Die Hand des Anubis. Tessa Jones. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Jones
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740979867
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mehr, als mir lieb ist.«

      »Ich verstehe nicht«, antwortete er und zog die Stirn kraus. Wollte sie auf etwas Bestimmtes hinaus?

      »Ich bin ein Medium.«

      Ach du Schreck! Er konnte nichts dafür. Völlig ungläubig starrte er sein Gegenüber an. »Ein Medium?« So langsam dämmerte es ihm. O nein! Plötzlich ergab alles einen Sinn. Die Reaktion des Chiefs … die Stille im Raum … und die Tatsache, dass niemand mit dieser Frau hatte reden wollen. Niemand außer ihm!

      »Ich weiß genau, wie das jetzt für Sie klingen mag, doch ich versichere Ihnen, dass ich keine Hochstaplerin bin. Was ich sehe, sind echte Geschehnisse. Manchmal aus der Zukunft, manchmal aus der Vergangenheit. Darauf habe ich keinen Einfluss.«

      »Verstehe«, murmelte er. Es wurmte ihn maßlos, dass er so blöd gewesen war und das Medium von Londonderry nicht erkannt hatte. Dabei hatte er ihren Namen schon etliche Male im Pub gehört und als Randvermerk in einigen alten Akten gelesen.

      »Ich freue mich, dass Sie zu uns gekommen sind, dennoch denke ich nicht, dass Sie uns in irgendeiner Art und Weise behilflich sein können.«

      »Das sehe ich anders, Detective! Auch wenn Sie jetzt die Augen verdrehen und mich für verrückt halten, kann ich Ihnen dennoch helfen, diesen Fall zu lösen. Sie sollten mein Angebot annehmen, zumal es Sie mit Sicherheit wieder zurück nach New York bringen würde. Und genau das ist es doch, was Sie wollen, nicht wahr?«

      »Woher wissen Sie das?«, rief er erschrocken, und wieso zum Teufel wusste sie, dass er mit den Augen gerollt hatte?

      »Ich habe es gesehen … so wie alles. Und ich kann Sie, sofern Sie bereit sind, mir eine Chance zu geben, zu einer Leiche führen.«

      »Das ist …« Entsetzt sprang Taylor aus seinem Stuhl. So etwas Verrücktes hatte er ja noch nie gehört. Nervös fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Er zog es ernsthaft in Erwägung, dass ihm jemand einen Streich spielte.

      »Sie haben nichts zu verlieren, oder?« Ihre Stimme klang amüsiert und irgendwie anzüglich, was er jedoch mit einem Schulterzucken abtat.

      »Das ist wahr«, gestand er mürrisch. Im Prinzip hatte er ja bereits alles verloren. Seinen Job in New York, seine Freunde, sein Zuhause. Natürlich wollte er wieder zurück, doch er konnte nicht. Zumindest noch nicht! Falls er aber einen Fall lösen würde, der Schlagzeilen machte, sah das Ganze womöglich anders aus. Außerdem war Vidya McMurran in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Er hatte schon häufiger Berichte gelesen, in denen das Medium erwähnt worden war, jedoch hätte er niemals, wirklich niemals, eine Frau wie sie erwartet. Sie war blind und konnte glücklicherweise nicht sehen, wie argwöhnisch er sie betrachtete, trotzdem hatte sie etwas an sich, dass ihn unruhig werden ließ. Ihre Gesellschaft war nicht die schlechteste und, da er ohnehin nichts Besseres zu tun hatte, wagte er einen Versuch. Warum auch nicht? »Na dann, schießen Sie mal los, Miss McMurran.«

      »Nennen Sie mich Vidya, bitte«, bat sie höflich und erhob sich. »Jetzt, wo wir gemeinsam ermitteln.«

      »Ich habe nicht gesagt, dass wir gemeinsam er…«

      »Ganz ruhig, Detective!«, lachte sie amüsiert und hielt ihm wieder ihren Arm hin. »Sie sind viel zu ernst, hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?«

      Statt einer Antwort, presste er die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Ja, so ein, zwei Mal hatte er das bereits gehört, doch das störte ihn relativ wenig. Er lebte nun mal für die Arbeit. Alles andere war nicht wichtig. Zumindest nicht jetzt.

      »Wo gehen wir hin?«, fragte er überrascht und nahm vorsichtig ihren Arm. Es fühlte sich komisch an und machte ihn tatsächlich erneut ein bisschen nervös. Nie zuvor hatte er einen blinden Menschen irgendwohin geführt. Er wusste ja nicht einmal, wie das überhaupt funktionierte! Machte er alles richtig? Musste er ihr sagen, wohin sie gingen? Oder sie auf irgendetwas aufmerksam machen? Großer Gott, warum machte er sich plötzlich so viele Gedanken? Für gewöhnlich dachte er nämlich nicht so viel nach, sondern reagierte einfach. Instinktiv.

