Kowalski hatte das große Grundstück bereits betreten.
Er spielte mit dem Gedanken, „Black Friday“ zu übernehmen, nachdem er dafür gesorgt hatte, dass diese Unterorganisation der Mafia keinen Kopf mehr hatte. Vielleicht war es ihm möglich, sich mit den Dons zu arrangieren. Sie kannten ihn und wussten, dass er ein fähiger Mann war. Dass er Sergio Patana über den Jordan geschickt hatte, würden sie ihm bestimmt nachsehen. Schließlich war Patana nur eine Figur, die jederzeit durch eine andere ersetzt werden konnte.
Patana! Kowalski hatte ein dumpfes Hämmern in seinem Schädel, wenn er an diesen Mann dachte.
Seine Rache würde schrecklich sein.
Patana würde sich noch in dieser Stunde wünschen, niemals geboren worden zu sein.
Mel Kowalski huschte an Rhododendronsträuchern vorbei. Eine kalte Glut war in seinen Augen. Noch nie war er vom Wunsch zu töten, so besessen gewesen wie heute.
Die anderen Male war es ein Job gewesen, den er eiskalt für Geld erledigt hatte. Diesmal war es jedoch ein persönliches Anliegen.
Sergio Patana fühlte sich hier so sicher, dass er es nicht für nötig hielt, Wachen zu postieren.
Kowalski erreichte das große alte Gebäude, hinter dem der stahlblaue Long Island Sound glänzte.
Er näherte sich dem Hintereingang des Hauses. Plötzlich vernahm er Schritte. Sofort zog er sich in eine schattige Mauernische zurück. Ein schwarzhaariger Bursche mit dunklem Teint kam auf ihn zu. Ahnungslos. Mel Kowalski kannte ihn. Das war Aldo Fassa. Der Kerl war bereit, sich für Sergio Patana jederzeit in Stücke reißen zu lassen.
Kowalski wartete auf den richtigen Moment.
Fassa schob die Hände in die Hosentaschen. Er erreichte die Mauernische. Wie vom Katapult geschleudert flog ihm Mel Kowalski entgegen. Der Mafioso kam nicht einmal dazu, die Hände aus den Taschen zu ziehen. Ein gewaltiger Faustschlag streckte ihn nieder. Kowalski durchstöberte die Taschen des Ohnmächtigen und fand einen klobigen Schalldämpfer sowie eine funkelnagelneue Beretta.
Kowalski vergewisserte sich, dass die Waffe geladen war. Dann schraubte er den Schalldämpfer auf und erledigte Fassa aus kurzer Distanz. Er musste verhindern, dass ihm Aldo Fassa zu einen späteren Zeitpunkt Schwierigkeiten machen konnte.
Nachdem der Killer den Toten hinter Büsche verborgen hatte, wollte er das Haus betreten.
Da wurde die Hintertür aufgerissen, und ein bulliger Kerl trat aus dem Gebäude. Mel Kowalski ließ ihn in die schwarze Öffnung des Schalldämpfers sehen. Der Mann wurde blass.
„Mel ...“
„Erstaunt, mich wiederzusehen, wie? Hat der Boss bereits überall herumerzählt, Mel wäre abgetreten?“
„Mel, tu um Himmels willen die Kanone weg. Sie könnte losgehen.“
Kowalski lachte knurrend. „Ich würde das bestimmt nicht bedauern.“
„Ich bin dein Freund, Mel!“
„Ich habe keine Freunde!“
„Madre mia, was hast du vor?“
„Ich werde Patana umlegen. Ist er im Haus?“
„Ja.“
„Wer noch?“
„Außer ihm nur noch Tazzi. Alle anderen sind mit Aufträgen unterwegs.“
Kowalski nickte. „So wie Sevardo und Celentano.“
„Mel, ich steh hundertprozentig hinter dir, wenn der Boss nicht mehr ist.“
Kowalski schüttelte gleichmütig den Kopf. „Hab keine Verwendung für dich. Tut mir leid.“ Dann schoss er. Er kannte den Burschen zu gut. Auf ihn hätte er sich niemals verlassen können.
