„Vom Waschen ganz zu schweigen. Da war auch noch niemand aufgestanden, bevor wir geklingelt haben.“
„Kann sein. Ist mir im Prinzip auch egal, wenn ich nicht in dem Mief sitzen muss.“
„Jetzt sind wir so schlau wie vorher. Es nützt uns rein gar nichts, dass wir wissen, dass er es gerne sehr phantasievoll trieb.“
„Ich habe mir auch mehr davon versprochen, wenn ich ehrlich sein soll. Und dann haben die auch noch ein todsicheres Alibi.“
„Was heißt Alibi. Wir wissen noch nicht mal, ob es ein Verbrechen gegeben hat. Der Pfarrer ist wenigstens tot. Aber da tappen wir auch im Dunkeln.“
„Ja, völlig. Ob Kuhlmann sich noch mit anderen hier aus dem Umkreis getroffen hat? Vielleicht mit Fraas?“
„Jetzt bist du völlig übergeschnappt, Hetzer. Ein politischer Mittfünfziger mit einem alten katholischen Geistlichen? Das ist doch wohl mehr als unwahrscheinlich.“
„Da hast du wohl recht. Auf die Verbindung kam ich eben auch nur, weil wir in beiden Fällen rein gar nichts wissen. Vielleicht taucht Benno auch schon bald wieder auf.“
„Hoffentlich hast du das nicht wörtlich gemeint“, grummelte Peter. „Ich habe keine Lust auf eine weitere Wasserleiche. Es ist schon so kalt draußen. Sag mal, was hast du eigentlich mit dem Inhalt des Topfes gemacht?“
„Mit dem Inhalt? Ich habe den ganzen widerwärtigen Topf in die Mülltonne geschmissen.“
„Habe ich mich geirrt oder bewegte sich dessen Inneres?“
„Können wir vielleicht von etwas anderem reden? Ich möchte gleich noch kochen!“
„Klar, wir können darüber nachdenken, wer dir den Topf vor die Tür gestellt hat. Deine Nachbarin doch sicher nicht.“
„Moni habe ich heute Vormittag schon gefragt. Sie hat gleich ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie den versprochenen Eintopf noch nicht gekocht hat. Aber sie hatte mir nichts hingestellt.“
„Das ist doch aber merkwürdig. Kann es einer deiner anderen Nachbarn gewesen sein? Freunde, Bekannte mit einem schlecht funktionierenden Kühlschrank? Jemand, der unter deinen Kochkünsten gelitten hat? Jemand, der dir einen Schreck einjagen wollte?“
Hetzer wurde innerlich kalt. Ihm fiel wieder ein, dass seine beiden Wachposten an dem Abend, bevor Peter vorbeigekommen war, so ein Spektakel gemacht hatten.
„Peter, erinnerst du dich, dass ich dich gefragt hatte, ob du vorher schon einmal da gewesen warst? Gestern Abend meine ich.“
„Stimmt, das hattest du gesagt. Also muss vor mir jemand an deiner Tür gewesen sein, der etwas abgestellt hat. Aber wer?“
„Keine Ahnung. Man kann allerdings nicht behaupten, dass es ein Akt der Nächstenliebe oder Zuneigung war. Eher im Gegenteil.“
„Wer also könnte etwas gegen dich haben? Sind wir vielleicht doch im Fall Fraas oder Kuhlmann auf irgendeiner Spur, von der wir nichts wissen?“
„Nee, nee, da habe ich mich schon einmal zum Horst gemacht, als ich Mica die Ratte gebracht hatte. Den Triumph gönne ich ihr nicht ein zweites Mal. Darum habe ich den Topf sofort weggeschmissen.“
„Hmm, eine tote Ratte vor der Haustür ist etwas anderes als ein Topf mit verdorbenem Fleisch. Die Ratte kann von einer Katze erlegt worden sein. Der Schweinebraten kann sich nicht selbst in den Topf und mit ihm auf deine Matte gelegt haben. Das ist ein Unterschied.“
„Trotzdem, Peter, lass es gut sein. Weg ist weg.“
„Wie du meinst“, erwiderte Kruse, der vor Hetzers Tor hielt, „aber sei wachsam.“
„Dafür habe ich Emil und Gaga“, lachte Wolf, mehr, um der Sache das Gewicht zu nehmen. Etwas war faul – nicht nur das Fleisch. Und er hatte heute etwas gehört, das von Bedeutung war, aber er konnte es nicht fassen. Es war in sein Bewusstsein eingedrungen und lag dort verborgen unter der Oberfläche.
