Roland Emmerich. Jo Müller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jo Müller
Издательство: Bookwire
Серия: Film-Literatur
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454786
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Projekt wird gestoppt. Es folgt eine Krisensitzung. Roland Emmerich, der seit Monaten an dem Film arbeitet, berät sich mit seinem Vater Hans (16.2.1923 – 1.1.2005), der schon von Anfang an sein finanzieller Berater ist.

      Als Hans Emmerich, der im Nachkriegs-Deutschland zusammen mit seinem Bruder Heinz höchst erfolgreich die Kleinmotoren-Gesellschaft SOLO gründete, Anfang der 1980er Jahre durch seinen Sohn mit der Filmwelt in Berührung kommt, betrachtet er dieses Metier aus der Sicht des versierten Geschäftsmannes. Sofort macht er sich mit den Mechanismen des Marktes sowie den Zahlen und Fakten vertraut. Selbstverständlich studiert er auch alles zum Thema Filmförderungs- und Finanzierungs-Möglichkeiten. Es ärgert ihn natürlich maßlos, dass die Finanziers seinen Sohn mitten in den Dreharbeiten im Stich zu lassen gedenken, weshalb er vorschlägt, eine eigene Filmproduktions-Gesellschaft zu gründen, an der auch Roland und seine Schwester Ute beteiligt sein sollen.

      Am 26. Januar 1982 wird die „Filmgemeinschaft Arche Noah Prinzip“ gegründet, die man einige Jahre später in „Centropolis“ umtauft. Der Name ist eine Anspielung des Regisseurs auf einen seiner Lieblingsfilme, den Science-Fiction-Klassiker Metropolis von Fritz Lang. Mit dieser eigenen Produktionsgesellschaft ist es ihm nun möglich, die Herstellung seiner Filme maßgeblich selbst zu kontrollieren sowie die Einflussnahme von Co-Produzenten auf ein Minimum zu reduzieren.

      Interview mit Hans Emmerich:

      „Chaotische Verhältnisse“

      Wie haben Sie als schwäbischer Geschäftsmann, der sein Geld bevorzugt mit Rasenmähern und Spritzpumpen verdient, den Einstieg Ihres Sohnes ins Filmgeschäft erlebt?

      HE: Ich war etwas irritiert wegen der chaotischen Verhältnisse, die bei Rolands erster Produktion in finanzieller Hinsicht herrschten. Es war zum Teil recht abenteuerlich, wie dort Kostenkalkulationen erstellt wurden. Aber die Finanzierung wurde natürlich von Film zu Film geordneter und damit besser und professioneller. Weil uns nicht so viel Geld zur Verfügung stand, mussten wir natürlich bei den Produktionen sparen, wo immer es möglich war. Ich bemerkte im Laufe der Zeit, dass es ein großer Fehler war, sich mit anderen Produzenten die Herstellungsrechte zu teilen. Wenn Sie einmal Rechte abgeben, können Sie an diesem Zustand nichts mehr ändern und es kann Ihnen später sehr viel Ärger einbringen. Bei den ersten Produktionen waren wir nur zu 50 Prozent beteiligt, dann mit 60 und bei Moon 44 schließlich mit 100 Prozent. Wir hatten einfach zu viele schlechte Erfahrungen gemacht mit zusätzlichen Rechte-Inhabern:

      Beraten Sie Ihren Sohn auch heute noch in finanziellen und produktionstechnischen Fragen?

      HE: Nein! Das letzte Mal, dass er mich zu Rate zog, war, als er das Angebot bekam, nach Hollywood zu gehen. Da prüften wir gemeinsam die Verträge. Von hier aus in Amerika mitzumischen, ist völlig unmöglich. Wir hatten damals die Idee, den Film in Deutschland zu drehen, aber das zerschlug sich im Laufe der Zeit. Ich bin aber auch ganz froh darüber, dass ich damit nicht mehr so viel zu tun habe. Es war für mich eine Zusatzbelastung, vor allem wegen der zahlreichen unerquicklichen Rechtsstreitigkeiten.

      Haben Sie sich nie gewünscht, dass Roland in Ihre Firma einsteigt?

      HE: Das stand nie zur Debatte. Es war uns schon früh klar, dass er einen künstlerischen Beruf ergreifen wollte, schließlich las und zeichnete er unentwegt. Er interessierte sich für alles, bloß nicht für unsere Maschinen. Ich trug es damals mit Fassung, dass er zur Filmhochschule wollte, weil ich wusste, dass seine Chancen, aufgenommen zu werden, sehr gering waren. Als er dann doch einen Studienplatz bekam, habe ich nicht schlecht gestaunt. Als er mit seinem Debüt Das Arche Noah Prinzip für so viel Aufsehen sorgte, war ich überzeugt davon, dass er alles richtig gemacht hatte.

      Wie erleben Sie den Erfolg Ihres Sohnes?

      HE: Wenn man sich die Geschichten vieler älterer Regisseure anhört, erfährt man, dass es oft Jahre dauern kann, bis man in Hollywood die Möglichkeit bekommt, Projekte zu realisieren. Während damit viele Regisseure lange auf ihren Erfolg warten müssen, ging es bei Roland im ICE-Tempo. Ich konnte es eigentlich gar nicht glauben. Mittlerweile werde ich natürlich ständig von Leuten auf Roland angesprochen und bekomme auch jede Menge Briefe von Filmbegeisterten, die uns Bewerbungen schicken. Aber da können wir natürlich nicht weiterhelfen, Roland hat sehr viel zu tun und die amerikanische Filmbranche hat ihre eigenen Gesetze. Deshalb bekommen alle ihre Schreiben mit einem freundlichen Brief zurückgeschickt.

