Herr Sagloba war zu sehr bekannt, als daß sein Name lange hätte verborgen bleiben können. Übrigens machte er gar kein Geheimnis daraus, und der Fürst geriet noch mehr in Wut; aber er erschrak auch nicht wenig, als er hörte, daß ihm ein so populärer Mann gegenüberstehe, den man nicht so leicht über den Haufen rennen konnte.
Auch Sagloba kannte seine Macht, denn als anfangs Drohungen laut wurden, sagte er einmal auf einer großen Adelsversammlung:
»Ich weiß nicht, ob es jemand von Vorteil sein könnte, wenn mir ein Haar gekrümmt würde. Die Wahl steht bevor, und wenn hunderttausend Freundesdegen sich zusammentun, so könnte leicht ein Regen von Streichen kommen ...«
Diese Worte drangen auch zum Fürsten; er biß die Lippen zusammen und lächelte verächtlich; aber in der Seele dachte er doch, daß Sagloba recht habe. Am folgenden Tage waren seine Absichten gegen den alten Ritter offenbar schon andere, denn als eines Tages an der Tafel des Fürst-Truchseß jemand von ihm sprach, sagte Boguslaw:
»Er will mir nicht wohl, dieser Edelmann, wie ich höre, aber ich habe ritterliche Männer so gern, daß ich, selbst wenn er fortfahren sollte, mir zu schaden, nicht aufhören könnte, ihm gut zu sein.«
Und eine Woche später wiederholte er dasselbe Herrn Sagloba ins Gesicht, als sie sich bei dem Großhetman Sobieski begegneten.
Herrn Sagloba schlug, wenngleich seine Züge ruhig und voll Mut blieben, das Herz in der Brust bei dem Anblick des Fürsten. Er war doch immer ein Herr von weitreichender Gewalt und ein Menschenfresser, den alle fürchteten. Dieser aber sprach zu ihm über die ganze Tafel hinweg:
»Werter Herr Sagloba, ich habe schon erfahren, daß Ihr, obgleich Ihr nicht Reichsbote seid, mich unschuldigerweise aus dem Reichstag habt entfernen wollen. Aber ich verzeihe Euch das christlich und werde Euch, wenn es irgend nottut, meine Hilfe nicht versagen.«
»Ich habe mich streng an die Konstitution gehalten,« antwortete Sagloba, »was ein Edelmann tun muß, quod attinet; was die Protektion betrifft, so ist in meinem Alter wohl die göttliche am nächsten, denn ich nähere mich den neunzig.«
»Ein schönes Alter, wenn es so tugendhaft wie lang war, woran ich übrigens beileibe nicht zweifeln will.«
»Ich habe dem Vaterland und meinem Herrn gedient und habe fremde Götter nie gesucht.«
Der Fürst runzelte ein wenig die Stirn.
»Ihr habt auch gegen mich gedient, ich weiß das, aber laßt nun Frieden sein zwischen uns. Alles sei vergessen, auch das, daß Ihr fremden häuslichen Haß gegen mich geschürt habt. Mit dem Feinde dort werde ich noch abrechnen, aber Euch strecke ich meine Hand entgegen und biete Euch meine Freundschaft an.«
»Ich bin nur ein bescheidener Mann, solche Freundschaft ist für mich zu hoch. Ich müßte erst zu ihr heranklettern oder in die Höhe springen, und das fällt schwer in meinem Alter. Wenn Ew. Durchlaucht aber von einer Abrechnung mit Herrn Kmiziz, meinem Freunde, sprechen, so würde ich Euch von Herzen raten, diese Arithmetik aufzugeben.«
»Ei, warum das?« fragte der Fürst.
»Denn es gibt in der Arithmetik vier Spezies. Seht, wenn auch Herr Kmiziz ein recht schönes Vermögen hat, so ist es doch eine Fliege im Vergleich zu Ew. Durchlaucht; demnach wird Kmiziz mit Dividieren nicht einverstanden sein; mit dem Multiplizieren wird er sich selbst befassen; Subtrahieren wird er sich nichts lassen, er könnte höchstens etwas addieren, und ich weiß nicht, ob Ew. Durchlaucht danach begierig wären.«
Obgleich Boguslaw im Wortgefecht nicht ungeübt war, so setzten ihn doch die Ausführungen Saglobas oder seine Kühnheit so sehr in Erstaunen, daß ihm die Zunge im Munde starr blieb. Die Anwesenden schüttelten sich vor Lachen, und Herr Sobieski sagte unter schallendem Gelächter:
»Das ist ein alter Kämpe, er kann mit dem Säbel dreinhauen, aber er versteht auch mit der Schärfe der Zunge zu spielen. Es ist gescheiter, ihn in Frieden zu lassen.«
Boguslaw, der einsah, daß er auf einen Unversöhnlichen gestoßen war, versuchte auch nicht mehr, Sagloba für sich zu gewinnen; er begann ein Gespräch mit einem anderen und warf nur von Zeit zu Zeit dem alten Ritter böse Blicke über den Tisch zu.