Albtraumnacht
Hetzer rührte und rührte. Er stand auf einem riesengroßen Gerüst. Sein Löffel war knapp drei Meter lang. Das Rühren fiel ihm unendlich schwer. Die Hitze der Flammen stieg am Topf empor und durch das Gerüst auch zu ihm hinauf. Es war längst zu heiß geworden. Sogar seine Füße brannten. Lange würde er es hier nicht mehr aushalten. Springen konnte er nicht, ringsum nur Flammen oder der Tod, wenn er falsch aufkam. Er musste rühren. Das Gulasch war noch nicht fertig. Wenn der Riese kam und merkte, dass das Fleisch noch nicht zart war, würde er wieder kopfüber aufgehängt werden. Eine gemeine Strafe.
Wenn der Riese ganz gemein war, hängte er ihn so über die Flammen, dass er den Geruch seiner verbrannten Haare in der Nase hatte. Im Topf brodelte es jetzt. Die weißlichen Fleischstücke kamen wieder und wieder an die Oberfläche und grinsten ihn an. Sie wollten nicht gar werden. Sie lebten noch.
Zuerst hatte er gedacht, sie bewegten sich durch das Brodeln, aber nein. Sie tanzten und lachten. Die Hitze schien ihnen nichts auszumachen. Immer höher stieg das Gulasch im Topf. Er hatte nichts, um die Flamme kleiner zu stellen. In seiner Not pinkelte er ins Feuer, aber das half auch nur für einen kurzen Moment. Er hörte jetzt, dass die länglichen Fleischstücke auch singen konnten.
Sie zischten. Einmal schwamm eines länger an der Oberfläche hin und her und kicherte:
„Ist dir heiß? Das macht nichts. Was du nicht hast, kann nicht verbrennen!“
Wolf rührte den Fleischwurm weg. Ekelig, was der Riese so aß. Und was sollte das überhaupt bedeuten. Was hatte er nicht, das nicht verbrennen konnte?
Wieder und wieder kamen die ekeligen Dinger nach oben und stiegen gleichzeitig im Topf in die Höhe.
Er musste sich entscheiden. Flamme oder siedender Sud. Da kam ihm die Idee. Der Löffel, mit dem er jetzt schon seit Stunden rührte, war aus Holz. Kurz bevor das Gulasch überkochte und dabei die Flamme löschte, schwang er sich an den Löffel und balancierte wie ein Matrose im Ausguck auf dem Mast. Nur, dass der fest hielt.
Gerade, als er sich nicht mehr halten konnte, ging die Tür auf ...
Wieder einmal wachte Wolf schweißgebadet auf. Was waren das nur für Träume?
Gaga begleitete ihn hinunter in die Küche. Ihm war noch jetzt ganz schummerig. Der Traum hatte ihn an den Topf erinnert. Ekelig. Ob Peter doch recht gehabt hatte? Egal, er fischte das Ding jetzt nicht mehr aus dem Müll. Im Geiste hörte er Peter, der sagte „Das kann auch die Spusi machen!“. Auch wenn er recht hatte, Wolf wollte seine Ruhe haben. Und morgen würde er ausspannen. Da war Sonntag. Schon in der Frühe ein gemütliches Feuer im Ofen und alles würde gut. Mit diesem tröstenden Gedanken schlief er nach einem Glas Milch den Rest der Nacht traumlos und genoss den freien Tag, bis sein Telefon klingelte.
In der Eulenburg
Das Blut, das aus der Wunde geflossen war, glich nur im ersten Moment versengter Wüstenerde. Doch es lag ein Glanz auf der Oberfläche der Kruste, die sich an manchen Stellen wölbte oder in rotbraunen Zacken vom Boden abstand.
Ein beinahe faszinierendes Stillleben, wäre da nicht ein zu gut abgehangener Körper gewesen, der an einem Seil von der Decke hing – gerade so tief, dass die Hände nicht auf den Boden reichten und das Blutbild zerstörten.
Der Gestank war widerlich, genau wie das Wimmeln weißer Maden, die aus der klaffenden Halswunde und den Körperöffnungen ein- und auskrochen.
In der Luft lag ein leichter Brandgeruch. Er konkurrierte mit dem der Verwesung und schien zu unterliegen. Wo vorher Bein-, Scham- und Brusthaare gewesen waren, zeigte der Körper Verbrennungen. Der Kopf war gänzlich schwarz. Jemand musste die Haare von der Haut geflammt haben. Wie bei einem geschlachteten Schwein,