Neben Lynn gab es noch Albert, einen Broadway-Tänzer bei der Show Irene, an der Debbie mitwirkte. Er war attraktiv und schwul (obwohl man ihn, meiner damals eingeschränkten Auffassung nach, niemals als einen schwulen Mann erkannt hätte), und wir ließen es in der Garderobe heiß hergehen. Mom wusste davon, was sollte also schon dabei sein. Ich war erst 15, ein frühreifes Mädchen, und meine Mutter kommentierte: „Wenn du Sex mit Albert haben willst, werde ich – wenn du willst – aufpassen und dir ein paar Tipps geben.“
Aber um fair zu sein: Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt verwirrt und abgelenkt, denn ihr ganzes Leben brach in sich zusammen. Sie versuchte, einen Anker auszuwerfen, indem sie mir eine Art tolerante und/oder exzentrische mütterliche Liebe zukommen ließ.
Es gibt wohl kaum günstige Momente, um so eine Geschichte auszuplaudern, doch ich bin mir sicher, dass Terry Malick von Lynn, Albert und Mom gehört hatte. Er schien zu den Menschen zu zählen, die jede schräge Geschichte interessierte, die einen ängstigte und einsam machte. In seinen Filmen improvisierte er viel, weshalb das Vorsprechen wahrscheinlich einen Weg für ihn darstellte, herauszufinden, ob sich seine Darsteller in ihrer Haut wohlfühlen. (Ich bin jemand, der sich in seiner Haut sehr wohlfühlt. Allerdings wünschte ich mir oft weniger Freiraum für dieses komfortable und einlullende Gefühl.)
Wir trafen uns einige Male, bevor Malick mich mit John Travolta vorlesen ließ. John war zu der Zeit aufgrund seiner TV-Serie Welcome Back, Kotter schon berühmt und hatte anscheinend gute Karten für die Hauptrolle im geplanten Film In der Glut des Südens. Bei den wenigen Malen, die wir gemeinsam lasen, bestand zwischen John und mir eine tolle Chemie. Wie zwei Becher mit entflammbarer Flüssigkeit sprudelten, quirlten und kommunizierten wir mühelos miteinander. Wenn John die Hauptrolle bei In der Glut des Südens spielte, wäre ich dann der Star an seiner Seite? Für mich schien alles gut auszusehen.
Und dann, aus irgendeinem Grund, konnte John den Film nicht machen. John war also raus, und Richard Gere war drin. Ich las mit Richard Gere. Um es mal so auszudrücken: Unsere Becher blubberten nicht im Einklang. Und nun war ich raus, und Brooke Adams war drin. Meine potenzielle Karriere als „sehr seriöse“ Darstellerin stand – zumindest was den damaligen Zeitpunkt anbelangte – vor dem Aus. Und später musste ich mehr als nur eine Nebenrolle in Blues Brothers verkörpern, damit die Leute aufhörten, in mir die Prinzessin Leia zu sehen.
In der Glut des Südens war ein wundervoller Film und hätte mich vielleicht ein wenig ent-Leia-t, doch das leichte, sehr, sehr leichte Kreuz, das ich tragen musste, würde immer die Anerkennung sein, die man Prinzessin Leia entgegenbrachte und eben nicht dem Mädchen, das in einem von Terry Malicks frühen Meisterwerken so gut spielte.
Ich sprach für andere Filme vor (Grease und Mitgiftjäger), wonach ich mich bei zwei Schauspielschulen in Großbritannien bewarb. Die Royal Academy of Dramatic Art wollte nichts von mir wissen, doch die Central School of Speech and Drama – zu deren bemerkenswerten Absolventen Laurence Olivier, Harold Pinter und die Redgrave-Schwestern gehörten – sagte Ja.
Endlich war die Chance gekommen, auf die ich selbstsüchtig gewartet hatte: die Chance, nicht mehr zu Hause wohnen zu müssen – oder im selben Land – bei meiner frisch geschiedenen und ach so gebrochenen Mutter. Als Bonus durfte ich mich auf eine handfeste Schauspielausbildung freuen, die ich bislang nicht genossen hatte, was aber auch daran lag, dass ich immer noch nicht wusste, ob ich überhaupt Schauspielerin werden wollte. Aber vielleicht konnte ich so einen Beruf ja auch ohne Highschool-Abschluss oder andere Leistungsnachweise ausüben? Einen Job, der mir genügend einbrächte, um in die Welt hinauszugehen und das zu beginnen, was ich spöttisch „mein eigenes Leben“ nannte.
Ich war 17, als ich die Central besuchte, und damit die jüngste Studentin. Zudem lebte ich zum ersten Mal allein und ganz auf mich gestellt. Endlich weg von meiner Mutter (von der ich gerne lebte, aber mit der ich ungern zusammenlebte), wohnte ich in einem Apartment zur Untermiete, wo ich niemanden enttäuschen konnte – und wenn sich jemand merkwürdigerweise enttäuscht zeigte, war es mir egal, da er nicht zur Verwandtschaft gehörte.
