Das Tagebuch der Prinzessin Leia. Carrie Fisher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carrie Fisher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783854456261
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und Clogs, um unverzüglich eine Rolle im idyllischen Rodgers/Hammerstein-Musical The Sound of Music (Meine Lieder – meine Träume) zu besetzen. Wir trafen auf eine Gruppe reisender Minnesänger – nein, Scherz beiseite. Ich hätte mir gewünscht, auf ein kleines Reisegrüppchen zu treffen, doch stattdessen empfing uns ein Dreier-Komitee: der erste Regieassistent David Tomblin, Produzent Gary Kurtz, der möglicherweise unter seinem modischen Outfit – einem Bart und einem ernsthaften Gesichtsausdruck – insgeheim gelächelt haben mag, sowie George.

      „Tja …“, war alles, was George sagte. Dave Tomblin sprach für die ganze Gruppe, als er das wiederholte, was er auch schon zu den mindestens letzten sechs Frisuren geäußert hatte: „Ich glaube, das ist eher …“

      „… charmant und schmeichelhaft!“, beendete Gary den Satz für ihn.

      „Was hältst du davon?“, fragte mich George.

      Nun, erinnern Sie sich bitte daran, dass ich die gewünschten fünf Kilo nicht abgespeckt hatte. Ich befürchtete, dass sie das jede Minute sehen könnten und mich schon vor Drehbeginn feuern würden.

      Und so antwortete ich: „Ich liebe die Frisur!“

      Ungefähr zu dieser Zeit entwickelte ich eine unkontrollierbare Begeisterung für eine Make-up-Verstärkung, die mir heute die Schamesröte ins Gesicht treibt: Lipgloss. Ich trug so viel Lipgloss, dass man bei einem Kuss-Versuch wahrscheinlich von meinen Lippen abgeflutscht wäre und sich die eigenen „gebrochen“ hätte. Ich habe niemals verstanden, was Lipgloss denn nun verstärken sollte. Sollte das der Spucke gleichen, wenn man die Lippen benetzt? Auch wenn jemand seine Lippen manisch befeuchtet, würde das immer noch nicht den Einsatz der klebrigen Substanz rechtfertigen, die viel zu überzogen wirkt. Niemand hat so eine nasse Zunge, oder, wenn es so wäre, müsste sie der eines Buffalos gleichen – oder der meines Hundes Gary, der eine Zunge in der Größe von zwei Wohnhausblocks hat, womit er sich, falls es ihm gefällt, auch seine Augen lecken kann. Aber auch wenn Garys schrecklicher Sabber auf meinen Lippen – oder denen eines anderen Bemitleidenswerten – landen würde, zweifle ich doch stark daran, dass solch ein aufdringlicher Look entstünde.

      Es würde höchstens sehr dick aufgetragen wirken. Leia aber einen so hochpolierten Lippenglanz zu verpassen, hätte selbst Vader Angst einjagen müssen und fürchten lassen, er könne auf dem Lipgloss ausrutschen und seinen Atemregulator zerstören. Und mal ehrlich: Wer zieht mit Lipgloss in die Schlacht? Antwort: ich bzw. natürlich Leia.

      Die leider schon verstorbene Schauspielerin Joan Hackett war eine wesentlich ältere Freundin, die mir viele von den Dingen beibrachte, die mich meine Mutter kluger- oder unklugerweise nicht lehrte – darunter auch die Begeisterung für und die Philosophie des Lipgloss. Ich habe später einen Western mit ihr gesehen, wo sie so viel von dem Zeug trägt, dass man damit ein ganzes Auto einwachsen könnte. Allerdings passte das zu ihr, meistens – das stimmt wirklich. Doch bei einer abschließenden Analyse habe ich dann herausgefunden, dass Weltraum-Schlachten und Lipgloss nicht zusammengehören.

      Ich erinnere mich wenig an Details wie zum Beispiel den Drehplan oder mit wem ich zuerst tiefere Bekanntschaft schloss. Niemand hat daran gedacht, dass man eines Tages die Erinnerung an diese lange vergangene Erfahrung wiederbeleben müsste. Dass eines Tages – und dann für immer – Informationen über Star Wars extrem begehrt sein würden. Dass es ein unstillbares Verlangen danach gäbe, als handle es sich um Nahrung während einer Hungersnot.

      Überall, wo ich hinschaute, entdeckte ich Neues. Die britische Crew: neu. Die Art, wie man mich behandelte: neu. Das Gefühl so vieler neuer Möglichkeiten, die man schwer benennen oder auf die man sich nur selten lange genug konzentrieren konnte: sehr neu.

      Ich las einen Dialog, der mir unmöglich erschien. Am ersten Tag spielte ich eine Szene mit Peter Cushing in der Rolle des Gouverneurs Tarkin. Das war die Szene, in der ich sagen sollte: „Ich habe euren fauligen Gestank schon erkannt, als ich an Bord gebracht wurde.“ Wer spricht denn so, ausgenommen ein Pirat im 17. Jahrhundert? Ich schaute mir die Zeilen an, und mir fiel eine andere Version ein: „Hey, Gouverneur Tarkin, ich wusste, dass ich Sie hier treffen würde. Als ich an Bord des Schiffes ging, dachte ich: Mein Gott! Das muss Gouverneur Tarkin sein. Jeder weiß, dass der Kerl wie ein Käse müffelt, den jemand nach sieben Wochen in seinem Auto gefunden hat!“ Und so zog ich das durch – eher höhnisch und weniger emotional. Furchtlos und wie ein richtiger Mensch, aber nicht ernsthaft. Ironisch. Wie das Mädchen von Long Island, das weder dich noch einen deiner Bekannten fürchtet.

