Frau und Weltreise. Elke Klinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Klinger
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783946769040
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       Messen ermessen

      Für alles gibt es ja offenbar Messen. Große, kleine, bekannte, erfolgreiche, aufsteigende Messen an allen möglichen Plätzen der Welt. Die Menschen wollen sich zeigen. Und das, was sie auf dem Kasten haben. Einst wohl um kirchliche Feiertage rankend, den Schutzheiligen ansprechend. Aus diesen frühen Tagen um das Jahr Sechshundert n. Chr. leitet sich der Begriffe „Messe“ ab. Sein Urahne war das lateinische Wort „missa“, welches so viel wie „Aussendung“ bedeutet. Später rückten Verkehrsknotenpunkte in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Man traf sich dort, wo Nord auf Süd und Ost auf West stießen, um Waren und Wissen auszutauschen und Handel miteinander zu treiben. Und heute? Gibt da noch jemand sein Wissen preis oder geht es nur ums (Ver-)Kaufen? Oder ums Gesehenwerden und Dabeisein?

      Wissen, Erfahrungen, Ideen – das ist das, was mich reizt. Ich fühle mich meilenweit entfernt von jedweder Ahnung, wie man eine so große Reise angehen könnte. Mich mal unter das Volk zu mischen, um zuzuhören, finde ich irgendwie einen reizvollen Gedanken. Wir haben von Bad Kissingen gehört. Die Messe dort scheint uns zu entsprechen. Bei allem Nebel, der um uns wabert, wenn es um die Reise geht, hilft es zu sehen, was andere tun. Eines ist uns beiden schon heute klar. Wir wollen auf dem Landweg reisen. Nicht von Flughafen zu Flughafen hüpfen, sondern uns geländegängig auf entlegenen Pisten durch die Landschaften und Länder bewegen. Da, wo wir das ursprüngliche Leben vermuten. Möchten erfahren, wie Natürlichkeit schmeckt und die Einsamkeit, das Sich-Selbst-Begegnen und das mit Menschen auf unserem Weg. Riesige Ebenen sehe ich vor mir. Kein Baum, kein Strauch, keine Stadt, nur Weite.

      Bad Kissingen also. Da findet, laut glühender Erzählungen, jährlich im Mai die größte Offroad-Messe Europas statt. Bisher war mir diese Messe kein Begriff, doch so ist das halt. Kaum hat man einen neuen Floh im Ohr, eröffnet sich förmlich eine andere Welt, scheine ich mit neuen Augen zu schauen. Gereist sind wir schon immer viel. Auf eigene Faust sowieso und mit einem allradbetriebenen Fahrzeug durchs Gelände zu holpern, ist uns schon lange eine Freude. Die Wüsten der Welt sind unsere Kraftorte. Immer wieder zieht es uns dorthin, wo die Dünen sich bis zum Horizont aufschwingen, der stürmende Sand unseren Beinen ein Peeling schenkt, das Leben nicht gemacht zu sein scheint für diese Unendlichkeit des großen Nichts. Unser beider Herzen gehen auf, verbinden sich und schlagen im harmonischen Takt miteinander, wenn wir uns erinnern, an unsere Reisen durch die Wüsten. Doch das, was wir jetzt vorhaben, scheint mir, rein schon von der Dimension der Zeit her, eine andere Nummer zu sein. Vielleicht auch nicht. Vielleicht übertreibe ich und sehe das alles viel zu dramatisch. Wie dem auch sei. Ich brauche ein erstes Gefühl und eine Ahnung davon, wie andere so einen Trip angehen. Also, aufs Wochenende gewartet, Kinder geschnappt und los gehts nach Bad Kissingen. Der Weg dahin, gesäumt von haufenweise umgebauten Geländewagen. Sie kommen uns entgegen, überholen uns locker. Für die scheint das alles ein alter Hut zu sein. Routiniert latschen die Leute später im Gänsemarsch durch den Schlamm. Wahrscheinlich gehört das zum Konzept der Messe. Ich habe bequeme Schuhe an, doch die Grobstolligsten sind das nun auch wieder nicht. „Well equipped“ ist was anderes. Trotzdem fahre ich eine Runde mit dem ausgedienten Militärgefährt MAN Kat 2 über Stock und Stein und kann mich an dem Gefühl kaum sattfreuen, was ich beim Kurvenfahren empfinde, da ich direkt auf der Lenkachse sitze. Das Fahrzeug dreht sich quasi unter mir.

      Einen Outdoor-Grill erwerben wir und Hängemattenschlafsäcke für unsere Kinder. Wirklich näher gekommen bin ich in meiner Vorstellung, wie eine Jahres-Reise durch die Welt auf dem Landweg funktionieren kann, nicht. Doch wer weiß. Für irgendwas ist alles gut. Ein erster Schritt war das. So viel ist meiner Innerlichkeit klar. Ich bin wie angeknipst. Der Strom fließt.

       Mit mir oder ohne mich?

