Tambara und das Geheimnis von Kreta. Heike M. Major. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heike M. Major
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические приключения
Год издания: 0
isbn: 9783969405390
Скачать книгу
einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt und auf der Insel, weitab der Großstadt, bei einem schon genehmigten offiziellen Projekt, konnten die vier sicher weniger anstellen als in Tambara, wo sie, einmal neugierig geworden, vielleicht doch wieder ein Türchen in Sachen Vergangenheit aufgestoßen hätten.

      Da die Freunde keinen Direktflug mehr bekommen konnten, landeten sie auf dem nächstgelegenen Stadtflughafen, um dort in einen Daily-Jet der Luxusklasse umzusteigen. Diese komfortabel eingerichteten Hubschrauber standen normalerweise ausschließlich den Managern der großen Konzerne zur Verfügung, doch die Regierung hatte die Simpson’s Group – Means of Transport angewiesen, nur eine begrenzte Anzahl von Fluggeräten zur Verfügung zu stellen und diese bis auf Widerruf auch nicht für andere Zwecke zu nutzen. Da man für die vielen Regierungsvertreter, die mittlerweile das Kreta-Projekt inspizierten, diesen Komfort anbieten musste, setzte man die Helikopter auch gleich für den Normalbetrieb ein, um nicht noch mehr von den häufiger gemieteten und wesentlich mehr Gewinn bringenden kleineren Flugkörpern aus dem Verkehr ziehen zu müssen. Hinter vorgehaltener Hand freilich wurde gemunkelt, dass es sich um eine reine Sicherheitsmaßnahme handelte. So konnten die wenigen zwischen der Insel und dem Festland pendelnden Hubschrauber besser auf Keime und Samenkörner hin untersucht werden. Die Kontrolle der Helikopter kostete Zeit, die Reinigung dem Unternehmen viel Geld, da transportierte man lieber gleich größere Gruppen in den wenigen Daily-Jets der Extraklasse, die sowieso höchst selten in der Stadt eingesetzt wurden, so reduzierte man die Ansteckungsgefahr und gleichzeitig die Ausgaben. Dass nun auch auf den Heimatflughäfen Sicherheitsschleusen eingebaut wurden, in denen jeder Gast sich entkleiden, duschen, seine Kleidung samt Einmalunterwäsche zur Einschmelzung freigeben und gegen provisorische Garderobe austauschen musste, nahmen die Bürger gelassen hin, kannten sie die Kontrollen doch von ihren Ausflügen in die Museumsparks her.

      Botoja warf beim Einsteigen einen interessierten Blick auf die Armaturen der Maschine und erwähnte ganz nebenbei ihre Fluglizenz, woraufhin recht schnell eine Einladung in das Cockpit folgte. Während Soul und Mortues es sich mit den übrigen Fluggästen in den komfortablen Sesseln des Konferenzraumes bequem machten, unterhielt sich die Freundin unbefangen mit dem Piloten. Botoja erfuhr, dass ihr Gesprächspartner als Konzernangestellter viel unterwegs war, oft weite Strecken zurücklegte und anscheinend für einen finanzkräftigen Chef arbeitete. Wer sein eigentlicher Arbeitgeber war, konnte sie allerdings nicht herausfinden.

       9

      Die jungen Leute hatten sich einen alten Jeep gemietet und starteten nach ein paar aufreibenden Fahrstunden auf dem hoteleigenen Parkplatz ihre erste Erkundungstour in die ländliche Umgebung. Sie waren alle in demselben Haus untergebracht und hatten bereits einige anstrengende Arbeitstage hinter sich und sich eine kleine Pause redlich verdient.

      Der offene Wagen war zumindest äußerlich eine exakte Nachbildung seines historischen Vorbildes. Soul fragte sich, wie die Ingenieure von Tambara in Zeiten des totalen Kunststoffes so schnell an die veralteten Materialien herangekommen waren. Aber in einer Stadt, in der der Mensch vom Nano-Chip bis zum Raumschiff alles produzieren konnte, was sich im Computer entwerfen ließ, war es sicherlich auch möglich, das Verfahren zur Produktion von alten Blechkarosserien für kurze Zeit wieder aufleben zu lassen. Um die Untersuchungsergebnisse nicht zu verfälschen – so die offizielle Version –, sollte sich das Straßenbild auf der Insel zunächst nicht zu sehr verändern. Der Jeep fuhr sogar mit Benzin, eine Maßnahme, die sich die Kreta-Kommission, wie Soul fand, auch gut und gerne hätte sparen können, denn der Gestank war unerträglich. Soul fragte sich, ob es unterwegs überhaupt genügend Tankstellen für diese Art von Treibstoff gab, aber vielleicht sorgte ja auch gerade das Fehlen geeigneter Tankmöglichkeiten dafür, dass der Bewegungsradius allzu neugieriger Städter erst einmal begrenzt blieb.

