Homestory - Seite 2. Beth MacLean. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beth MacLean
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894490
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Lächeln, für das er sich nicht einmal anstrengen musste.

      »Hi, Jake Crawford.« Er hatte bewusst eine Übung aus dem Sprechtraining angewandt und das ganze Volumen seines Brustkorbs genutzt, um seine Stimme tief und voll klingen zu lassen. Wie ein Platzhirsch, der all seine Vorzüge zur Schau stellte, schoss es ihm durch den Kopf. Im Ernst? Schlich sich da etwa ein wenig Prahlerei und Überheblichkeit ein? Was wollte er sich und diesem Typ beweisen? Entschlossen stoppte Jake seine Selbstanalyse. Anziehungskraft konnte man eben unmöglich logisch erklären.

      Eigentlich war es albern, dass er sich wie ein Teenager zu solch einem Verhalten hinreißen ließ.

      Nun war er mit einem Mal froh, dass der Ball im gegnerischen Feld lag. Für einen Moment hatte sein Gegenüber den Blick gesenkt und sich auf das Ergreifen von Jakes Hand konzentriert, um gleich darauf mit einem atemberaubenden Augenaufschlag den Blick wieder anzuheben. Jake bezweifelte, dass Berechnung dahinterstand. Dafür wirkte er zu … unschuldig. Vielleicht täuschte er sich aber auch. Ihm entging nicht, dass die ansonsten gerade Nase an der Wurzel von der Norm abwich und ein Bruch in der Linie zu erkennen war. Neugier regte sich in ihm. Was wohl die Ursache hierfür gewesen war? Ein Unfall? Oder täuschte seine sympathische Ausstrahlung und er hatte bei einer Schlägerei ordentlich einstecken müssen? Nun ja, erfahren würde er es ohnehin nicht.

      So nah bei ihm konnte Jake auch die Farbe der Iris ausgezeichnet erkennen und er fragte sich, wie stark das Blau wohl erst bei direktem Lichteinfall leuchten würde.

      Gletschersee. Das war die erste Assoziation, die sich in seinen Gedanken manifestierte. Ein eiskaltes, unergründliches Gewässer, in dem sich der wolkenlose Himmel spiegelte und in dem man für alle Ewigkeiten versinken würde, wenn man nicht aufpasste.

      Beinahe hätte Jake sich zu einem ›Wow!‹ hinreißen lassen. Ein flaues Gefühl breitete sich gefährlich intensiv in seiner Magengegend aus. Ein Gefühl, das er zwar kannte, das er jedoch eher mit der Schubkraft seines Privatjets in Verbindung brachte als mit einem Journalisten.

      Während die Sekunden verstrichen, hielt Jake ihn fest und registrierte dabei den festen Händedruck. Ein angenehmes Gefühl, auch wenn die Finger für eine gut temperierte Hotelsuite zu klamm waren.

      Sein Gegenüber hielt seinem Blick zunächst stand. Ob er allerdings auch diese Spannung wahrnahm, die zwischen ihren Körpern zu fließen schien, konnte Jake nicht beurteilen. Schließlich blinzelte der Fremde und unterbrach damit den Bann.

      Der Groschen schien endlich zu fallen. »Oh … ähm … Finley. Tom Finley«, stellte er sich verspätet vor. Nun gab es leider keinen Grund mehr, diese Nähe aufrechtzuerhalten. Jake ließ die Hand seines Gegenübers widerwillig los und deutete ein Nicken an. Irgendwie schlingerten beide durch die Begrüßung. Auch wenn sie vielleicht aus ganz unterschiedlichen Beweggründen nervös waren.

      »Tom«, wiederholte er und ließ die Silbe wie Schokolade im Mund schmelzen. Seinen Vornamen auszusprechen, der sich, wie Jake fand, harmonisch in das Gesamtbild einfügte, hatte etwas Intimes, Vertrautes.

      Anscheinend empfand jedoch nur Jake so. Tom Finley ließ sich zumindest nichts anmerken, das über Professionalität hinausging. Dabei hätte Jake so einiges dafür gegeben, zu sehen, wie der strenge Zug um seinen Mund sich in einem Lachen auflöste.

      »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen, Mister Crawford.« Mit einem intensiven Blick und einem Stirnrunzeln gab er zu verstehen, dass er es ernst gemeint hatte.

      »Bitte, einfach nur Jake.« Die Worte waren ausgesprochen, ehe er darüber nachdenken konnte. Jake stutzte, hielt das Lächeln jedoch aufrecht, während er seine Daumen in die Hosentaschen einhakte. Dort waren sie versteckt und verrieten nicht das Zittern. Was war nur los mit ihm? Er forderte diesen Journalisten geradezu dazu auf, die Distanz, auf die er sonst immer penibel bestand, abzubauen. Die Situation verselbständigte sich und der vernünftige Teil in ihm wusste, dass es eigentlich an der Zeit war, die Reißleine zu ziehen.

      Tom schien es ähnlich zu gehen. Er sah ihn irritiert an und zögerte, als hätte er vergessen, was er sagen wollte.

