Patana würde seine Strafe bekommen – aber von einem ordentlichen, vom amerikanischen Volk autorisierten Gericht!
Ein kurzes Zucken in Patanas Augen, ein kleiner Hoffnungsschimmer verrieten dem wachsamen Killer die Anwesenheit des Mafiajägers. In keiner anderen Situation wäre Roberto Tardelli dem Boss von „Black Friday“ so willkommen gewesen wie jetzt.
Patana wagte aufzuatmen, denn er glaubte, sein Leben nunmehr behalten zu dürfen. Alles andere war nicht so schlimm. Das konnte eventuell noch geregelt werden. Ein Schuss aus der Beretta hingegen war eine unwiderrufliche Angelegenheit.
Kowalski verschraubte den Körper.
Er drehte sich halb zu Roberto Tardelli um. „Du schon wieder? Verdammt, wie hast du das so schnell geschafft?“
„Schon mal was von einem fliegenden Teppich gehört? Ich besitze einen“, erwiderte Roberto, während er den gefährlichen Killer keine Sekunde aus den Augen ließ. „Lass die Waffe fallen, Kowalski!“
Der Vertragskiller von „Black Friday“ grinste. „Eine ähnliche Situation hatten wir schon mal.“
„Zum Unterschied dazu wirst du es diesmal nicht mehr schaffen, Kowalski. Diesmal kommen dir ganz bestimmt keine Cops zu Hilfe.“
Kowalski lachte. „Das war ein Gag, was?“
„Die Kanone, Mel!“, sagte Roberto ernst.
„Noch nicht. Erst lege ich dieses Schwein um.“
„Das wirst du nicht tun!“, knurrte Roberto.
„Er wollte mich killen lassen!“, schrie Kowalski wütend.
„Du willst dich an ihm rächen?“
„Ist das nicht ein verständlicher Wunsch?“
„Okay, du sollst deine Rache haben, Mel“, sagte Roberto eindringlich. „Sag gegen ihn vor Gericht aus. Du weißt verdammt viel über ihn und seine verdammte Organisation. Mit deinem Wissen kannst du Patana fix und fertig machen!“
Kowalski überlegte. Er schien alle Für und Wider von Roberto Tardellis Vorschlag gewissenhaft abzuwägen.
In Wirklichkeit dachte der Killer jedoch keine Sekunde daran, Robertos Angebot zu akzeptieren. Hier bot sich ihm die einmalige Möglichkeit, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
Er konnte Patana und Tardelli erledigen.
Dann hatte er seine Rache – und frei war er außerdem.
Im anderen Fall wäre er nämlich genauso ins Zuchthaus gewandert wie der Boss von „Black Friday“. Da sich dies mit zwei schnellen Kugeln bestens regeln ließ, dachte Kowalski nicht im Traum daran, sich zu ergeben.
Aber er tat so, als gefiele ihm Robertos Vorschlag. „Wie viel kriegt er, wenn ich auspacke?“, wollte der Killer wissen. Gespannt wartete er auf seine Chance. Sie würde kommen, davon war er überzeugt, und dann würde er sich seine Rache und die Freiheit holen.
„Lebenslänglich“, sagte Roberto Tardelli.
„Und wie viel wird man mir aufbrummen?“
„Das kommt darauf an, was du alles über die Mafia zu erzählen weißt.“
Kowalski griente. „Oh, eine ganze Menge.“
„Dann wird man eventuell mit einem Handel einverstanden sein. Du bist zwar nicht gerade ein kleines Licht, aber wenn du‘s schaffst, ein paar großen Bossen ein Bein zu steilen, wird man verschiedene Punkte aus der Anklageschrift eliminieren.“
„Eine Hand wäscht die andere, eh?“
„So ist es“, bestätigte Roberto. „Darf ich dich daran erinnern, dass du dich von deiner Kanone immer noch nicht getrennt hast?“
Kowalski nickte.
Roberto war auf der Hut. Diesem gefährlichen Killer hätte er nicht einmal dann getraut, wenn er vor ihm im Sarg gelegen hätte. Mel Kowalski hatte noch nicht aufgegeben. Das bekundete die Beretta in seiner Hand, die er nicht hergeben wollte.
Das Gespräch diente Kowalski anscheinend nur dazu, um Roberto einzulullen, ihn in Sicherheit zu wiegen.
Die Spannung im Raum verdichtete sich.
„Ich warte!“, sagte Roberto bohrend.
Kowalski nickte wieder. „Okay, Tardelli. So machen wir‘s. Wir hauen Sergio Patana in die Pfanne!“
Er griff mit der Linken nach dem Schalldämpfer, als wollte er die Beretta aus seiner Hand lösen und sie mit dem Kolben voran Roberto entgegenhalten. Dabei seufzte er schwer.
Doch bevor sich die Finger seiner rechten Hand öffneten, schlug auf Sergio Patanas Schreibtisch das Telefon an. Mel Kowalski dachte, die schrille Klingel würde Roberto genügend ablenken, damit er seinen Plan blitzschnell in die Tat umsetzen konnte.
Sofort ließ die Linke den Schalldämpfer wieder los.
Die Beretta schwang in Gedankenschnelle herum. Sergio Patana riss entsetzt die Augen auf.
„Kowalski!“, brüllte Roberto. Es nützte nichts.
Die Beretta hatte bereits Feuer gespien und zuckte schon in Roberto Tardellis Richtung. Eine kaum messbare Zeitspanne entschied über Tod und Leben. Mel Kowalski war unvorstellbar schnell. Erst jetzt erschlaffte Patanas Körper. Der Boss von „Black Friday“ sackte zur Seite und fiel vom Stuhl.
Roberto Tardelli hasste Situationen wie diese, aus denen es nur einen einzigen Ausweg gab.
Er war gezwungen, schneller zu schießen als Mel Kowalski. Er musste den Mann so treffen, dass er ihm nicht mehr gefährlich werden konnte.
Robertos Luger krachte um den lebenserhaltenden Sekundenbruchteil früher als Kowalskis Beretta. Die Zeit hatte nicht gereicht, um einen gezielten Schuss abzufeuern.
Mel Kowalski hatte es erzwungen.
Seine Pistole nieste, aber der Schuss ging in die Decke. Verstört starrte der Killer auf das Loch in seiner Brust, aus dem nun dunkelrotes Blut zu fließen begann. Der Stoff seines Hemdes saugte die klebrige Flüssigkeit wie ein Löschblatt auf. Der rote Fleck wurde schnell größer.
Kowalski hielt sich krampfhaft auf den Beinen. Er wollte die Beretta noch einmal auf Roberto Tardelli richten, doch er hatte nicht mehr die Kraft, die Waffe zu heben.
Ächzend fiel er auf die Knie.
Dann kippte er nach vorn und fiel aufs Gesicht. Roberto eilte zu ihm und drehte den Sterbenden auf den Rücken. Er nahm ihm die Beretta aus den vibrierenden Fingern.
„Tardelli, du verdammtes Aas!“, gurgelte der Killer hasserfüllt. „Eines Tages wird es einer schaffen. Dann – dann sehen wir uns wieder. Ich geh jetzt nur voraus!“
Er seufzte ein letztes Mal. Dann war es vorbei mit ihm. Er hatte seine Rache bekommen, aber sein Leben verloren.
Roberto richtete sich auf. Er dachte an Mel Kowalskis Worte, und er hoffte, dass der Vertragskiller des „Black Friday“ damit nicht recht behielt.
ENDE
Der Killer und sein Zeuge