macht, auf seiner Seite hat. Dass alles Produzieren hierzulande – de facto und von Rechts wegen so eingerichtet – nur als Konkurrenz um den privaten Gewinn existiert, ist daher grundsätzlich nichts, zu dessen Erklärung sich diese Wissenschaft veranlasst sieht, sondern ist bereits die fertige Erklärung, die sie zu bieten hat. Sie findet überhaupt nichts dabei, Dinge wie die Entscheidungs- und Verfügungsmacht von „Shareholdern“ oder „den marktwirtschaftlichen Wettbewerb“ überhaupt „als unabänderliche [!] Gegebenheit [!]“ (I / S. 10) zu akzeptieren. Der schieren Existenz einer Ordnung des privaten Eigentums entnimmt sie die unabweisbare Notwendigkeit zur Selbstverpflichtung des Theoretikers auf die pauschale Parteinahme für diese Ordnung. Auf die Art behandelt sie das durch politische Gewalt zur allgemeinen Lebensbedingung gemachte System der privateigentümlichen Bereicherung wie eine Naturtatsache – und macht absolut „wertfrei“ die erfolgreiche Durchsetzung der Marktteilnehmer, die das Herstellen von Gütern als ihre Gewinnquelle einrichten, zur Prämisse ihrer Modellkonstruktionen und zur positiven Richtschnur ihres „Analysierens“.
3. Die Marktwirtschaft: eine glückliche Kombination aus zwei leicht inkompatiblen fundamentalistischen „Prinzipien“
Im Zuge der rechtfertigenden Herleitung des betrieblichen Wirtschaftens aus dem Knappheitsproblem hat der Betriebswirtschaftslehrer die Optimierung der menschlichen Bedürfnisbefriedigung als das Ziel allen Wirtschaftens vorstellig gemacht. Die Orientierung an den „tatsächlichen Zielen“, die sich die BWL als auf praktisch nützliches Wissen abzielende Wissenschaft schuldig ist, hat ergeben, dass das betriebliche Wirtschaften in Wirklichkeit auf die eigennützige Bereicherung der Betriebseigner abzielt. Der Nachweis, dass das eine – die private Gewinnmaximierung – in optimaler Weise zum anderen – der Versorgung der Gesellschaft mit Gütern – führt, ist der Wissenschaft eine eigene Argumentation wert. Sie wirft selber die Frage nach der Vereinbarkeit ihrer beiden Fundamentalprinzipien auf, zitiert sogar Kritiker „aus dem Bereich der Sozialwissenschaften“ (I / S. 6), die die „Prämisse der Eigennutzmaximierung ... als moralisch verwerflich [ansehen]“ (ebd.), weil unter ihr der „Gemeinnutz“ (ebd.) auf der Strecke zu bleiben droht, – um Bedenken dieser Art ausdrücklich entschieden als unberechtigt zurückweisen zu können. Zu dem Zweck greift sie gerne ins Schatzkästchen der Argumente altehrwürdiger Vorfahren:
„Gewinnstreben der Leistungsanbieter gepaart mit marktwirtschaftlichem Wettbewerb führt zu effizienter, d.h. bedarfsgerechter und kostenoptimaler Befriedigung der Nachfragerwünsche. Zum geistigen Vater der Marktwirtschaft wurde Adam Smith, der Moralphilosoph aus Schottland. In seinem 1776 erschienenen Werk, in dem er die Gründe nationalen Wohlstands untersuchte, sprach er von der ‚unsichtbaren Hand‘, die den einzelnen Leistungsanbieter dazu bringt, einen Zweck zu erfüllen, der nicht in seiner (Gewinn-)Absicht liegt.“ (I / S. 37)
Unser Ökonom konzediert, dass das Wohl derer, die an effizienter, bedarfsgerechter Befriedigung ihrer Wünsche interessiert sind, nicht in der Absicht der ‚Leistungsanbieter‘ liegt, die in der Marktwirtschaft die Produktionsfaktoren kommandieren; denen geht es erklärtermaßen um ihre eigene Bereicherung. Allerdings besteht er darauf, dass durch ihr von dieser ganz anders gearteten Absicht geleitetes Tun der höhere Zweck der allgemeinen Bedürfnisbefriedigung auf wundersame Weise dennoch erfüllt wird; und zwar nicht nur irgendwie, sondern in jeder Hinsicht optimal. Die Marktwirtschaft wird von ihm als ein wahres Mysterium vorstellig gemacht: Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sich in ihr der allgemeine Zweck einer rundum gelungenen Versorgung der Menschheit mit dem, was sie braucht, gerade dadurch erfülle, dass dieser Zweck nicht verfolgt wird. (Wie wir gleich sehen werden, behauptet er auch dasselbe umgekehrt: Dass eine Gesellschaft, die diesen Zweck verfolgt, an diesem Zweck notwendigerweise scheitern muss.) Der Wirtschaftstheoretiker schreibt glatt „führt zu ...“, so als wäre er mit der Erklärung einer Wirkung befasst, die tatsächlich eintritt, wo die Reichtumsproduktion dem Gewinnstreben der Unternehmer überantwortet ist. Tatsächlich verfolgt er mit seiner Erklärung jedoch das irrationale Anliegen, unbeeindruckt von aller marktwirtschaftlichen Realität die Existenz eines Wirkzusammenhangs zu beschwören, der es ihm angetan hat, weil sich mit ihm seine beiden Fundamentalprinzipien – Gewinnmaximierung und effiziente Güterversorgung – ideell versöhnen lassen.
Zur Begründung besagten Mysteriums führt er passenderweise ein Argument an, das dem Hinweis auf eine göttliche Fügung schon der Form nach sehr nahe kommt: Wie durch eine „unsichtbare Hand“ würde der „marktwirtschaftliche Wettbewerb“ den eigennützigen, nach Gewinn strebenden Unternehmer zum Vollbringen der guten Tat leiten, und zwar aufgrund des folgenden ökonomischen Zusammenhangs:
„Gewinnerzielung setzt im marktwirtschaftlichen Wettbewerb zweierlei voraus:
(1) Erforschung der Kundenwünsche und Anpassung des Leistungsangebotes an diese Wünsche;
(2) strikte Anwendung des ökonomischen Prinzips, d.h. Ausschöpfung aller Kostensenkungspotentiale zur Erbringung kundengerechter Leistungen.“ (Ebd.)
Was wird hier zum Argument gemacht? Eigentlich nur dies: Der Markt zwingt den nach Gewinn strebenden Unternehmer erstens, Dinge zu verkaufen, die auf eine Nachfrage treffen, also ein Kundenbedürfnis zu bedienen; und er zwingt ihn zweitens dazu, seine Kosten zu senken; wozu erst einmal zu sagen ist: Der Markt zwingt ihn zu