      Jake war machtlos dagegen, dass die Gedanken über Tom mehr Raum einnahmen, als er ihnen zugestehen wollte, doch Kisha kam ihm unerwartet zu Hilfe. Sie klapperte im Hintergrund geräuschintensiv mit ihrem Equipment, konnte es sich offenbar nicht verkneifen, sich bemerkbar zu machen. Außenstehenden mochte es nicht auffallen, aber Kisha schien es erkannt zu haben. Er verriet tatsächlich seine Prinzipien für diesen Mann!

      Ohne auf die Bemerkung über die persönliche Anrede einzugehen, die eigentlich eine unsichtbare Tür hatte öffnen sollen, wandte Tom sich ab, schien seine Gedanken zu ordnen und sich zu orientieren. Er hatte das Angebot ungenutzt verstreichen lassen, was eindeutig den Beigeschmack einer Abfuhr hatte. Etwas unschlüssig beäugte er die Sachen, die er mitgebracht hatte.

      In Jake gärte der Ärger über seinen unbedachten Vorstoß. Er hatte sich umgänglich zeigen und nicht verschreckend wirken wollen. Das freundschaftliche Auftreten überraschte und überforderte Tom offenbar.

      Natürlich konnte Jake mit Rückschlägen umgehen. Das war wichtig und eine gesunde Methode, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, die Anbindung an die Realität nicht zu verlieren. Auch in seinem Leben lief nicht immer alles glatt. Hier allerdings machte es ihm doch mehr aus, als er für möglich gehalten hatte. Er wollte eine Verbindung schaffen – wie auch immer diese dann aussah oder wie lange sie Bestand hatte.

      Jake beschloss, dass es besser war, erst einmal Ruhe einkehren zu lassen und eine neutrale Basis zu finden, auf der sie beide sich begegnen konnten. In Anbetracht des knappen Zeitrahmens ein anspruchsvolles Unterfangen.

      »Bitte.« Er ließ Tom den Vortritt – nicht nur aus Höflichkeit, sondern auch um die Gelegenheit zu nutzten, ungestört nochmals ein Auge auf ihn zu werfen. Unwillkürlich blieb sein Blick an Toms Hintern hängen, als er sich etwas vornüberbeugte und seine Kamera vom Tisch nahm. Etwas zu tun zu haben, schien ihm ein wenig Sicherheit zu verleihen. Er nahm ein, zwei Einstellungen vor, streifte Jake mit einem Blick und sah sich in der Suite um.

      Tom verlor wirklich keine Zeit. »Okay, dann schlage ich vor, dass wir gleich …«

      Ehe er den Satz beenden konnte, stürmte Kisha heran, den Pinsel unheilvoll erhoben.

      »Nein, nein, nein! Noch nicht!« Sie rauschte divengleich an Jake vorbei und machte erst kurz vor Tom Halt. Erstaunlicherweise wich er angesichts ihres herrischen Auftretens nicht einmal zurück, obwohl sie etwas von einer Löwin hatte, die ihre Jungen verteidigte. Jake zollte ihm insgeheim Respekt. Am Gesichtsausdruck konnte er jedoch zweifelsfrei erkennen, dass Kisha ihr Opfer dennoch überrumpelt hatte. Jake konnte nicht verhindern, dass er sich amüsierte, während er die beiden beobachtete. In Ehrfurcht erstarrt ließ Tom die Visagistin nicht aus den Augen und harrte der Dinge, die ihn vielleicht noch ereilen würden.

      Jake wusste, dass sie gehörig Eindruck machen konnte, wenn sie es drauf anlegte. In Momenten, in denen sie für etwas entbrannt war und es auch durchsetzen wollte, sprachen ihre Augen Bände. Je größer sie dann wurden, umso klüger war es, seinen Standpunkt nochmals zu überdenken, wenn man nicht unter die Räder kommen wollte.

      »Keine Fotos ohne mein professionelles Make-up. Ich habe einen sehr guten Ruf zu verlieren, Honey!« Jake atmete erleichtert auf. Tom Finley war durch dieses ›Honey‹ in einen erlesenen Kreis aufgenommen worden – innerhalb kürzester Zeit und sicher, ohne dass er sich dessen bewusst war. Nach welchen Kriterien seine langjährige Mitarbeiterin diese Adelung vornahm, blieb Jake ein Rätsel, aber es war tatsächlich so, dass ihre Einschätzungen sich mit den seinen deckten und er diese Personen ebenfalls sympathisch fand. Kisha vergab diese Auszeichnung äußerst sparsam und meist unbewusst, vermutete Jake, während er neben sie trat.

      Toms Blick streifte ihn. Wieder nahm das Blau ihm den Atem. Unglaublich! Ein kurzer Moment wie dieser genügte dafür völlig.

      Trotzdem nahm Jake die Unsicherheit wahr, die in seinen Augen aufblitzte. Der Arme! Wahrscheinlich wusste er jetzt überhaupt nicht mehr, was er noch tun durfte oder was er unter Kishas Regiment gefälligst zu lassen hatte.

      Er