      Und dann gab mir George die einzige Anweisung, die ich jemals von ihm erhalten habe, ausgenommen die Vorschläge, den Text „schneller“ zu sprechen oder „intensiver“. Er nahm mich beiseite und riet mir mit feierlicher Stimme: „Das ist eine große Aufgabe für Leia. Übermächtig groß. Ihr Planet steht kurz davor, von diesen Kerlen in die Luft gejagt zu werden. Und das bedeutet, dass alles, was sie kennt, für immer ausgelöscht sein wird. Und somit bist du unglaublich aufgeregt. Leia ist aufgeregt.“

      Ich hörte aufmerksam zu, da ich anscheinend die ernsthaftesten Zeilen des ganzen Films sprechen musste, mir aber vorher nicht klar darüber war, dass ich sie mit genau der Intensität umsetzen musste. Wenn man sich den Film im Original anhört, zeigt sich schnell, dass meine Stimme in spannenden bzw. angespannten Situationen irgendwie britisch klang, in entspannten jedoch ­weniger.

      Da ich immer eine Grimasse zog, wenn eine Hülse aus meiner Laserpistole ausgeworfen wurde, musste ich bei einem Polizisten Schießunterricht nehmen, der Robert De Niro für seine beängstigend, ja geradezu psychotisch wirkende Rolle in Taxi Driver vorbereitet hatte. Natürlich wurde aus der Requisite erst bei der Postproduktion eine Laserpistole. Darum entstand auch der Slogan: „Das machen wir bei der Post.“ (Ich wollte auch in der Post hergerichtet werden, doch das war erst mit der Erfindung der Kollagen-Injektionen in Polen in den frühen Achtzigern möglich. Soweit ich weiß, gab es bislang noch keine Polenwitze in Verbindung mit dieser wichtigen Erfindung. Vielleicht liegt das ja daran, dass man keine Witze über das „Jünger-Aussehen“ macht oder dass so eine teure Behandlung allgemein nicht als amüsant angesehen wird. Mal abgesehen davon, dass das Zeug in die Lippen gespritzt wird – und dann ist es so schmerzhaft, dass man sich regelrecht nach einer Wachsbehandlung für einen Bikini-Look sehnt. Mir ist bewusst, dass Frauen länger ein jüngeres Erscheinungsbild abgeben müssen, was teils an der Tatsache liegt, dass Falten dem Gesamteindruck einer Frau nicht zuträglich sind, und teils daran, dass ich kaum Hetero-Männer kenne, die nicht dem Erscheinungsbild eines taufrischen Teenagers hinterherlaufen. Aber eventuell komme ich auch nur nicht genügend herum.)

      Neben Pat McDermott und dem Skript-„Mädchen“ arbeitete noch eine andere Frau am Set, und das war Kay Freeborn. Kay war verheiratet mit Stuart Freeborn, und die beiden hatten den gemeinsamen Sohn Graham. Sie alle arbeiteten bei dem Film als Make-up-Künstler. Stuart kümmerte sich schon seit der Stummfilm-Ära um das Make-up, einer Ära, in der man viel Schminke benötigte, da das Aussehen ohne Dialog einfach alles bedeutete. Ich schätzte ihn auf ungefähr 80 Jahre, was bedeutete, dass er wahrscheinlich zwischen 55 und 60 Jahre alt war. Wenn er das Make-up auftrug und die Lampen der übergroßen Scheinwerfer Wärme spendeten, erzählte er viele Geschichten. Meist übernahm jedoch Kay das Schminken. Als eine der wenigen Frauen mussten wir ja in einer von Männern dominierten Space-Fantasy-Welt zusammenhalten. Doch Stuart half hier und da aus.

      In seinem Gesicht schien sich immer ein Lächeln abzuzeichnen (wo sonst, wenn nicht im Gesicht?), während er mich auf- und abpuderte. „Ich erinnere mich noch daran, dass ich für Vivien Leighs Make-up bei Feuer über England verantwortlich war, bei dem sie und ihr zukünftiger Mann Laurence Olivier die Hauptrollen spielten. Während der Dreharbeiten verliebten sich die beiden. Allerdings waren beide noch verheiratet, weshalb sie höllisch aufpassen mussten, wenn sie sich trafen. Man hätte sie ja sonst erwischt! Und da war ich – damals selbst noch ein junger Mann, heute schwer zu glauben. Ich weiß, ich weiß.“

      Ich fuhr ihm ins Wort: „Nein! Sie sehen blendend aus!“

      Er lachte dankbar und erzählte die Geschichte weiter. „Tja, du bist ein hübsches Mädchen“, sagte er oft, dabei das Rouge mit einem seiner vielen Make-up-Schwämme vorsichtig auf meine Wangen auftragend.

      „Nein!