Bitte, kann ich gehen?
Nein. Weil ich ihnen jetzt meinen Plan erkläre.
Ich will Ihren Plan nicht wissen!
Der Mann öffnet einen Schrank neben der Tür. Darin steht eine Propangasflasche, daran angeschlossen ein Kupferrohr, das in der Wand zur Scheune verschwindet.
Hier kann ich das Feuer in der Scheune anschalten. Und ausschalten. Das brennt dann wie lauter kleine Feuerzeuge. Ist ganz einfach. Nur ein Rohr mit Löchern.
Wie? Das Feuer ist nur Show? Da brennt’s gar nicht?
Nein. Jetzt nicht mehr. Ich hab den Hahn zugedreht.
Und was soll das?
Ich warte. Dass die wieder kommen.
Wer? Die Leute, die damals …? Warum sollen die wiederkommen?
Weil Verbrecher immer wiederkommen. Das weiß ich aus dem Fernsehen.
Wenn das ein Brandstifter-Pärchen war, dann kommen die doch nicht, wenn es schon brennt!
Vielleicht doch. Sie sind doch gekommen.
Ich wollte Ihnen helfen!
Hat die Frau damals auch gesagt.
Ich habe Ihr blödes, selbst gemachtes Feuer von der Straße aus gesehen.
Hat die Frau auch gesagt. Dass sie zufällig vorbeigekommen ist.
Ich habe auf den Bus gewartet! Und der ist weggefahren, weil ich Ihre Scheiß-Scheune retten wollte!
Sie wollten eine Belohnung.
Ich wollte einen Tee! Sind Sie irre?!
Ich bin nicht verrückt. Ich will Rache.
Lassen Sie mich jetzt sofort gehen!
Wo ist ihr Freund? Wartet der draußen?
Melanie zittert. Sie ist am Ende der Welt mit einem Irren eingeschlossen. Ein Irrer mit einem erstaunlichen Verständnis für Pyrotechnik. Was soll sie machen? Das Logikprogramm hat sie durch. Also hilft vielleicht bluffen.
Mein Freund ist im Auto. Der holt mich ab.
Ich hab’s doch gewusst.
Mit einem schiefen Lächeln drückt der Mann ihr jetzt einen Elektroschocker gegen den Hals. Melanie spürt, wie sich alle Muskeln ihres Körpers gleichzeitig verkrampfen und ihre Blase sich entleert.
Sie bricht zuckend zusammen. Ihr wird Schwarz vor Augen.
Die kalte Luft weckt Melanie auf. Sie ist in einem dunklen Raum. Vielleicht die Scheune?
Und ihr tut alles weh. Wenigstens hat sie die vollgepisste Hose nicht mehr an. Aber das ist auf den zweiten Blick auch kein gutes Zeichen.
Melanie ist nackt! Verdammte Kacke!
Und sie ist an ein Bettgestell aus Metall gefesselt.
Kaum haben sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, sieht sie Holger. Sie weiß jetzt, dass der Mann Holger heißt, weil er sich vorstellt.
Ich bin Holger. Ich war der Mann von Doreen und der Vater von Marcel.
Und mit diesen Worten wirft er das Streichholz. Und jetzt weiß Melanie auch, woher der fiese Geruch kommt: Benzin!
Hitze hüllt sie ein. Die Schmerzen werden unerträglich.
Doch was fast noch schlimmer ist, ist der Lichtschein.
Sekunden bevor Melanie stirbt, erkennt sie an der Wand reihenweise Jacken und Mäntel. Und darunter Eimer mit verkohlten Knochen.
Sind es 10? Oder mehr?
Melanie begreift, dass sie nicht das erste Opfer von Holger ist – und sicher nicht das letzte sein wird.
Holger weiß das auch. Aber hinterher fühlt er sich immer ein wenig besser.
Und selbst wenn er diesmal wieder die Falsche erwischt hat – eines Tages lockt er mit seiner Falle die richtigen Täter an. Da ist Holger sich ganz sicher.
So sicher, wie das Feuer Gerechtigkeit schafft …
PINGUINE
Auf Pinguine würde Alex nie schießen.
Auf keinen Fall!
Die sind niedlich. Sehr sogar, findet Alex. Und da macht er gerne eine Ausnahme. Wobei es eigentlich Quatsch ist, meint Alex. Pinguine wären zwar die perfekten Ziele. Langsam und watschelig und irre leicht zu treffen. Aber wann und wie sollte sich denn ein Pinguin auf sein Grundstück verirren? Mitten in der Pampa von Hessen? Dort, wo die Karten von TOM-TOM seit gefühlten 25 Jahren nicht aktualisiert wurden. Weil … warum? Was soll sich hier ändern? Hier werden keine neuen Straßen gebaut. Auch Vorfahrt oder Tempolimit ändern sich nicht. 100km/h auf der Landstraße und immer geradeaus. So findet man Alex auch. Wenn man will. Einfach der Landstraße folgen. Bis zum Tor. Aber reingehen sollte man lieber nicht. Sonst passiert das, was mit Frederik und Harald passiert ist.
Alex hatte mal im Internet etwas gelesen über solche Leute. „Moderne Schatzsucher“ nennen sie sich. Und sie haben kein Holzbein und keine Augenklappe und sie orientieren sich auch nicht nach einer Karte, wo irgendwo ein großes, schwarzes Kreuz eingezeichnet ist.
Sie haben GPS.
Und Funktionsjacken.
All das weiß Alex nur so am Rande. Es hat ihn nie interessiert. Bis zu dem Tag, wo er in seiner kleinen, gemütlichen Küche saß und sich gerade einen frischen Tee aufgegossen hatte. „Sanfter Ausklang“ stand auf dem Beutel und ein lächelndes Bärchen war abgebildet. Die Mischung soll beruhigen und entspannen. Das kann bei Alex nie schaden. Denn Alex ist ein Choleriker. So wie sein Vater. Bei dem haben auch immer alle gesagt, dass ihn eines Tages noch der Schlag treffen wird, wenn er sich immer so schnell aufregt. Wenn er diesen roten Kopf bekommen hat und die Adern seitlich am Hals dick wie Regenwürmer wurden.
„Du hast hohen Blutdruck! Das bringt dich noch um!“
Es war dann aber doch eine Bandsäge. Aber das ist eine Geschichte, über die Alex nicht gerne spricht. Weil es ihn daran erinnert, dass er diese unschöne Eigenschaft – oder sollte man Charakterzug sagen? – von seinem Vater geerbt hat. Sonst wäre die Sache mit der Bandsäge wohl auch gar nicht erst passiert. Aber Schwamm drüber.
Alex will nicht davon sprechen und wem sollte er es auch erzählen?
Er lebt hier alleine. Schon ziemlich lange. Seit Monika damals gegangen ist, kann er sich nicht mehr durchringen, es nochmal zu versuchen. Zweisamkeit abgehakt. Macht unterm Strich mehr Ärger als es einem bringt.
„Hau doch ab, du Schlampe!“, hatte Alex damals noch – es war wieder ein Wutanfall – auf ihre Sachen geschrieben. Mit einem roten Edding.
„Hau doch ab, du Schlampe!“ auf jedes Kleid.
Auf jeden Pullover und jeden Schlüpfer.
Falls sie doch nochmal zurückkommt und ihr Zeug holen will.
Das hat Monika nie gemacht. Wahrscheinlich auch nie vorgehabt. Aber Alex wollte sichergehen: „Falls