      Joey:

      Emmerich huldigt seinem Vorbild

      Sommer 1984. Roland Emmerich beginnt mit den Dreharbeiten zu Joey, einem Fantasy-Film um einen parapsychologisch begabten Jungen, der mit der Geisterwelt kommuniziert. Währenddessen lässt jenseits des Großen Teichs Indiana Jones und der Tempel des Todes die Kinokassen klingeln und spielt 180 Millionen Dollar ein. Es ist der jüngste Kassenrenner von Emmerichs Idol Steven Spielberg, dem erfolgreichsten Filmemacher aller Zeiten. Seinen ersten Blockbuster hatte der US-Regisseur zehn Jahre zuvor, als 27-Jähriger mit dem legendären Schocker Der weiße Hai. Danach folgten der UFO-Thriller Unheimliche Begegnung der dritten Art, der Abenteuerfilm Jäger des verlorenen Schatzes und das Science-Fiction-Märchen E.T., Spielbergs bis dato persönlichster Film. Mit dem außerirdischen Runzelgnom, der von seinen Artgenossen aus Versehen auf der Erde zurückgelassen und zum besten Freund eines einsamen kleinen Jungen wird, schuf er eine Figur, die er sich selbst, als er die Scheidung seiner Eltern miterleben musste, oft herbeigesehnt hatte.

      Spielberg war ein ähnlicher Außenseiter wie der kleine Elliott im Film, fühlte sich allein und hätte gerne jemanden wie E.T. an seiner Seite gehabt. Das anrührende Science-Fiction-Epos kostete nur zehn Millionen Dollar, brach aber sämtliche Kassenrekorde und wurde zu einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Unter den Zuschauern, die 1982 in die Kinos strömten, war auch Roland Emmerich, damals noch Student an der Münchner Filmhochschule und gerade beschäftigt mit der Herstellung seines ersten eigenen Spielfilms Das Arche Noah Prinzip. Die Machart und emotionale Kraft von E.T. hinterließen einen bleibenden Eindruck beim Jung-Regisseur und so keimte in ihm bald die Idee, eine Hommage auf das Hollywood-Phantastik-Kino im Allgemeinen und E.T. im Besonderen zu inszenieren. Von der ursprünglichen Idee, eine Reinkarnations-Komödie für Erwachsene zu drehen, entfernte er sich dann aber wieder und entwickelte stattdessen ein Fantasy-Spektakel für Kids.

      Die Geschichte handelt vom neunjährigen Joey (Joshua Morrell), der in einer amerikanischen Kleinstadt lebt und sich weigert, den Tod seines Vaters zu akzeptieren. Der Film beginnt mit einer vertikalen Kranfahrt, in der wir einen Leichenwagen und eine Phalanx von Autos auf die Kamera zufahren sehen. Wir werden Zeuge einer Beerdigung. Der kleine Joey sitzt völlig paralysiert da und nimmt die Kondolenzbekundungen wie in Trance auf. Der Tod seines Vaters stürzt den Kleinen in tiefe Verzweiflung. Zu Hause sitzt er in seinem Zimmer und betrachtet ein altes Foto von sich und seinem Daddy beim Basketballspiel. Joey erinnert sich an die schönen Zeiten und meint: „Bitte, Daddy, komm zurück!“

      Just in diesem Moment scheint er parapsychologische Fähigkeiten zu entwickeln, schafft er es doch allein dank seiner Willenskraft, einen rollenden Ball zu stoppen. Plötzlich beginnen sich verschiedene Spielzeuge in seinem Zimmer wie von Geisterhand zu bewegen: Karten fliegen durch die Luft, ein Spielzeug-Affe zieht Grimassen, Bälle beginnen zu leuchten, ein Miniatur-Polizeiauto fährt durchs Kinderzimmer. Dann watschelt auch noch der kleine weiße Roboter Charlie auf ihn zu und gibt aufgeregte Pieps-Geräusche von sich. Noch unheimlicher wird das Ganze, als plötzlich ein rotes Spielzeug-Telefon aus Plastik zu klingeln beginnt. Am anderen Ende meldet sich Joeys toter Vater: Der Kleine unterhält sich unter seiner Return of the Jedi-Bettdecke mit ihm.

      Währenddessen bricht in Virginia Beach das komplette Stromnetz zusammen. Vor Joeys Zimmertür hört seine Mutter Laura (Eva Kryll), wie ihr Sohn sich mit jemandem unterhält, und ist verzweifelt, weil sie glaubt, er würde den Verstand verlieren. Auch in der Schule bringt – außer seinem Lehrer Martin (Jan Zierold) und Joeys kleiner Freundin Sally (Tammy Shields), die von dessen telekinetischen Fähigkeiten weiß – niemand Verständnis für ihn auf; sie halten ihn für einen Freak.

      So bekommt er einmal von Mitschülern ein kleines Plastik-Skelett zugeschoben mit dem Hinweis, dass sein Vater genau so aussehe. Als