      Natürlich weiß unsere Familie, insbesondere unsere Kinder, von unserem Vorhaben. Es ist uns von Anfang an wichtig, dass alle die gleiche Chance haben, in den Gedanken hineinzuwachsen, ihn mittragen und mitentwickeln können und nicht davon überrannt zu werden. Apropos überrannt. Wenn sich jemand überrannt fühlt, dann bin ich das. Sten und ich, wir sitzen wieder und wieder beisammen, um an unserem Traumkonstrukt zu basteln. Bei allem, was sich da vor meinem geistigen Auge auftut, ist eines klar: Es liegt in weiter Ferne, da unsere Kinder noch zur Schule gehen und ich mir eine Abreise zu keinem anderen Zeitpunkt auch nur im Leisesten vorstellen könnte, als dem, wenn alle drei die Schule beendet haben würden und beginnen auf ihren eigenen Beinen zu stehen. Bis ich in diesen Tagen mitbekomme, dass Sten anderen von unserem Vorhaben erzählt. So weit, so gut. Doch als ich höre, dass er davon redet, die Reise in den nächsten fünf Jahren antreten zu wollen, platzt mir komplett die Hutschnur meines nicht vorhandenen Huts. Nicht an diesem Abend. Nicht im Gespräch mit Unbeteiligten. Doch später zu Hause. Ich stelle ihn vor die unmissverständliche Wahl: Entweder im Jahr 2015 und mit mir, oder früher, doch dann garantiert ohne mich.

      Wochenlanges Schweigen zu diesem Fakt ist die Reaktion. Bis ich an meinem Geburtstag eine kleine Wüstenlandschaft aufgebaut finde, mit allen möglichen gezeichneten und aufgeklebten Reiseassoziationen. Doch das eigentlich Entscheidende ist eine kleine Stelle, die auf eine Beschriftung wartete. Darüber steht: „Den Starttermin bestimmst du!“ Was habe ich mich gefreut! Ich empfinde das Geschenk als so liebevoll und spüre, dass es ab nun unsere gemeinsame Reise wird. Habe sofort und augenblicklich fett und unmissverständlich die Ziffern 2, 0, 1 und 5 auf die kleine freie Fläche geschrieben. Da steht sie nun und harrt der Dinge, die da hoffentlich kommen.

       Geldberg

      Unsere Reise, unser Traum, unser, unser, unser. Und doch auch meins. Meins, wenn es um die Frage geht, wie will ich mein Leben finanzieren, dann, wenn ich für ein Jahr kein Geld verdienen werde? Klar, ich könnte mich hinsetzen und einfach abwarten. Doch das ist nicht mein Ding. Bin nicht die „mitreisende Ehefrau“. Es ist Stens Reise und es ist meine Reise. Mit allem was dazu gehört. Verantwortung übernehmen, sie tragen, austragen und spüren. Auf den Schultern. Mal die Last des Gewichts. Dann wieder den Stolz, der daraus erwächst, es selbst in meinen Händen zu halten. So viele reden davon, sich „so etwas nicht leisten zu können“. Und klar, das stimmt. Doch eines weiß ich. Möglich wäre ein solches Vorhaben für weitaus mehr Menschen, als die, die vorgeben, es aus finanzieller Sicht nicht stemmen zu können.

      Ich glaube, es ist oft einfach eine Frage des eigenen Wollens. Will ich mich wirklich so weit umorientieren, um auf ein solches Vorhaben hinzusteuern? Will ich sparen? Will ich meinen Lebensschwerpunkt verlagern? Brenne ich so weit, dass die Hitze der mich tragenden Flammen ausreicht, Unwägbarkeiten aus dem Weg zu schaffen? Oder habe ich einfach andere Pläne? Dann ist alles gut. In mir jedenfalls habe ich einen Hebel umgelegt. Meine Gedanken kreisen um die Machbarkeiten, Möglichkeiten, Notwendigkeiten. Es ist, als begäbe ich mich auf einen Flug im freien Fall und bin gleichzeitig darauf bedacht, den Boden zu präparieren. An allen möglichen Stellen. Nicht wissend, wo ich eventuell einmal hart aufschlagen werde. Eines dieser Bodenhaftungs-Wiesenstücke ist mein neu gefasster Plan, ab jetzt zu sparen. Jeden Monat, ganz konsequent. Da ist sie wieder, die Planerin, die sich selbst an die Hand nimmt und ganz sicher weiß, dass sie ihre Reise nur antreten wird, wenn sie sich die auch ganz persönlich leisten kann. Für mich ist es mein Mich-Selbst-Identifizieren mit dem großen Vorhaben. Anderes zurückstellen, Wertigkeiten umsortieren, kritisch auf das schauen, wofür das Geld im Alltag in alle möglichen Richtungen fließt. Zweihundertfünfzig Euro, das ist mein Versprechen an mich selbst, lege ich ab jetzt Monat für Monat zur Seite. Das erinnert mich, an die Machbarkeit der Idee. Das zeigt mir selbst, wie ernst ich es meine, eines Tages auf Reisen zu gehen.

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