Tambara und das Geheimnis von Kreta. Heike M. Major. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heike M. Major
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические приключения
Год издания: 0
isbn: 9783969405390
Скачать книгу
Sie schritt das Ufer Meter für Meter ab, konnte aber keine Vertiefungen entdecken. Sollte das Meer sie bereits weggespült haben? Soul betrachtete den Küstenstreifen. So weit war das Wasser jedoch gar nicht vorgedrungen, und Ebbe und Flut, das wusste sie bereits, gab es in diesem Landstrich ja erst gar nicht. Soul ging noch ein paar Schritte weiter, suchte den ganzen Strandabschnitt ab, konnte aber auch nach intensiver Suche nichts finden, was auf den Kiel eines Bootes hingewiesen hätte. Nachdenklich begab sie sich auf den Heimweg.

       14

      Den Frauen hatte Reb verschwiegen, dass er sich seinen Roller vom Festland hatte schicken lassen. Nur bei seinem eigenen Fahrzeug konnte er sicher sein, dass sich kein Unbefugter an ihm zu schaffen gemacht hatte. Ein streng geheimer Neutralisierungsmechanismus des Medienkonzerns schaltete bei Bedarf jedweden unerwünschten Funkkontakt ab und löschte obendrein in kurzen Abständen die gefahrenen Routen, sodass die Fahrten für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen waren. Vom Hafen aus hatte er sich mit Mortues auf den Weg zu dieser seltsamen Schlucht gemacht. Souls alte Karte war Gold wert, und nach einer erfrischenden Fahrt durch die kretische Landschaft standen sie nun am Felsrand und schauten in den Abgrund.

      „Da kann einem schon schwindelig werden“, meinte Mortues beim Blick in die Tiefe.

      „Wir müssen den Einstieg suchen“, sagte Reb. „Von dort unten sieht das bestimmt nicht mehr so bedrohlich aus.“

      „Das meinst du doch nicht wirklich, oder?“

      „Früher sind Massen von Touristen hier durchgewandert, dann werden wir doch wohl ein paar Meter in die Schlucht hineinlaufen können.“

      „Kommt darauf an, was du mit ein paar Metern meinst.“

      Die Männer stiegen wieder auf ihren Roller, und Reb lenkte die Maschine behutsam am Rande der Schlucht entlang. Er fuhr sehr vorsichtig und mit dem entsprechenden Abstand zum Abgrund, um sich und seinen Freund im Falle eines Sturzes nicht in Gefahr zu bringen. Er hatte gehofft, die gesamte Strecke bis zum Eingang auf diese Weise bewältigen zu können, doch schon nach einer kurzen Weile wurde der Boden so unwirtlich, dass sie auf die Straße zurückkehren mussten. Diese wiederum führte sie immer weiter weg von der Schlucht und schlängelte sich auch noch in gefährlichen Serpentinen an unzähligen zerklüfteten Berghängen vorbei, sodass die beiden Männer schließlich vollkommen die Orientierung verloren. Reb lenkte den Roller an den Straßenrand und stellte den Motor ab.

      „Mist, so zerklüftet hatte ich mir die Landschaft gar nicht vorgestellt“, murmelte er.

      „Du bist nicht in der Stadt“, flötete Mortues, während er Souls unbeugsam belehrenden Unterton imitierte.

      Reb lächelte, zog zum wiederholten Male Souls Karte aus der Jackentasche und breitete sie auf dem Lenker aus.

      „Könntest du nicht vielleicht doch … das Navi …?“, fragte Mortues vorsichtig.

      Ein strafender Blick traf ihn, denn natürlich wusste auch Mortues, dass bei einer Anfrage an das Satellitensystem notwendigerweise der Störungsmechanismus ausgeschaltet würde und ihre Fahrt dann von jedem Anwender mit ein wenig Sachverstand verfolgt werden konnte.

      „Meinst du nicht, dass wir das Ganze vielleicht ein wenig zu ernst nehmen. So wichtig sind wir doch nun wirklich nicht, als dass sich die Öffentlichkeit für uns interessiert.“

      „Das kann sich schnell ändern“, entgegnete Reb, der immer noch mit seiner Karte beschäftigt war. „Wir brauchen nur auf etwas Verwertbares zu stoßen, und schon haben wir genau diese Öffentlichkeit am Hals. Und je nachdem, was wir fänden, würden sich mit Sicherheit noch ganz andere Leute für uns interessieren.“

      Reb wusste selber nicht so genau, wen er mit „andere Leute“ meinte, hoffte aber auf diese Weise seinen Freund von der Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung zu überzeugen.