Aber der Herr Hetman Sobieski war recht angeheitert und sprach weiter:
»Ihr seid ein Meister, Herr Bruder, ein rechter Meister! Habt Ihr wohl schon Euresgleichen in dieser Republik gefunden?«
»Mit dem Schwerte,« antwortete der geschmeichelte Sagloba, »kommt mir Wolodyjowski gleich; aber auch Kmiziz ist kein übler Schüler von mir.« Bei diesen Worten warf er einen schielenden Blick auf Boguslaw; aber dieser tat, als hörte er nichts, und sprach emsig weiter mit dem Nachbar.
»Bah,« sagte der Hetman, »Wolodyjowski habe ich manchmal bei der Arbeit gesehen, und ich würde für ihn bürgen, wenn es sich auch um das Schicksal der ganzen Christenheit handelte. Schade, daß ein solcher Rittersmann wie vom Blitz getroffen ward.«
»Was ist ihm geschehen?« fragte Sarbiewski, der Schwertträger von Tschiechanow.
»Seine geliebte Braut ist ihm unterwegs in Tschenstochau gestorben,« antwortete Sagloba, »und das schlimmste ist, ich kann nirgends erfahren, wo er sich jetzt befindet.«
»Beim Himmel,« rief darauf Herr Warschyzki, der Burgvogt von Krakau, »bin ich ihm doch, als ich nach Warschau kam, unterwegs begegnet! Er fuhr auch hierher und gestand mir, daß er die Welt und ihre Beschwerden satt habe und auf den Mons Regius[B] gehe, um in Gebet und Andacht sein verhärmtes Leben zu beschließen.«
Sagloba griff mit der Hand in die Reste seines Scheitels. »Kamaldulenser ist er geworden! So wahr ich lebe!« rief er in höchster Verzweiflung.
Die Mitteilung des Burgvogts machte auf alle übrigen einen großen Eindruck. Sobieski, der tapfere Soldaten gern hatte und selbst am besten wußte, wie sehr das Vaterland solcher bedürfe, grämte sich sehr und sagte:
»Dem freien Willen des Menschen und dem Ruhm Gottes darf man nicht zuwiderhandeln; aber es ist schade, und es wird mir schwer, den Herren zu verbergen, daß es mir weh tut. Das war ein Rittersmann aus des Fürsten Jeremias Schule, gegen jeden Feind ausgezeichnet und erst gegen die Horde und das Gesindel unvergleichlich. Es gibt wenige solcher Meister im Kleinkrieg, in der Steppe, höchstens noch Piwo unter den Kosaken und Herrn Ruschtschyz in der Linie; aber auch die sind mit Wolodyjowski nicht zu vergleichen.«
»Ein Glück, daß die Zeiten etwas ruhiger sind,« erwiderte der Schwertträger von Tschiechanow, »und daß die Heiden getreulich die Verträge wahren, die das unbesiegbare Schwert meines Wohltäters ihnen abgerungen hat.«
Hier verneigte sich der Schwertträger vor Herrn Sobieski, dieser aber freute sich im Herzen über das öffentliche Lob und antwortete:
»In erster Reihe war es die Güte Gottes, die mir gestattete, mich an die Schwelle einer Republik zu legen und dem Feinde zuzusetzen, und in zweiter die stets bereite Entschlossenheit meiner guten Krieger. Daß der Khan die Verträge gern halten möchte, weiß ich, aber in der Krim selbst regt es sich gegen den Khan, und die Horde von Bialogrod versagte ihm den Gehorsam. Ich habe soeben Nachrichten erhalten, daß sich dort an der Grenze der Moldau Wolken zusammenziehen, und daß es Scharmützel geben kann; ich habe auch Späher ausgesandt, aber es sind zu wenig Mannschaften. Schicke ich hier einen Trupp hin, so werden an der anderen Seite zu wenig sein; gerade an erfahrenen Männern, die die Kriegsgebräuche der Horden kennen, fehlt es mir, und darum