Früher schon hörte ich, daß man in großen allgemeinen Krankenhäusern für arme Kranke, welche das teuere Chinin nicht auftreiben konnten, häufig die Badewanne gebrauchte, in den letzten Zeiten durchlief manche Zeitungen die mir freudige Kunde, daß man besonders in großen Militärspitälern Österreichs wieder angefangen habe, gewisse Krankheiten wie den Typhus mit Wasser zu behandeln. Warum, so möchte ich fragen, nur den Typhus? Warum nicht mit logischer Notwendigkeit all’ jene Krankheiten, die als giftige Früchte aus den Fieberpilzen hervorwachsen? Wer A sagt, muß B sagen. Mit Spannung warten viele auf das B, darunter auch manche Leute vom Fach.
Eine Bemerkung, die vielleicht besser bei den Waschungen stünde, möge gleichwohl hier sich anreihen. Nicht alle Kranken sind imstande, die Vollbäder zu benützen; manche sind vielleicht schon derart geschwächt, daß sie weder selbst sich heben und wenden, noch aus dem Bette gehoben werden können. Müssen solche Kranke der Kaltwasseranwendung verlustig gehen? Durchaus nicht. Unsere Wasser-Anwendungen sind so mannigfaltig, und jede einzelne Anwendung hat wieder so viele Grade und Stufen, daß der Gesündeste wie der Schwerkranke das für ihn und seinen Zustand Passende finden kann. Nur darum handelt es sich, die Anwendung gut auszuwählen.
Für einen Schwerkranken, der wegen zu großer Schwäche unfähig ist, die kalten Vollbäder zu gebrauchen, dienen als Ersatz die Voll- oder Ganzwaschungen, die bei jedem, auch dem schwächsten Kranken leicht im Bette vorgenommen werden können. Wie sie zu geschehen haben, sehe man bei den Waschungen. Sie werden wie die Vollbäder so oft wiederholt, als der Hitze- oder Bangigkeitszeiger einen hohen Grad, eine hohe Ziffer aufweist.
Gerade bei solchen ans Bett gefesselten Schwerkranken hüte man sich doppelt vor dem großen Fehler einer zu schroffen Anwendung. Man würde stets das Übel ärger machen.
Ich könnte jemanden nennen, der elf Jahre bettlägerig und ebensolange Zeit in ärztlicher Behandlung war. Auch Wasser-Anwendungen waren versucht worden; alles scheiterte. Nach der Heilung dieser Person, die in sechs Wochen erfolgte, erklärte der Arzt selbst, die Sache komme ihm wie ein Wunder vor. Er besuchte mich persönlich und wollte wissen, was denn geschehen. Der ganze Hergang sei ihm um so unbegreiflicher, als nach seinem Dafürhalten nicht mehr die geringste Tätigkeit in dem Körper vorhanden war und seine sämtlichen Anwendungen mit Wasser ohne Erfolg blieben. Ich nannte dem Herrn den einfachen Hergang und die noch einfacheren Wasserübungen. Wir beide sahen ein, einen glimmenden Kienspan löscht man nicht mit der Feuerspritze aus; sein Wasser war zu schroff, das meinige sachte, langsam, den Fassungskräften des elenden Körpers entsprechend zur Anwendung gekommen.
Mich hat es oft erbarmt, daß man hören und lesen muß, wie in manchen Anstalten und Häusern Leute zehn, zwanzig und mehr Jahre das Bett nie mehr verlassen können. Das sind bedauernswürdige Geschöpfe. So etwas begreife ich übrigens nicht und habe es nie begriffen, ganz wenige Ausnahmefälle abgerechnet; es hat ja auch die heilige Schrift ihren 38jährigen Kranken. Ich bin der festen Überzeugung, daß gar vielen dieser Betthüter und Betthüterinnen durch die einfachsten, mit Ausdauer und Pünktlichkeit fortgesetzten Wasseranwendungen wieder auf die Beine zu helfen wäre.
2. Das warme Vollbad
dient wie das kalte für Gesunde und Kranke.
Die Art und Weise, wie es genommen wird, ist eine zweifache.
