Roland Emmerich. Jo Müller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jo Müller
Издательство: Bookwire
Серия: Film-Literatur
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454786
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Waschmaschinenfabrik.“ Aber wir arbeiten hier zum Teil mit Visual Effects und Tricks, die übersteigen bei Weitem das, was Produktionen wie Das Boot hatten. Auch was Lichtquantität und Technik angeht, hatten wir mehr als Das Boot. Im Übrigen wird kein Kritiker meinen Film vor dem Start sehen, es wird nur Previews geben. Die Zuschauer sollen selbst entscheiden, ob ihnen der Film gefällt, und eben nicht irgendwelche Leute, die über Film schreiben. Ich mache solche Previews mit Zuschauern, um zu testen, ob der Film gut oder schlecht läuft. Das ist das Einzige, was mich interessiert. Ich sehe bei einer solchen Vorführung, was beim Publikum ankommt und was nicht. Gegebenenfalls werde ich danach dieses oder jenes an dem Film korrigieren. Wir starten dann mit 100 Kopien und nach ungefähr vier Vorstellungen weiß ich, ob ich den richtigen Film gemacht habe. Das ist alles, was zählt, alles andere interessiert mich nicht.

      Was ist Ihr nächstes Projekt?

      RE: Ich schreibe gerade zwei Bücher. Es sind zwei Stoffe, die ich schon immer machen wollte. Das eine ist eine Neuverfilmung von Robinson Crusoe. Diesmal eben im Weltall, in der Zukunft. Robinson Crusoe ist dort ein 14-jähriger Junge.

      … Hört sich ein bisschen wie Robinson Crusoe auf dem Mars an …

      RE: Jaja, es gibt auch John Carter vom Mars. Übrigens lese ich überhaupt keine Science-Fiction-Romane oder besser gesagt nur ganz wenige. Ich finde die meisten ziemlich schrecklich. Aber Science Fiction ist eben ein Genre, eine Film-Form, die sich sehr gut zum Erzählen von Geschichten eignet.

      Die andere Story, die ich momentan entwickle, heißt Nekropole (wurde 1994 von Emmerich unter dem Titel Stargate verfilmt, Anm. d. Autors). Der Film soll den Ursprung der Pyramiden zum Thema haben. So ein bisschen von Däniken angehaucht. Erich von Däniken ist, glaube ich, ein ziemlicher Spinner, aber er schreibt gute Geschichten. Ich meine: Ob die jetzt wahr sind oder nicht – das ist mir egal.

      Hollywood Monster:

      Bubenstreich in der Traumfabrik

      Die Welturaufführung von Joey findet nicht in einer klassischen deutschen Premieren-Stadt wie Berlin, München oder Hamburg statt, sondern im Sindelfinger Kino Neues Central. Die Feier erinnert an eine gemütliche Familienfete, es gibt Wein, Butterbrezeln und viele gutgelaunte Premierengäste, von denen viele an Joey mehr oder weniger direkt mitgearbeitet haben. Nach der Vorführung treten die Hauptdarsteller vor die applaudierenden Zuschauer. Neben ihnen auf der Bühne ein schlaksiger, unauffällig gekleideter Mann, der unruhig von einem Bein aufs andere tritt. Verlegen grinst er ins Publikum, so als wolle er allen klarmachen, dass er hier oben eigentlich gar nichts zu suchen, er sich schlichtweg nur verlaufen habe, was ja jedem mal passieren kann. Doch weil es sich bei ihm um Roland Emmerich, den Regisseur, handelt, bleiben alle Blicke unbarmherzig auf ihn gerichtet.

      Im Kinosaal ebbt der Gesprächslärm ab, dann wird es mucksmäuschenstill. Die Zuschauer warten gespannt auf eine Rede des Regisseurs, die schließlich zu einer solchen Filmfeier dazugehört. Es gibt jedoch kaum etwas, das Emmerich weniger leiden kann, als Ansprachen dieser Art zu halten, doch er weiß auch, dass er dem Wunsch nachzukommen hat. „Bei Premieren“, so beginnt er schließlich, „wird ständig der Name des Regisseurs in den Mittelpunkt gestellt. Mir ist das eher peinlich. Ohne Teamwork wäre die Herstellung eines Films nicht möglich.“ Und so lenkt er geschickt die Aufmerksamkeit auf die anderen anwesenden Teammitglieder, um sich selbst schnellstmöglich aus dem Staub machen zu können.

      Emmerich hält nichts vom Rummel um seine Person, er versucht, sich im Hintergrund zu halten. Blitzlichtgewitter gehört zu seinem Beruf, aber er sucht es nicht. Mag der schwäbische Filmtüftler sicherlich auch Schwächen haben, Eitelkeit gehört definitiv nicht dazu. Überhaupt ist er, während die Premierenfeier von Joey stattfindet, gedanklich schon wieder voll mit der Vorbereitung eines neuen Films beschäftigt. Und dieser hat mit Roland Emmerichs Faszination für das Thema UFO-Entführungen zu tun. Er möchte eine Komödie um ausgeflippte Aliens inszenieren, die regelmäßig Menschen kidnappen und in ihr Raumschiff beamen. Einer kleinen Gruppe von Entführungsopfern gelingt schließlich aber die Flucht.