Kopfüber, bewusstlos und mit gelben Augen
George Lucas ließ die potenziellen Darsteller für Star Wars in einem Bürokomplex in Hollywood vorsprechen. Das Gebäude gehörte zu den von der spanischen Architektur geprägten cremefarbenen Häusern aus den Dreißigern mit dunkeloragenen Dächern und Fenstern mit schwarzen Stahlrahmen. Es war von Gehwegen umgeben und begrenzt von einer Reihe von Kiefern. Ich glaube jedenfalls, es waren Kiefern, die Art von Bäumen, die ihre Nadeln großzügig auf die Straße rieseln lassen und auf die ehemals grünen, aber jetzt ausgedorrten Rasenflächen.
Das alles wirkte ein wenig heruntergekommen, doch in diesen Gebäuden geschahen viele positive Dinge. Lebensläufe erfuhren Wendungen, das Business blühte auf, und Männer trafen sich bei Besprechungen, hoffnungsvollen Meetings, bei denen man große Pläne schmiedete und Ideen vorstellte. Bei all den Treffen, die in diesem besonderen Bürogebäude abgehalten wurden, gab es jedoch kein einziges, das solch ungeheure weltweiten Auswirkungen haben sollte wie das Casting für Star Wars.
Man müsste eine Gedenktafel an der Außenseite anbringen mit dem Text: „An diesem Ort fand das Casting für die Star Wars-Filme statt. Schauspieler und Schauspielerinnen betraten das Gebäude und verließen es wieder, bis schließlich nur noch drei übrig blieben. Diese drei Darsteller spielten schließlich die Hauptrollen von Han, Luke und Leia.“
Ich habe die Geschichte vom Vorsprechen für die Rolle der Prinzessin Leia viele Male erzählt – bei Interviews, auf dem Rücken von Pferden und in der Kardiologie. Wenn Sie diese Erzählung bereits zuvor gehört haben, entschuldige ich mich, Ihre Geduld ein wenig zu beanspruchen. Ich weiß, wie behutsam die meisten mit der im Leben erworbenen Geduldsfähigkeit umgehen, und ich schätze die wertvolle Zeit, die Sie mir schenken.
George vermittelte den Eindruck, er sei wesentlich kleiner, als er wirklich war, da er so selten sprach. Ich machte die Bekanntschaft mit dieser Nichts-als-Stille-Manier bei den verschiedenen Vorsprech-Terminen, wobei beim ersten auch der Regisseur Brian De Palma dabei war. Brian suchte ein Mädchen für seinen Horror-Streifen Carrie, weshalb beide eine Schauspielerin im Alter von 18 bis 22 Jahren benötigten. Ich war im richtigen Alter, und so las ich für beide vor.
Damals hatte George schon bei den beiden Filmen THX 1138 mit Robert Duvall und American Graffiti mit Ron Howard und Cindy Williams Regie geführt. Beim ersten Treffen mit den beiden Regisseuren musste ich mich mit den Rollen der Prinzessin Leia für Star Wars und der Titelrolle für Carrie auseinandersetzen. Ich dachte, es wäre wohl ein wirklich witziger Casting-Coup, wenn ich Letztere ergattern könnte: Carrie in der Rolle der Carrie in Carrie. Allerdings fand ich es nicht sonderlich hilfreich, dass man einen ernsthaften Horrorfilm mit einem ziemlich albernen Plakat bewerben wollte.
Ich setzte mich also vor die beiden Regisseure, die jeweils hinter einem eigenen Tisch Platz genommen hatten. Mr. Lucas gab sich schweigsam, gar still. Als ich den Raum betrat, nickte er kurz, woraufhin Mr. De Palma die Gesprächsleitung übernahm. Er war ein dicker und zuerst einschüchternd wirkender Mann, nicht nur, weil er mehr redete bzw. unaufhörlich redete. Brian saß auf der linken Seite und George auf der rechten, beide trugen Bärte. Als könnte man sich hinsichtlich der Größe einen Regisseur auswählen. Allerdings hatte ich keine Wahl – sie entschieden.
Brian räusperte sich bedeutungsvoll und unüberhörbar und fragte: „So, wie ich sehe, hast du schon bei Shampoo mitgespielt?“
Das wusste ich, und ich nickte einfach, mein Gesicht in einem Weiße-Zähne-Lächeln erstarrt. Vielleicht fragten sie mich etwas, das mehr als ein Nicken erforderte?
„Hat dir die Arbeit mit Warren Spaß gemacht?“
„Ja, das hat sie!“ Das war einfach. Mir hatte die Zusammenarbeit mit ihm wirklich Spaß gemacht, doch Brians Gesichtsausdruck verriet mir, dass ihm die kurze Antwort nicht reichte. „Er war …“
Wie war er denn? Die wollten jetzt was wissen. „Er