in der kapitalistischen Konkurrenz
Leute, die einen besseren, wenn möglich leitenden Job in der Wirtschaft anstreben, machen keine Lehre, sondern sammeln Erfahrungen in Praktika und studieren Betriebswirtschaftslehre. Deren Vertreter an den Hochschulen präsentieren die BWL als angewandte Wissenschaft, die sich mit Rat und Tat für die real existierenden Betriebe nützlich macht und qualifiziertes Personal für deren Führung bereitstellt. Brotlose Kunst wollen sie nicht produzieren. Gleichzeitig legen sie Wert darauf, das Fach als „selbständige wirtschaftswissenschaftliche Disziplin“ (I / S. 3) und überhaupt als Wissenschaft zu präsentieren.1) Als solche bringt es die BWL zu theoretischen Leistungen, die Lehrende wie Lernende im Fach immer wieder zu der Kritik veranlassen, sie seien in praktischer Hinsicht wenig hilfreich. Das scheint irgendwie dazuzugehören zu einer Wissenschaft, die nützliches Wissen für den Betriebserfolg im ‚marktwirtschaftlichen Wettbewerb‘ liefern will. Und irgendwie scheint es auch ganz normal zu sein, dass sich niemand so recht für die Frage interessiert, was die BWL theoretisch – als wissenschaftliche Erklärung eines Trumms Wirklichkeit – leistet; noch nicht einmal die, oder die zuletzt, die sich die Theorie dieser „wirtschaftstheoretisch fundierten“ (ebd.) Betriebslehre im Rahmen ihres Studiums aneignen. Doch genau der Frage will die vorliegende Schrift nachgehen.
1) Alle Zitate, sofern nicht anders vermerkt, aus dem Standardwerk des Studiums: Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Wir zitieren aus der 24. Auflage aus dem Jahr 2010 (I) und aus der 25. Auflage aus dem Jahr 2013 (II); zu den Zitaten wird jeweils Seitenzahl und Hinweis auf die Auflage angegeben. Hervorhebungen im Zitat stammen grundsätzlich aus dem Originaltext. – Rechtzeitig vor dem Erscheinen unserer Broschüre in ihrer ersten Auflage widmet sich die FAZ (26.9.16) im Wirtschaftsteil unter der Überschrift „Die Wöhe-BWL gerät unter Beschuss“ der „betriebswirtschaftlichen Literatur des Herbstes“, die sich am „Klassiker des Fachs“ abarbeite. Dieser ist zeitgleich gerade in seiner 26. Auflage erschienen. Ohne hier näher auf die Kritik eingehen zu wollen, die besagte Literatur an der wirtschaftstheoretisch fundierten Betriebswirtschaftslehre übt, der sich „der Wöhe“ verpflichtet weiß, lassen wir uns von der FAZ gerne bestätigen, dass wir mit unserem Entschluss, die Kritik der BWL an diesem Lehrbuch durchzuführen, offenbar goldrichtig liegen: Es eigne sich „als ideale Projektionsfläche für Kritik am Fach“, besitze bei den Einführungen in die Allgemeine BWL immer noch „einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent“ und gebe „einen Überblick über das gesicherte Wissen der BWL“. Was will man mehr!
© 2018 GegenStandpunkt Verlag
I. Die Herleitung der betrieblichen Gewinnmaximierung aus einem Naturgesetz des Produzierens und einer menschennatürlichen Motivation
1. Der Kampf gegen die ewige Knappheit
Die BWL führt ihren Gegenstand folgendermaßen ein:
„Ein Betrieb ist eine Wirtschaftseinheit, die in den Beschaffungs-, den Absatz- und den Kapitalmarkt eingebettet ist: Am Beschaffungsmarkt werden Produktionsfaktoren eingekauft, die zu Gütern oder Dienstleistungen verarbeitet und danach am Absatzmarkt abgesetzt werden. Der betriebliche Prozess der Leistungserstellung und -verwertung bedarf sorgfältiger Planung. Das hat folgenden Grund: Die menschlichen Bedürfnisse sind praktisch unbegrenzt. Die zur Bedürfnisbefriedigung geeigneten Mittel, also die Güter und Dienstleistungen, stehen dagegen nicht in unbegrenztem Umfang zur Verfügung, sondern sind von Natur aus knapp. Diese naturgegebene Knappheit der Ressourcen, d.h. das Spannungsverhältnis zwischen Bedarf einerseits und Bedarfsdeckung andererseits, zwingt die Menschen zu wirtschaften.“ (I / S. 4)