      »Sie sind skeptisch, Detective, und das verstehe ich«, antwortete sie leise, »doch das wird sich schnell ändern. Wir fahren an den Stadtrand, zu der alten Mülldeponie. Ebenda gab es vor etlichen Jahren ein großes Feuer, seitdem ist es Niemandsland und wird gern von den Teeangern zum Feiern und Trinken aufgesucht.«

      Das war nicht die Antwort, die Taylor erwartet hatte, und dennoch machte ihn die Vorstellung, dort hinzufahren, leicht kribbelig. »Und verraten Sie mir auch, warum wir ausgerechnet an diesen Ort fahren?«

      »Natürlich«, antwortete die Frau an seinem Arm, als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt. »Da finden wir mindestens eine Leiche.«

      Verflucht! Für einen Augenblick verschlug es ihm die Sprache. »Sind Sie sicher?« Es hatte keinen Sinn, sie mit seinen Blicken zu durchbohren, aber aus alter Gewohnheit tat er es dennoch.

      »Ziemlich!«, erwiderte sie direkt, und aus irgendeinem Grund glaubte er ihr. Oder wollte es zumindest gern.

      Mit neugierigen Blicken und vermutlich auch schadenfrohem Lächeln seiner Kollegen im Rücken verließ er das Revier und führte Vidya nach draußen zu seinem Wagen. Der riesige, knallrote Pick-up passte so überhaupt nicht in die kleine Stadt Londonderry, aber das interessierte ihn herzlichst wenig.

      Er passte schließlich genauso wenig hierher.

      Kapitel 2

      Instinktiv atmete sie ein, als er die Beifahrertür hinter ihr schloss. Zuvor hatte er sie auf die Trittstufe im Einstieg aufmerksam gemacht. Er fuhr einen großen Pick-up, dieser passte zu seinem Ego, fand sie.

      Der Innenraum wurde vom Duft seines Aftershave dominiert – eine Mischung aus Schokolade, Amber und Pfeffer. Sie schmunzelte. Er tat so hart und nutzte dann etwas mit Schokonote? Vom Handschuhfach her konnte sie den leicht beißenden Geruch von Waffenöl wahrnehmen.

      Die Fahrertür schlug zu und die Sitzfedern quietschten leise, als er sich anschnallte. Sie konnte spüren, dass er sie ansah.

      »Zur stillgelegten Müllkippe also. Nun gut, wenn Sie davon überzeugt sind, dass wir dort eine Leiche finden, fahren wir eben dort hin. Wenn sich das Ganze jedoch als Zeitverschwendung rausstellt, …«

      »… dann schulde ich Ihnen ein Abendessen«, unterbrach sie ihn mit einem kleinen Lächeln. Bei seinen nächsten Worten konnte sie das leichte Grinsen deutlich hören.

      »Mindestens! Immerhin riskiere ich meinen guten Ruf für Sie.«

      Sie hob eine Augenbraue, sagte aber nichts. Dass sein Ruf allein deswegen schon leiden würde, weil er ihr zugehört und nun mit ihr die Wache verlassen hatte, behielt sie wohl besser für sich. Grummelnd startete er den Wagen. Unwillkürlich erschauernd presste sie die Oberschenkel gegeneinander, als die starken Vibrationen des Motors sie durchliefen.

      Reiß dich zusammen, Vidya, ihr seid auf dem Weg zum Schauplatz eines Verbrechens, schimpfte sie in Gedanken mit sich selbst. Zum Glück schien der Detective nichts zu bemerken. Er tippte energisch auf etwas herum.

      »Das Navi kennt unseren Zielort scheinbar nicht. Irgendwelche Vorschläge, Miss McMurran?«

      Sein Blick glitt wie eine heiße Nadel über ihre Haut. Menschen in ihrem Umfeld wunderten sich immer wieder, wie intensiv sie Blicke empfand, obwohl sie es ja eigentlich gar nicht sehen konnte, wenn jemand sie anschaute.

      »Vidya. Die Mammoth Road runter und gegenüber von Mack’s Apples rechts rein«, erwiderte sie gelassen.

      »Na dann«, grollte er und trat aufs Gas. Vidya wurde ins Sitzpolster gepresst, als der Dogde Ram einen Satz nach vorn machte und mit quietschenden Reifen vom Parkplatz auf die Straße schoss.

      »Darf ich anmerken, dass Sie nicht mehr in New York sind, Detective Scott? Sie brauchen also nicht fahren wie der letzte Henker.«

      Trotzig ließ er den Motor abermals aufheulen, drosselte jedoch zumindest das Tempo. Sie drehte das Gesicht zum Fenster, als