Man steigt einmal in die mit Warmwasser so hoch angefüllte Badewanne (a), daß das Wasser den ganzen Körper überspült, kein Teil bloß, d. i. über Wasser, liegt. In dem Bade verweilt man 25–30 Minuten, dann geht man rasch in eine danebenstehende Wanne (b), die kaltes Wasser enthält, und taucht bis an den Kopf, nicht mit dem Kopfe, unter, oder in Ermangelung dieser zweiten Badewanne wäscht man den ganzen Körper möglichst rasch kalt ab. In einer Minute muß das kalte Bad, die kalte Waschung fertig sein. Schnell, ohne abzutrocknen, wirft man sich in die Kleider und macht bis zur völligen Trocknung und Erwärmung Bewegung (mindestens eine halbe Stunde) im Zimmer oder im Freien. Landleute können ruhig und sofort wieder zur Arbeit zurückkehren. Das Badewasser hat bei diesem ersten Bade eine Temperatur von 26–28°, bei älteren Personen von 28–30° R. Ich rate, mit einem Thermometer, das man leicht bekommt, mit Vorsicht und genau zu messen. Es genügt nicht, das Quecksilberröhrchen hineinzustecken ins Warme und sofort wieder herauszuziehen, dasselbe muß einige Zeit im Wasser belassen werden. Erst das Ruhigstehen des flüssigen Silbers gibt an, daß gut und lange genug gemessen sei. Wer immer das Bad bereiten mag, nehme es mit der Bereitung und der damit verbundenen Verantwortung ernst. Gleichgültigkeit und Schlendrian sind nirgends weniger am Platze als bei derart wichtigen Diensten der Nächstenliebe.
Fig. 5.
Die zweite Art, dieses Bad zu nehmen, ist folgende:
Die Badewanne wird gefüllt wie das erstemal, das Badewasser aber hat die höhere Temperatur von 30–35° R. Über die Zahl 35 sollen bei dieser Art Bäder die Wärmegrade nie steigen (wann, in welchen Fällen sie zur Anwendung kommen soll, muß stets extra gesagt sein), unter die Zahl 28 nie fallen; durchschnittlich rate und bereite ich sie selbst mit 31–33° R.
Bei diesem Bade geht man nicht einmal, sondern dreimal ins Warme, nicht einmal, sondern dreimal ins Kalte. Es ist dieses Bad das sogenannte warme Vollbad mit dreimaligem Wechsel. Das ganze Bad dauert akkurat 33 Minuten; die verschiedenen Wechsel verteilen sich auf diese Zeit also (man lege die Uhr auf ein Stühlchen neben die Wanne und zähle gut):
10 Minuten in das Warme,
1 Minute in das Kalte,
10 Minuten in das Warme,
1 Minute in das Kalte,
10 Minuten in das Warme,
1 Minute in das Kalte.
Mit Kalt muß ohne Ausnahme stets abgeschlossen werden. Gesunde, kräftige Leute setzen sich in die Wanne mit kaltem Wasser und tauchen langsam bis an den Kopf unter. Empfindsame Personen setzen sich und waschen rasch Brust und Rücken[9] ab, ohne unterzutauchen. Eine Ganzwaschung tut jedem, der die kalte Wanne zu sehr fürchtet, dieselben Dienste. Der Kopf wird nie naß gemacht. Sollte er naß geworden sein, so trockne man ihn ab; ebenso trockne man beim letzten Heraussteigen aus der kalten Wanne von allen Körperteilen die Hände allein, damit selbe beim Anziehen der Kleider diese nicht naß machen.
Bezüglich des Weiteren, insbesondere bezüglich der nach dem Baden notwendigen Bewegung gilt genau das beim ersten Bad Gesagte.
Ich schulde hier einige Bemerkungen.
Warme Bäder allein, d. i. ohne darauffolgende kalte Bäder oder kalte Waschungen, verordne ich niemals. Die erhöhte Wärme, zumal wenn sie längere Zeit andauert und einwirkt, stärkt nicht, sie schwächt und macht den ganzen Organismus schlaff; sie härtet nicht ab, sie macht die Haut gerade noch empfindsamer gegen alle Kälte; sie schützt nicht, sie bringt Gefahr. Das Warmwasser öffnet die Poren; es dringt kalte Luft ein, und die Folgen zeigen sich schon in den nächsten Stunden. Sämtlichen Übelständen helfen die auf die warmen Bäder folgenden Kaltbäder oder Kaltwaschungen (ich kenne keine warme Wasser-Anwendung ohne die darauffolgende kalte) gründlich ab; das frische Wasser stärkt, die erhöhte Wärme herunterdrückend; es erfrischt, die überflüssige Hitze gleichsam