„Damit ist Ihre Annahme einwandfrei bestätigt, Roberto“, meinte der Colonel. „Der Killer hält bei seiner Schwester seinen kleinen Erholungsurlaub.“
„Hoffentlich bricht er ihn nicht ab, bevor ich in Baltimore eingetroffen bin“, sagte Roberto.
„Da er keine Ahnung hat, dass Sie bereits wissen, wo er untergekrochen ist, ist das wohl kaum zu befürchten.“
„Ich bedanke mich für die rasche Auskunft, Chef.“
„Keine Ursache. Dafür bin ich ja schließlich da.“
Roberto warf den Hörer in die Gabel. Er stopfte seine Sachen in die große Reisetasche, ließ die Rechnung fertigmachen und kehrte Chicago sodann den Rücken. Natürlich hätte es in dieser Stadt für ihn noch viel zu tun gegeben, doch im Augenblick hatte Mel Kowalski Vorrang.
Um alles anderes würde er sich zu einem späteren Zeitpunkt kümmern.
Roberto lieferte am O'Hare Airport den Plymouth Fury bei der Firma ab, von der er ihn geliehen hatte, holte sich anschließend sein Ticket, und war wenig später einer der ersten, die den Jet bestiegen, der in Kürze nach Baltimore fliegen würde.
Baltimore. Roberto Tardellis Backenmuskeln zuckten. Sein Blick nahm einen ungewöhnlich harten Ausdruck an. Er war entschlossen, dafür zu sorgen, dass dies Mel Kowalskis letzte Station war.
23
Kowalski hatte in der Nähe des Fort McHenry – einer der wesentlichsten Sehenswürdigkeiten von Baltimore – in einer kleinen Pizzeria einen guten Freund von früher getroffen. Zwei volle Stunden hatten sie ausschließlich über die Vergangenheit, ihre gemeinsame Jugend, geplaudert, und die Zeit war wie im Flug vergangen. Danach hatte sich Kowalskis Freund wegen dringender Geschäfte, die sich nicht aufschieben ließen, hastig verabschiedet. Der Killer war noch eine Weile in der Pizzeria geblieben und verließ sie nun, um zu seinem Mietwagen zurückzukehren und heimzufahren.
Der Chevrolet stand in einer schmalen Seitenstraße.
Als Kowalski die Tür aufschließen wollte, gewahrte er hinter sich eine Bewegung.
Er zuckte herum und erkannte Alfredo Sevardo und Bingo Celentano.
„Hallo, Mel“, sagte Sevardo. Es klang beinahe freundlich, aber Kowalski hatte gute Ohren und hörte die gefährlichen Schwingungen dahinter.
„Was sucht ihr in Baltimore?“, fragte Kowalski lauernd.
„Dich“, sagte Sevardo.
Kowalski blickte die beiden Soldati misstrauisch an. Er wusste nicht recht, was er von dieser unverhofften, jedoch keineswegs zufälligen Begegnung halten sollte.
„Wir nehmen unseren Wagen“, sagte Bingo Celentano. Es klang nicht nur wie ein Befehl. Es war auch einer. „Er steht gleich um die Ecke.“
„Verdammt noch mal, wollt ihr mir nicht verraten, was das soll?“, fragte Mel Kowalski aufbrausend.
„Mach keine Zicken, komm mit!“, brummte Sevardo.
Jetzt begann es bei Mel Kowalski allmählich zu dämmern. Er starrte die beiden Kerle fassungslos an. „Das ... das darf doch wohl nicht wahr sein!“, murmelte er wütend. Er wollte seinen Revolver aus dem Schulterhalfter reißen, doch Sevardo und Celentano waren schneller als er. Sie rammten ihm ihre Kanonen in den Bauch und nahmen ihm seinen Colt Python ab.
Dann stießen sie ihn zu ihrem Chrysler.
Er musste sich in den Fond setzen.
Bingo Celentano nahm neben ihm Platz.
Sevardo übernahm das Steuer.
Als der Wagen anfuhr, sagte Kowalski heiser: „Jungs, ihr macht einen schweren Fehler!“
„Ganz und gar nicht“, gab Sevardo knochentrocken zurück.
„Wohin bringt ihr mich?“
„Wir fahren ein Stückchen raus aus der Stadt.“
„Und dann?“
„Tja dann ...“,sagte Sevardo und hob die Schultern.
„Hört mal, das könnt ihr mit mir doch nicht machen!“, stieß Kowalski aufgeregt hervor. „Ich gehöre zur Spitze von Black Friday. Da muss ein Irrtum vorliegen!“
„Bestimmt nicht“, sagte Sevardo gelassen.
„In wessen Auftrag handelt ihr?“
„Kannst du dir‘s nicht denken?“
„Halt an!“, verlangte Kowalski schroff. Er wies auf eine Telefonbox, auf die sie soeben zurollten. „Halt an, Alfredo. Lass mich mit Sergio Patana reden. Ich bin sicher, dass sich die ganze Sache nach einem kurzen Telefonat in Wohlgefallen auflösen wird.“ Insgeheim schwor sich Mel Kowalski, Patana für diesen verdammten Befehl büßen zu lassen. Aber dazu musste er zuerst einmal diese gefährliche Klippe umfahren haben.
Sevardo schüttelte langsam und unnachgiebig den Kopf. „Kein Telefonat, Mel.“
„Zum Teufel, was denkst du denn, wer du bist? Hältst du dich für den Lieben Gott? Wenn ich sage, dass ich mit Patana telefonieren will, dann hast du meinem Wunsch zu entsprechen.“
„Die Zeiten, wo du etwas zu sagen hattest, sind vorbei. Mel. Tut mir leid für dich. Du warst ein fähiger Mann.“
„Wodurch bin ich bei Patana denn in Ungnade gefallen?“, fragte Kowalski heiser. Kleine Schweißtröpfchen bildeten sich auf seiner Stirn. Die Telefonbox war längst nicht mehr zu sehen. „Ich habe den Staatsanwalt erledigt und ich habe Fatty Booger fertiggemacht. Patana hat allen Grund, mit meiner Arbeit zufrieden zu sein!“
„Er meint, du bist über Nacht für Black Friday zum Risiko geworden“, sagte Sevardo.
„Ich? Zum Risiko? Hat er denn nicht mehr alle Tassen im Schrank? Wie kommt er denn auf diesen Blödsinn?“
„Es war ein Fehler, ihm zu erzählen, du seist von Roberto Tardelli angeschossen worden, Mel. Tardelli ist ein verdammt gefährlicher Bursche ...“
„Quatsch, mit dem werde ich doch fertig!“
„Tardelli könnte unserer Organisation großen Schaden zufügen“, sagte Sevardo.
„Herrgott noch mal, Tardelli weiß doch überhaupt nicht, wo ich bin!“, schrie Kowalski wütend.
Sie hatten die Stadtgrenze bereits hinter sich gelassen.
„Irgendwann könnte es Tardelli herausbekommen, wo du steckst“, sagte Sevardo ernst.
„Na, wenn schon. Dann kriegt er von mir eben eine Kugel in den Bauch, und die Sache hat sich.“
„Du hattest in Chicago deine Chance, ihm diese Kugel zu verpassen, Mel, hast sie aber nicht wahrgenommen. Im Gegenteil, du hast dich sogar von Tardelli anschießen lassen.“
„Der kleine Kratzer ist doch nicht der Rede wert!“
„Der Boss befürchtet, dass du auch beim zweiten Mal nicht über Tardelli hinwegkommen würdest“, sagte Sevardo. „Patana ist ein vorsichtiger,