      Mehrere Monate lang entwickelt der Regisseur mit seinem Team ein brauchbares Story-Gerüst, um daraus ein Treatment zu erstellen. Doch dann wird das Projekt auf Eis gelegt, weil Gerüchte aus Amerika von einer ähnlichen Produktion berichten, die Spielbergs Schützling Joe Dante dreht. Dessen satirisches Science-Fiction-Abenteuer Explorers – Ein phantastisches Abenteuer erzählt von drei Jungs, gespielt von River Phoe­nix, Jason Presson und Ethan Hawke, die von Außerirdischen zu einem Besuch eingeladen werden. Die Wesen aus dem Weltraum senden dem Trio mittels Träumen Schaltpläne für einen Kraftfeldgenerator, der es ermöglicht, zu ihrem Raumschiff zu reisen. Als die amerikanischen Vorstadtkinder im Bauch des fremden Astrokreuzers auf ihre Gastgeber treffen, steht ihnen eine Enttäuschung bevor. Denn diese entpuppen sich als schleimige Tentakelmonster, die ihre Zeit vor einem riesigen TV-Bildschirm vergeuden und deshalb nur in Form von Zitaten sprechen, die sie im Fernsehen aufgeschnappt haben. Die Welt der Außerirdischen scheint den Besuchern von der Erde damit genauso öde wie die ihres eigenen Planeten.

      Dante wollte mit Explorers eine Satire auf die umfassendes Heil versprechende Märchenwelt Spielbergs inszenieren – und landete damit einen grandiosen Flop. Emmerich indes, der sein Projekt Skynappers gestoppt hatte, dachte da längst über eine neue Idee nach. Diese geisterte in seinem Kopf herum, seit er nach den Dreharbeiten von Joey erstmals Los Angeles besucht hatte. Bis dahin hatte er nur die Ostküste der Vereinigten Staaten kennengelernt. Die Metropole am Pazifik hinterließ einen nachhaltigen Eindruck bei ihm, denn er fand es faszinierend, dort gleichsam jeden Platz zu kennen, ohne jemals da gewesen zu sein. Emmerich war mit L.A. im Allgemeinen und Hollywood im Besonderen ausschließlich dank des Kinos und der Fernsehnachrichten vertraut. Weshalb also, so fragte er sich, nicht eine Story über zwei Filmfreaks aus L.A. entwickeln? Zum einen reizte ihn an dieser Idee, endlich in der Stadt der großen Kino-Illusionen zu drehen. Zum anderen lag es nahe, eine Story zu erzählen, in der sich seine eigenen Erfahrungen im Filmgeschäft einbringen ließen. Im Gegensatz zu Joey, in dem er seinen filmischen Vorbildern liebevollen Respekt zollte, wollte er diesmal allerdings einen Streifen mit autobiografischen Zügen inszenieren.

      Die Kamera bewegt sich aus einem Gestrüpp heraus auf ein Haus zu. Wir sehen überall Weihnachtslichter. Im Inneren des Gebäudes sitzen zwei Teenager auf dem Sofa. Ein Junge und ein Mädchen. Sie schauen sich im Fernsehen den Schwarzweiß-Gruselklassiker Die Nacht der lebenden Toten an. Dabei versucht der Junge, ihr näher zu kommen, was sie zu verhindern trachtet. Währenddessen bewegt sich die Kamera von außen weiter auf die Tür zu. Auf dem Fernsehbildschirm ist dann zu sehen, wie jemand ein Messer packt. Und nun erkennen wir auch ein Messer, als sich die Kamera dem Jungen und dem Mädchen auf dem Sofa unaufhaltsam nähert. Die beiden küssen sich inzwischen. Doch plötzlich schreit das Mädchen auf, beschwert sich bei dem Jungen, er habe seine Zunge benutzt, und reißt sich die blonde Perücke vom Kopf. Und wir erkennen: Das Ganze ist nur Teil einer Filminszenierung. Das Mädchen ist Laurie (Jill Whitlow), der Junge Warren (Jason Lively). Und neben der Kamera sitzt verzweifelt Fred (Tim McDaniel), der die Einstellung wieder nicht in den Kasten bekommen hat.

      Laurie verlässt wütend den Drehort und lässt Warren und Fred allein im Haus zurück. Dieses zeichnet sich durch unzählige Technik-Gimmicks aus. Fred ist ein passionierter Bastler und Fan von Gruselfilmen. Warren dagegen ist ein Gelegenheitsschauspieler, der sich selbst gern in Szene setzt und im Gegensatz zu Fred das Leben locker nimmt. Beide haben jedoch eins gemeinsam: Sie sind total pleite!

      Dann erhält Warren eine Ladung zur Testamentseröffnung. Es geht um die Hinterlassenschaften seines verstorbenen Vaters. Mit ihrem Leichenwagen fahren die beiden durch L.A. Was weder Warren noch Fred bemerken, ist jedoch, dass ihnen eine weiße Limousine folgt. In ihr sitzt Filmproduzent Stan Gordon (Paul Gleason).

      Während Fred im Auto wartet, begibt sich Warren in das Büro des Testamentsvollstreckers, der ihm nichts weiter als einen Pfandleihschein übergibt. Beim Pfandleiher erhalten die beiden wenig später einen verschlissenen Koffer mit einer alten Kaminuhr und anderem wertlosen Zeug. Als Warren auf der Straße mit Laurie telefoniert, um sie doch noch davon zu überzeugen, bei ihrem Projekt mitzumachen, versucht Gordon, Fred den Koffer zu stehlen. Was indes misslingt.

      Des Nachts