Frau und Weltreise. Elke Klinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Klinger
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783946769040
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wir, Sten und ich, die dann schon konkretere Idee, in ein paar Jahren diese windige Vorstellung vom Reisen entlang der Seidenstraße in die Realität unserer Leben zu holen. Ja, ich wollte. Sehr sogar. Nichts von wegen mitreisende Partnerin, Klotz am Bein, die ewige Nein-Sagerin. Manchmal kommt es eben einfach nur anders, als man denkt. Was gut ist. In meinem Fall hat der Prozess der Reisevorbereitung Zeug in mir von ganz unten aufgewirbelt, von dem ich weder wusste, dass es da schlummert, noch großartige Lust verspürte, mich dem zu stellen. Heute sage ich: Ist auch ’ne Form, sich selbst zu begegnen. Quasi, meine Reise vor der Reise. Also, auch wenn du dich auf den folgenden Seiten mitunter fragen solltest, ob ich zum Reisen gezwungen wurde, dann gebe ich dir hier, mit meiner Hand auf dem Herzen und meinem Lachen im Gesicht, ein glockenklares NEIN. Es war meine freie Entscheidung, mein Wunsch, mein Traum, mein Alptraum – ups, das letzte Wort habe nicht ich geschrieben. Das war mein Unterbewusstsein, was sich da reingemogelt hat.

      Nun, ich erzähle einfach mal, wie alles kam, wurde und ist.

       Hochverehrtes Leben

      Wie genial ist es, sich seinen eigenen Wünschen hinzugeben. Wir haben keine Ahnung, wie es gehen soll. Doch eine Idee – eines fernen Tages aus dem Karton unseres gewohnten Lebens herauszusteigen, um die Welt zu erkunden. Der Gedanke ist nicht neu. Da gab es schon einige, die ihre Koffer packten, um zu sehen, was sie sehen, wenn sie sehen. Auf abenteuerlichste Weise sind sie losgezogen, die Marco Polos dieser Welt. Nun also auch wir. Irgendwann werden unsere Kinder groß genug sein, dass sie ihrer eigenen Wege gehen wollen. Irgendwann wird in uns beiden, die wir seit Jahren zusammenleben und gemeinsam an unserer Firma bauen, das Gefühl wach, es sei Zeit für einen neuen Sprung. Die Absprungrampe kann ich mir gerade noch vorstellen. Wie das Springen ist, da wird es in mir schon vage. Und von der Landung ganz zu schweigen. Sich selber noch mal neu erfinden. Was für ein verlockender Gedanke. Ich liebe ihn, vom ersten Bruchteil der Sekunde, als das Denken dahingehend reift. Das ist das, wofür ich brenne. Vorhersehbarkeiten, die klingen nach „Das muss so sein“, „So macht man das“, „So war es immer“, eine Auszeit geben. Dem Fremden und Unbekannten mein Herz schenken. Nicht wissend, wohin es mich führt. Mich nicht auskennen. Ein Kleid aus Fragezeichen am nackten Körper. Das wäre was. Das schmeckt nach Lebendigkeit. Wie wunderbar, dass wir zu zweit sind, uns unsere Träume zuwerfen, als seien es Gummibälle. Solche mit Geschmack und Geruch und mit kleinen Zetteln darin. 2008 ist die Jahreszahl, die ich gerade routiniert an jedem einzelnen Tag vermerke. Jede Gesprächsmitschrift trägt das Datum, jedes Angebot und jeder Brief an einen Kunden. Und immer schreibe ich mit diesen vier Ziffern den Beginn unseres Vorhabens mit – 2 - 0-0 - 8. Eines schönen Tages wird es so weit sein. Wir werden ablegen, auf große Reise gehen. Leben, ich verehre dich. Meine kurzen blonden Strubbelhaare streifen den staubigen Boden, so tief ist mein Verbeugen.

       Redezeit

      Beim Frühstück, zum Mittag, am Abendbrottisch, beim Gang durch die Straßen, überall ist er dabei. Unser Gedanke an die Reise. Er lässt uns nicht mehr los. Sitzt hinten im Auto, wenn wir mit dem Geländewagen ein Wochenende in matschigem Gelände verbringen. Ein Feuer machen, irgendwo auf einem entlegenen Feld. Auf die runden großen Strohballen wälzt er sich mit hoch, auf denen wir so gern die Sommernächte verbringen. Drei Ballen mit dem Auto zusammen geschoben – unser Platz, dem Himmel so nah. Die Flöhe jucken erst am nächsten Tag. Sie stören uns nicht auf unserem Flug in die Zukunft. Draußen sein ist unsere Sache. Da, wo die Dinge so greifbar scheinen. Ganz einfach und klar. Ein Jahr lang so leben, das wärs.