Hastig betrat der Killer das Gebäude. Kühle umfing ihn. Und Stille. Irgendwo tickte eine Uhr. Das dumpfe Gemurmel von Stimmen war zu hören. Trügerischer Friede herrschte im Haus. Kowalski eilte durch die große Halle, auf die Tür zu, hinter der sich Sergio Patanas Arbeitszimmer befand. Dort redete der Boss mit Umberto Tazzi.
Als er die Tür fast erreicht hatte, näherten sich ihr Schritte. Gleich darauf wurde sie geöffnet, aber da stand Kowalski bereits hinter einer dicken Marmorsäule. Das Mädchen auf dem gegenüberliegenden Gobelinbild schien ihm interessiert zuzusehen. Tazzi schloss die Tür hinter sich.
Jetzt war Sergio Patana allein in seinem Arbeitszimmer.
Kowalski konnte den Moment kaum noch erwarten, wo er dem Boss von „Black Friday“ gegenüberstehen würde.
Tazzi durchmaß die Halle mit großen Schritten.
Kowalski ließ den Mafioso an sich vorbei und machte dann: „Pst! He, Umberto!“
Tazzi wandte sich schnell um und erstarrte. Sein Blick war nicht auf Kowalskis Gesicht, sondern auf dessen Pistolenhand gerichtet.
„Mel, mach keinen Quatsch!“, presste Tazzi mühsam hervor. Er hob die Hände, um dem Killer zu zeigen, dass er nicht die Absicht hatte, ihn anzugreifen. „Mensch, Mel, dreh nicht durch. Es kommt alles wieder ins rechte Lot.“
„O ja, das kommt es“, zischte Kowalski gefährlich. „Aber das wirst du nicht mehr erleben!“
Diese Worte waren für Tazzi Grund genug, es wenigstens zu versuchen. Seine Rechte schob sich ins Jackett und blieb da, denn Kowalski zog augenblicklich den Stecher durch.
Nun gab es keine weitere Hürde mehr, die Mel Kowalski überwinden musste. Der Weg zu Sergio Patana war frei.
Der Killer stürmte mit grimmiger Miene in Patanas Arbeitszimmer. Der Boss von „Black Friday“ saß an seinem antiken Schreibtisch und legte fassungslos den Kugelschreiber weg.
„Von dem Moment an, wo Sevardo und Celentano mich in dem Steinbruch außerhalb von Baltimore erledigen wollten, bis zu diesem Augenblick habe ich nur noch dafür gelebt, Sergio“, zischte Mel Kowalski mit hassverzerrtem Gesicht, und Patana wusste, dass sich nur noch wenige Körnchen in seiner Sanduhr befanden, dann war sein Leben zu Ende.
30
Roberto Tardelli entdeckte einen Toten vor der Hintertür und den zweiten in der Halle. Mit entsicherter 38er lief er auf die offenstehende Tür des Arbeitszimmers zu. Dort redete Kowalski. Die geräuscharmen Kreppsohlen an Robertos Schuhen verhinderten, dass der Killer ihn vorzeitig kommen hörte. Gleich würde es zur dritten und letzten Begegnung mit Mel Kowalski kommen. Die Ereignisse von Miami Beach, Chicago und Baltimore schwirrten durch Roberto Tardellis Kopf. Es waren viele bedauerliche Dinge passiert, doch nun wollte der Mafiajäger hinter all diese Geschehnisse einen dicken Schlusspunkt setzen.
Roberto glitt in Patanas Arbeitszimmer.
Der Boss von „Black Friday“ saß leichenblass an seinem Schreibtisch.
Mel Kowalski stand davor. Er hielt eine Beretta mit Schalldämpfer in seiner Rechten.
Ein Mann ohne Gewissen hätte zuerst den Killer tun lassen, weswegen er in dieses Haus gekommen war und hätte erst