      „Schau, der Einstieg ist hier ganz in der Nähe.“

      Mortues ließ sich überreden, und ein paar Minuten später erreichten die beiden tatsächlich die Stelle, die Reb auf der Karte ausfindig gemacht hatte. Sie stellten die Maschine im Schatten eines Olivenbaumes ab, schnappten sich ihre Rucksäcke und begaben sich an den Abstieg.

      „Hast du auch dein Technikarmband abgestellt?“, vergewisserte sich Mortues, als sie nach einer zehnminütigen Kletterpartie den Grund der Schlucht erreichten.

      „Deine Frage kommt ein wenig spät, findest du nicht?“, entgegnete Reb.

      Mortues ging nicht darauf ein.

      „Nur schade, dass wir ohne Technikarmband keine Fotos machen können“, sagte er stattdessen. „Das ist wirklich ein grandioses Schauspiel. Guck dir diese Felsformation an.“

      Während sein Blick die majestätische Steilwand hinaufglitt, legte er den Kopf in den Nacken und musste sich ein wenig nach hinten beugen, um hoch über ihm den Rand der Schlucht auszumachen.

      „Mein lieber Junge“, erwiderte Reb, „du vergisst, dass ich Journalist bin und mir Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die dem Normalbürger auf ewig verschlossen bleiben.“

      „Wie meinst du das? Hast du ein Technikarmband ohne Anbindung an das öffentliche Netz? So etwas gibt es doch heutzutage gar nicht mehr.“

      „Ich habe etwas viel Besseres.“

      Besser als ein Technikarmband?“

      „Besser als ein Technikarmband ohne Netzanbindung.“

      „Komm, nun sag schon …“

      „Meine Sonnenbrille.“

      Reb schob das Designermodell über die Stirn auf seinen dunkelblonden Haarschopf.

      „Extra für mich angefertigt, nur für Bilder und als Aufnahmegerät zu verwenden, ohne Anbindung an die übrige technische Welt.“

      „Fantastisch“, freute sich Mortues, „komm, schieß ein Foto von mir, so wie es die Touristen früher gemacht haben.“

      Er suchte sich eine Stelle inmitten des Flussbettes aus und stellte sich demonstrativ in Positur.

      Reb ging ein paar Schritte zurück, setzte seine Brille wieder auf die Nase, betrachtete Mortues eingehend, bestätigte die fotogene Haltung des Freundes mit einem „Okay“ und schickte sich an, die Wanderung fortzusetzen.

      „He, willst du nicht auf den Auslöser drücken?“, protestierte sein Freund.

      „Habe ich bereits, der Sprachbefehl heißt ‚Okay‘. Man kann auch auf den Bügel drücken, das sieht dann so aus, als würde man die Brille zurechtrücken. Die Bilder dokumentieren so ziemlich genau das, was du durch die Gläser siehst.“

      „Beeindruckend“, gab Mortues zu, „aber hältst du das Auslösewort wirklich für geeignet? Überleg mal, wie oft jemand in deiner Umgebung ein ‚Okay‘ von sich gibt. Dann schießt die Brille doch jedes Mal ein Bild. Oder hast du es auf deine Stimmfrequenz eingestellt?“

      „Nein, dazu war ich zu faul.“

      „Aber das holst du nach.“

      „Bei der nächsten Gelegenheit.“

      „Okay“, schloss Mortues die Diskussion, nicht ganz überzeugt, „dann lass uns losgehen. Du musst wissen, was du tust.“

      Reb blickte durch die Brille. Sie hatte gerade die Steine zu seinen Füßen fotografiert.

      Die beiden Männer schritten zügig voran. Schon nach ein paar Hundert Metern fingen sie an zu schwitzen. Die Sonne brannte gnadenlos auf ihre Scheitel, sie setzten ihre Schirmmützen auf und zogen sie tief in die Stirn. Hatten sie anfangs noch Auffälligkeiten am Wegesrand mit einem „Ach, guck mal!“ oder „Erstaunlich!“ kommentiert, verstummten nach und nach ihre Gespräche. Der Weg war uneben und voller Überraschungen. Die groben, teils faustgroßen Steine ließen in dem fast ausgetrockneten Flussbett keinen festen Stand zu. Sie drehten sich, rutschten oder rollten zur Seite, wenn man auf sie trat, und ständig liefen die Freunde