      Städte würden Beiwerk sein, das wissen wir schon heute. Uns zieht es zu den Leuten auf dem Land. Das Miteinanderreden macht Spaß, befruchtet, bekommt Flügel und lässt zarte Wurzeln in unseren Köpfen keimen. Wir fühlen uns einander nah. Sten und ich. Wir zwei. Selbst Schweigezeit ist Redezeit. Das merken wir in diesen Tagen. Aalen uns in dem wohligen Gefühl, gemeinsam einen neuen Weg zu betreten. Eine Machete brauchen wir nicht, obwohl das Dickicht vor uns nur so wuchert. Lieber schauen wir erst einmal nach, was da so wächst, wie es riecht und wie es aussieht. Auf diesem für uns so vollkommen anderen Pfad.

       Glitzertraum

      Wer kennt ihn nicht, den Wunsch, einmal für eine Zeit lang zu gehen. Alles hinter sich lassen und einfach losziehen.

      Wie oft in unserem Alltag denken wir: Das kann es doch nicht gewesen sein. Verlieren uns in Tagträumen und schwelgen in Phantasien, was alles sein könnte und schön wäre oder anders sein müsste. Doch wir belassen es meist beim Konjunktiv, schieben den Gedanken dann wieder zur Seite und wenden uns dem Alltagsgeschehen mit all seinen Verpflichtungen und Regeln und Abläufen zu. Das ist nicht schlecht und nicht verkehrt.

      Geben diese Strukturen, in denen wir leben, Halt, lassen uns Teil unseres Umfeldes sein und helfen uns dabei, im Alltag zu bestehen. Wir beklagen uns über die Enge, die wir mitunter spüren, doch gleichfalls gibt es gute Gründe, warum wir darin verankert bleiben. Es geht um Sicherheit, um das Gefühl der Zugehörigkeit, um Gewohnheit. Wir schenken uns ein paar Tage Urlaub im Jahr, schwelgen in den herrlichen Momenten. Denn das Glück, das Schöne und Besondere lassen sich am stärksten in der Begrenztheit spüren. Wir wissen, es geht bald wieder zurück in den Alltag. Also genießen wir und frönen der Herrlichkeit der Reise, der Freiheit, der Gelassenheit. Automatisch kommt da der Gedanke in uns auf: Mensch, irgendwann einmal, da mach ich das für länger. Erholt aus dem Urlaub zurück klinken wir uns wieder ein in unser Leben mit Arbeit, Freunden, Familie, ein wenig Sport, einem Ausflug am Wochenende. Alles ist gut.

      Glücklich zu sein mit dem, was ist, auf der einen Seite, und dann doch diese Stimme in uns, die da immer wieder anfragt, klopft, nachhakt, nicht lockerlässt.

      Ich selbst betrachte mein Leben von hinten. Ich möchte am Ende nicht sagen: „Ach, hätte ich nur …“ Ich will sagen: „Ich habe es getan, ich habe es versucht, ich habe es erlebt, gelebt, durchlebt. Ich war mittendrin. Ich habe mir ein eigenes Bild geschaffen.“ Das ist meine Art zu leben. Ja, es begleiten einen Ängste dabei. Zweifel kommen auf. Ist man mutig genug? Überschätzt man sich? Wird man einsam sein? Wie kommt man mit all dem klar, was da auf einen einstürmt?

      Doch so weit kommt es meist gar nicht. Zu diesem Punkt gelangt man erst, wenn man tatsächlich in Erwägung zieht, einmal für eine Weile die Leinen loszulassen, an Bord seines Lebens zu gehen und sich bei sich selbst willkommen heißt.

      Das Lesen meiner Erlebnisse kann ein Anstoß sein – oder zumindest die Überprüfung für dich selbst, was sich für dich stimmig anfühlt. Ist es für dich das Leben im Alltag mit all seinen wunderbaren Momenten und Details, die grandios sind. Dann genieße sie und kümmere dich nicht um die Gedanken der Unzufriedenheit. Oder rüttelt und zerrt und rumort es beim Lesen immer stärker in dir, so beschließe an dem Tag: Ja, ich tue es. Für eine Zeit gehe ich einen anderen Weg. Es gibt kein Richtig oder Falsch in dieser Frage. Es geht nur um eine Entscheidung, die dir hilft, in dem was ist, glücklich zu sein.

      Mein Traum ist es, mich in das Abenteuer mit mir zu stürzen, denn ich glaube, dass das, was mit mir selbst auf dieser Reise geschehen wird, das Aufregendste von allem sein wird.

      Am Ende werden wir es wissen. Also aufgemacht, um zu erleben.