      Die vier erkundeten zunächst das Straßennetz in der näheren Umgebung, so konnten sie im Bedarfsfall schnell Hilfe über das Computerarmband anfordern, falls es mit der Technik Probleme geben sollte. Mortues, der, warum auch immer, mit dem Wagen am besten zurechtkam, saß am Steuer und bewegte das Gefährt über eine staubige Straße zum nahe gelegenen Strand. Während der Wagen mit einem schier ohrenbetäubenden Lärm über den Asphalt donnerte, lauschten die Freunde ein wenig skeptisch auf das Scheppern der alten Blechkarosserie und das Knirschen des mit kleinen Kieseln durchsetzten Sandes unter den Rädern des behäbigen Fahrzeugs. Argwöhnisch beobachteten sie ihren Freund, wie er seine Hand in regelmäßigen Abständen auf die Gangschaltung legte, seine Füße auf die Pedalen vor seinem Sitz drückte und von Minute zu Minute sicherer wurde, bis schließlich alle Griffe in eine fließende Bewegung übergingen. Erst als das Vorderrad über einen größeren Gesteinsbrocken rollte und der Wagen sich an der rechten Seite ein wenig in die Höhe hob, ertönte ein vierstimmiges „Ohhoohooohhh“ von den Sitzen.

      Von nun an war der Bann gebrochen. Jede Bewegung wurde ab jetzt mit lautstarken Geräuschen kommentiert, die Freunde stöhnten, juchzten und quiekten. Mortues ließ den Wagen auf dem Asphalt Schlängellinien fahren oder ein Stück über die Wiese am Straßenrand holpern, er bremste unerwartet, fuhr wieder an und drosselte erneut die Geschwindigkeit, nur um kurz darauf umso mutiger auf die Pedalen zu drücken. Zum Schluss hielt er den Wagen in der Spur und brauste davon. Die jungen Leute gaben sich dem Geschwindigkeitsrausch hin. Sie hielten ihr Gesicht in den Wind, fühlten das Flattern der Haare auf ihrer Haut, legten sich bei jeder Kurve demonstrativ zur Seite oder streckten juchzend ihre Arme gen Himmel. Erst als Soul sich bei voller Fahrt auf die Rückenlehne setzte, mahnte Botoja zur Ordnung und zog sie am T-Shirt auf ihren Platz zurück. Selbst Mortues, der sonst der Vernünftigste unter ihnen war – Soul hatte Botoja einmal gefragt, wie eine Beziehung bei so viel Vernunft überhaupt funktionieren könnte, da würde doch sicher die Spannung auf der Strecke bleiben, was ihrer Freundin ein vielsagendes „Ach, du kennst meinen Mortues nicht“, entlockte –, ließ sich durch die Zähmung des Jeeps zu einem männlichen Urton verleiten.

      „Na, alter Junge, was machen die Recherchen?“, erhob er seine Stimme bei anschwellender Brust.

      Reb wiegelte ab.

      „Es gibt nichts Weltbewegendes zu berichten.“

      „Also hör mal, du bist doch sonst so fix. Irgendetwas wirst du doch wohl herausgefunden haben“, wunderte sich Mortues.

      „Schön wär’s, aber das Net gibt nichts her. Ich denke, wir müssen erst die Interviews abwarten.“

      Reb warf seiner Schwester einen warnenden Blick zu und biss demonstrativ in ein Brötchen. Interviews waren etwas Offizielles, damit konnte er nichts falsch machen und mit vollem Mund sowieso nicht sprechen. Soul verstand und verteilte auch an die anderen Brot und Obst, denn man konnte nie sicher sein, ob in den Fahrzeugen nicht irgendwelche Wanzen versteckt waren. Auch winzige Kameras hatten Platz in einer Schraube im Innenraum, im Griff der Handschuhfachklappe, ach, eigentlich überall. So langten denn alle beherzt zu, und schon waren sie wieder die vier jungen Leute, die neben der Arbeit bei einer Fahrt in die Wildnis ihre Abenteuerlust stillten.

       10

      Die restlichen Leckereien aus dem Picknickkorb wollten sie am Strand verspeisen. Mortues lenkte den Wagen über einen holprigen, von grobem Unkraut bewachsenen Weg direkt auf den Sand und brachte ihn hinter einem vertrockneten Grünstreifen mit einem „Voila!“ zum Stehen. Zufrieden stellte er den Motor ab.

      Es dauerte ungefähr eine Viertelstunde, bis die jungen Leute ihre Technikarmbänder abnahmen, sie auf den Sitz legten und den Wagen verließen, so sehr überwältigte sie der Anblick des Meeres. Selbst Soul, die auf der Museumsinsel schon über Sand gelaufen war und auch im Tal der Klone in einem natürlichen See gebadet hatte, konnte sich an der unendlichen Weite der Landschaft nicht sattsehen. Sehen bis zum Horizont! Welcher moderne Mensch hatte je in seinem Leben den Horizont gesehen?

      Die Landschaft war längst nicht so hübsch, wie die von Sir W.I.T.s Insel, sie war wesentlich karger, fast ein wenig herb, der Sand zwar ohne die in der einschlägigen Literatur angekündigten dicken Kiesel, aber auch nicht so fein wie der von ihr so geliebte Nordseesand. Aber das Land war flach und weit, von derber Wiese und niedrigem Buschwerk bedeckt, und der Strand zog sich in einem breiten, schnurgeraden Streifen kilometerweit an der Küste