»Ich verstehe dich – Sandra, von mir kannst du mich auch duzen. Jetzt kennen wir uns schon ein paar Tage. Ich heiße Jutta!«
»Danke, Frau Herbst – ach nein Jutta. Ich finde es toll, Ihr Angebot, nein dein Angebot, es ehrt mich. Aber ich muss mich erst daran gewöhnen.«
»Am Wochenende besuche ich Ina Maiwald, das habe ich mir fest vorgenommen. Es ist dir sicher nicht entgangen, dass sie aus dem Pflegeheim hierher gekommen ist und ich das anfangs am liebsten nicht wahrhaben wollte!«
»Jutta, wenn du das schaffst, bekommst du eine Tapferkeitsmedaille. Auch wenn ich eure ganze Geschichte noch nicht kenne, so weiß ich nun von deiner Freundin Ina und freue mich, dass du sie besuchen wirst! So ein Zufall, du erzählst mir von ihr, und sie lebt und kreuzt hier auf!«
»Hmm«, brummelt Jutta und denkt: Hätte ich doch bloß nicht so viel gesagt und versprochen. Eigentlich will ich sie nie mehr sehen, und in diesem Zustand schon gar nicht. Das wird mich nur weiter runter ziehen.
»Frau Herbst, ach nein, Jutta, ich habe das moderne Büro von ServiceAktiv gesehen. Doch ich kann mir nicht vorstellen, wie es mit deiner Firma begonnen hat. Erzählst du mir etwas aus der Anfangszeit?«
Jutta gibt sich einen Ruck und trinkt ihr Wasserglas leer.
»Das ist alles so lange her. Und trotzdem sehe ich mich noch in dem kleinen Büro sitzen, als sei es gestern gewesen. Zuerst enthusiastisch, weil ich nun endlich meine Ideen verwirklichen wollte, kurz darauf aber tief verzweifelt.
Ich habe bescheiden angefangen. Ich bekam ein kleines Büro in Enricos Verwaltungsgebäude, wo auch die Wohnungsverwaltung saß. Ich besaß Enricos abgelegten Computer und meinen fünf Jahre alten Laptop. Dazu einen Aktenschrank mit Ordnern. Darin hatte ich seit Beginn meiner Vorbereitungsarbeiten für die Gewerbeanmeldung Anzeigen für Dienstleistungen aus Zeitungen und dem Internet gesammelt. Zuerst musste ich unter den Anbietern Partner gewinnen, die bereit waren, an mich eine Provision zu zahlen und im Gegenzug Kunden zu bekommen. Dann begann ich, eine Datenbank der Dienstleister anzulegen. Es war eine Fleißarbeit, die ich vorher enorm unterschätzt hatte.
Wie gern hätte ich meinen damaligen Partner an meiner Seite gehabt, nicht nur seinen fachlichen Rat als Unternehmensberater. Manchmal saß ich vor dem Computer und träumte, wir beide würden zusammen die Firma aufbauen. Er würde scherzen und mit mir lachen, wir würden Ideen realisieren, gemeinsam arbeiten und abends jeden neuen Erfolg feiern. Manchmal überlegte ich, was er mir bei einzelnen Problemen raten würde. Ich hatte sechs Jahre lang versucht, diesen Mann zu vergessen. Doch plötzlich saß er in meinen Gedanken mit im Büro und ich konnte ihn nicht vertreiben. Ich hatte kein Glück mit ihm gehabt, ebenso wenig wie mit meinem Ehemann. Männer und ich – das passte in meinem Leben einfach nicht zusammen!
Und noch jemand drängte sich auf die gleiche Weise wieder in meinen Alltag: Ina Maiwald. Auch sie wollte ich vergessen, doch mit der Firmengründung richtete sie sich in meinen Gedanken häuslich ein. Ich hatte bei GENIL vor allem von ihr das Marketing-Einmaleins gelernt. Mit Service-Aktiv wollte ich mir selbst beweisen, dass ich dieses Fach genauso gut beherrschte. Doch bei jeder Aktion, die ich plante, um mein Konzept bekannt zu machen und Kunden zu gewinnen, fielen mir Sätze, Argumente, Vorbehalte ein, die ich von meiner damaligen Chefin gehört hatte. Selbst die Erinnerung an den derben Klang ihrer Stimme beleidigte mein Ohr.
Ich wollte selbstständig im wahrsten Sinne des Wortes sein und mich von Ina und von Roland lösen. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass die beiden so präsent sein würden. Ich fühlte mich mit meinem neuen, selbstgewählten Job einsamer als je zuvor. Manchmal liefen mir die Tränen übers Gesicht, wenn ich abends allein im Büro saß und Infos in meine Datenbank tippte. Dann glaubte ich, die Einsamkeit nicht mehr ertragen zu können. Ich war nah dran, alles wieder hinzuwerfen. Unseren heutigen Leitspruch »Tun« hatte ich damals noch nicht entdeckt, sondern versuchte mich mit einem Zitat des Schriftstellers Erwin Strittmatter zu motivieren: »Verfolge dein Ziel, Tag für Tag, beharrlich! Mögen die Worte, mit denen das gesagt wird, konventionell wirken, es gibt nur diesen Weg, zu dir selbst zu kommen!«
Wenn am nächsten Morgen Enrico und Manuela in mein Büro kamen und sich nach meinen Fortschritten erkundigten, sah ich alles wieder in rosigerem Licht und ich beschloss, nicht aufzugeben, meine Freunde nicht zu enttäuschen und die Firma zum Leben zu erwecken. Außerdem war mir klar, in welche Depression mich ein Misserfolg stürzen würde.«
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