Der Autor zitiert Gegebenheiten aus der Marktwirtschaft: Auf Beschaffungs- und Kapitalmärkten werden von Betrieben Produktionsfaktoren eingekauft, die damit erstellten Güter und Dienstleistungen werden auf Absatzmärkten verkauft. Klar ist soweit, dass er über Betriebe redet, wie man sie aus der Marktwirtschaft kennt. Über deren Geschäft erfährt der Student der BWL erst einmal, dass es mit Sorgfalt geführt sein will, weil es da um nicht weniger als die Lösung eines Grundproblems des menschlichen Daseins gehe. Was der Mann der Wissenschaft als Grund für die Notwendigkeit sorgfältiger Planung des betrieblichen Geschehens angibt, hat freilich ersichtlich nichts zu tun mit dem Treiben von Betrieben, die mit Einkaufs- und Verkaufspreisen rechnen, auf allen möglichen Märkten agieren und über den Einsatz von Produktionsfaktoren entscheiden. Es ist jenseits aller marktwirtschaftlichen Realitäten angesiedelt und eröffnet einen tiefen Einblick in die Ur- und Abgründe der Natur im Allgemeinen, der menschlichen im Besonderen: Von einer „naturgegebenen Knappheit der Ressourcen“ will der Lehrbuchverfasser wissen. Dieses Fundamentalprinzip bedarf für ihn keiner weiteren Erläuterung. Er setzt es als Dogma in die Welt wie die Kirche die Erbsünde und schenkt sich jede Mühe, bei dieser Knappheit, mit der die Betriebe sich so fundamentalistisch befassen müssen, überhaupt noch zwischen „Gütern und Dienstleistungen“, also den Produkten betrieblicher Tätigkeit – die, wie der Name schon sagt, produziert werden, also vermehrt werden können –, und solchen Ressourcen zu unterscheiden, bei denen allenfalls vorstellbar ist, dass sie naturgegebenerweise nur in begrenzter Menge zur Verfügung stehen und irgendwann irgendwo ausgehen könnten. Dieser Naturkonstante ‚Knappheit‘ setzt er ein zweites, wunderbar gegensinniges Prinzip gegenüber, dem zufolge die „menschlichen Bedürfnisse praktisch unbegrenzt“ sein sollen. Auch den Nachvollzug dieser verwegenen Anthropologie mutet er seinen Lesern ohne weiteres Argument zu, obwohl sie sich alles andere als von selbst versteht: Wird der Mann niemals satt? Hat er nie von einem Vergnügen genug? Oder, wenn keine quantitative, sondern eine qualitative Unendlichkeit gemeint sein sollte: Vermag er die Vielfalt seiner Bedürfnisse nicht mehr zu überblicken? Im Ernst: Weder zeichnen sich menschliche Bedürfnisse im Normalfall durch Grenzenlosigkeit aus – schon gleich nicht in praktischer Hinsicht und definitiv nicht diejenigen, deren Befriedigung immer nur kurze Zeit anhält: Niemand frisst unbegrenzt! –, noch bedeutet die begrenzte Menge eines Gebrauchsartikels automatisch, dass er für das entsprechende Bedürfnis nicht reicht. Das ganze prinzipielle „Spannungsverhältnis“ zwischen Bedarf und Bedarfsdeckung, das die BWL postuliert, ist nichts als eine nach beiden Seiten absichtsvoll hinkonstruierte Fiktion, die den praktischen Grund allen Wirtschaftens in eine metaphysische Dichotomie zwischen der Endlichkeit alles Irdischen und der Unendlichkeit menschlicher Bedürfnisse versenkt, um daraus dann folgenden Schluss zu ziehen:
„Unter Wirtschaften versteht man den sorgsamen Umgang mit knappen Ressourcen.“ (Ebd.)
Was klingt wie eine Sentenz aus dem Brevier der schwäbischen Hausfrau, ist für diese Wissenschaft die Quintessenz ihrer Erkenntnisse. „Sorgsamer Umgang“ mit Ressourcen, „sorgfältige Planung“ wegen deren Knappheit: Das erklärt der Autor des Lehrbuchs zum Inbegriff allen Wirtschaftens. Wie auch immer die ökonomischen Verhältnisse beschaffen sein mögen, in die es die Menschen verschlagen hat;1) gleichgültig auch dagegen, ob von einem privaten Haushalt die Rede ist, der aufgrund seiner beschränkten Zahlungsfähigkeit ‚mit knappen Mitteln wirtschaften‘ muss, oder von Unternehmen, die mit modernster Technik ‚Güter produzieren‘ und mit ihnen den Weltmarkt überschwemmen – für den Mann der Wissenschaft steht eines jedenfalls fest: Es geht um die Bewirtschaftung eines Mangels, um ein Haushalten mit knappen Mitteln. Darauf besteht er insbesondere auch dort, wo er vom Produzieren redet, also von der Herstellung eines Zuwachses an stofflichem Reichtum. Ausgerechnet dort, wo es darum geht, mit dem zweckmäßigen Gebrauch von ‚Ressourcen‘ die Gegenstände des Bedarfs zu mehren, regiert seiner Lehre zufolge aufgrund einer prinzipiell unaufhebbaren Beschränkung der Mittel ein abstraktes Gebot zur Sparsamkeit, nämlich
„das ökonomische Prinzip, wonach die Schaffung [!] einer bestimmten Menge von Gütern oder Dienstleistungen immer mit dem geringstmöglichen Einsatz an Produktionsfaktoren zu bewerkstelligen ist“ (I / S. 8).
Diese Wissenschaft