In der Innenstadt von Brisbane
Ich bleibe meinem Motto vom Beginn der Reise treu: bloß nicht hinlegen! Schnell die Sachen ins Hotelzimmer gepfeffert, meine unverzichtbaren Gerätschaften ans Stromnetz gehängt und ab ins Städtchen. Schon nach kurzer Zeit stelle ich fest, dass Brisbane, an der Ostküste Australiens im Bundesstaat Queensland gelegen, eine ideale Stadt zum Ankommen ist. Übersichtlich, beschaulich, nette Menschen, unaufgeregtes Ambiente und keine nennenswerten touristischen Pflichtaufgaben, die es unbedingt zu erfüllen gilt. Moderne Bauten schmiegen sich an alte, ohne dass es das Auge beleidigt. Es gibt viel Grün, nette Cafés am Flussufer und zahlreiche Plätze, auf denen es sich in aller Ruhe flanieren und abhängen lässt. Für mich ist es genau der richtige Ort zur richtigen Zeit. Ich bleibe entspannt im Hier und Jetzt und lebe in den Tag hinein. Erlebnisreiches kommt noch früh genug. Nämlich morgen.
Fraser Island – auf Sand gebaut
Ich habe bei einem lokalen Veranstalter eine Zweitagestour nach Fraser Island gebucht. Morgens um 7 Uhr starten wir am Brisbane Transfer Centre im rustikalen Jeep. Wir, das sind Joe, unser gut gelaunter Guide mit Nerven wie Drahtseil, Christian (schweigsam, zurückhaltend) aus Berlin sowie Claire (mit unheilbarem Sprechdurchfall) und Kevin (sympathischer Chaot, der schon nach dem Aufstehen den Überblick verliert), beide aus Paris. Ach ja, und ich bin natürlich auch dabei. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Rainbow Beach, den wir nutzen, um zu Tanken und Verpflegung zu besorgen, landen wir nach einer halbstündigen Reise mit der Fähre auf Fraser Island.
Ich kann mir an dieser Stelle nicht verkneifen, eine Hand voll Fakten über diese gigantische Sandbank zum Besten zu geben. Dieses faszinierend schöne Fleckchen Erde ist mit 120 Kilometern Länge und 15 Kilometern Breite die größte Sandinsel der Welt und gehört zum Weltnaturerbe. Betrachtet man sie von der Küste aus, erscheint sie für einen Sandkasten viel zu grün und üppig. Ihr Ökosystem ist von geradezu unglaublicher Vielfalt. Sie ist von subtropischen Regen- und Mangrovenwäldern überzogen. Über 40 Süßwasserseen haben sich hier ihr Territorium erobert. Die Dünen ragen bis zu 220 Meter in die Höhe. Bunte Sandsteinformationen runden das Angebot ab.
Auch das Tierreich hat sich hier nicht lumpen lassen. Spinnen, Schlangen in jeweils giftigen und ungiftigen Varianten, Dingos – eine einheimische Wildhundeart – und unzählige Vogelarten mit teils abenteuerlichem Gesang sind hier die wahren Einheimischen. Im Ozean tummeln sich Wale, Delfine und Meeresschildkröten. Leider auch jede Menge Haie, weswegen ein Bad im Meer wahrlich nicht zur Debatte steht.
Kaum auf der Insel angekommen, heizt Joe mit 70 Stundenkilometern den Strand entlang. „Richtige“ Straßen gibt es hier nicht. Zum Glück trennen einige Zentimeter das Autodach von unseren Schädeldecken. Sonst wäre ein Schädel-Hirn-Trauma vorprogrammiert. Aber auch so werden wir ordentlich durchgeschüttelt! Wir stoppen kurz im Dilli Eco Education Camp der Universität von Gold Beach, um unser Gepäck zu deponieren. Dort werden wir heute übernachten.
Dann brechen wir zu einem Spaziergang durch den Regenwald auf. Vorher füllen wir unsere Wasserflaschen mit Quellwasser, das, gefiltert durch die Sandschichten, besonders rein ist und wirklich köstlich schmeckt. Als Kontrastprogramm zeigt Joe uns das Netz einer extrem giftigen Spinne in einem Astloch. Also immer schöööön die Fingerchen draußen lassen. Und überhaupt ist es gesünder, in der freien Natur nichts anzufassen, immer brav auf den Wegen zu bleiben, die Gebüsch-Toilette nicht in Erwägung zu ziehen und die Augen aufzuhalten. Nicht so wie Claire, die die wunderschöne, mehrere Meter lange Schlange am Baum, den wir gerade passieren, übersieht, weil sie am Plappern ist. Ich entdecke das hübsche, reich verzierte Tier zuerst und muss zum Dank von nun an vorneweg stolpern. Denn unser Guide hat sich mittlerweile in den sicheren Wagen verzogen, um uns am anderen Ende des Weges abzuholen. Dort angekommen, empfängt er uns mit Heaviest Metal aus den Boxen.
Derart eingestimmt, machen wir uns auf zum Lake McKenzie, einem der wohl schönsten Süßwasserseen auf der Insel. Dankbar stürzen wir uns an diesem heißen Tag in die kühlen Fluten. Keine Haie, keine Seeschlangen, keine tödlichen Quallen. Nichts. Fast bin ich geneigt, zu sagen: langweilig. Danach geht‘s ab nach Hause ins Camp. Unsere heutige Tierausbeute: eine angeblich harmlose Schlange, eine lahme, riesige Wasserschildkröte und ein verschreckter Dingo.
Augen auf! Eine Schlange am Baum
Am Abend steht ein Barbecue auf dem Programm. Die Australier nennen es liebevoll „Barbie“. Joe und sein Kollege, der sich mit seiner sechsköpfigen Reisegruppe zu uns gesellt, grillen Würstchen, Hamburger und Fisch. Dazu gibt es Salat und alles, was man braucht, um einen Hamburger zusammenzubasteln. Wir sind nun ein bunter und fröhlicher Haufen, der sich das leckere Essen in die hungrigen Mägen schaufelt. Zwölf Menschen aus fünf Nationen – zwei Australier, zwei Franzosen, zwei Dänen, drei Koreanerinnen und drei Deutsche – reden in wirrem Sprachengemisch durcheinander. Zum Essen genehmige ich mir mein erstes australisches Bier. Auf der Dosenrückseite des beliebten Tooheys steht am Ende des „Begleittextes“ was von „lucky bastard“. Nun, das ist nicht so böse gemeint wie es klingt. Hier ist vom Glückspilz die Rede.
Mit der Bierdose errege ich die Aufmerksamkeit der drei ununterbrochen kichernden Koreanerinnen, von denen eine heute Gerüchten zufolge aus dem Jeep gekullert ist. Es dauert eine Weile, bis sich eine von ihnen traut, mich anzusprechen. Denn sie kämpfen noch etwas mit der englischen Sprache. Die Frage, die sie mir stellt, ist eine heikle Angelegenheit, sitzen doch schließlich zwei Australier mit am Tisch: „Welches Bier ist besser? Das deutsche oder das australische?“ Sie gesteht gleich, dass sie das deutsche Bier liebt. Um Zeit zu gewinnen, antworte ich mit einer Gegenfrage. „Wollt ihr eine höfliche oder eine ehrliche Antwort?“ Da sie sich nicht entscheiden können, fällt meine Wahl auf die Ehrlichkeit. Das deutsche Bier ist natürlich besser. Ist eben so. Die Gastgeber nehmen es gelassen.
Nach dem leckeren Abendessen lassen wir uns am Lagerfeuer nieder. Wir plaudern, und Joe packt seine Gitarre aus. Der Abend ist einfach großartig. Ich unterhalte mich angeregt mit Andrea, einer Seelenverwandten aus Süddeutschland. Auch sie hat ihren Job aufgegeben, ohne etwas Neues in Aussicht zu haben, gönnt sich eine gute Zeit in Australien, wird danach in die Heimat zurückkehren und dann sehen, wo das Leben sie hinführen wird. Einfach abwarten, was passiert, voller Zuversicht und Vertrauen. Zwischendurch betrachte ich den überfüllten Sternenhimmel, der hier höher zu sein scheint als woanders. Ob dem wirklich so ist, oder ob das Bier seine bewusstseinstrübende Wirkung entfaltet? Ich weiß es nicht. Gegen 23 Uhr werde ich müde. Da ich meine Taschenlampe schlauerweise im Hotel in Brisbane vergessen habe, droht mir ein kompletter Blindflug zu meiner Schlafkabine. So viel Dunkelheit bin ich Großstadtpflanze nicht gewohnt. Und so viel Fauna um mich herum auch nicht. Netterweise leuchtet Andrea mir den Weg. Ich falle in seligen Schlummer.
Fraser Island – Schiffswrack und Wasserfreuden
Meeresrauschen statt Klimaanlage. Ich habe hervorragend geschlafen. Komme mir jetzt keiner damit, das läge am Bier. Da Joe leicht verschlafen hat, müssen wir das Frühstück im Zeitraffer vertilgen. Macht nichts, denn es ist nicht der Rede wert. Labberiger Toast, zwei Sorten Marmelade, das unsägliche