Die Grünen. Marius Ivaskevicius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marius Ivaskevicius
Издательство: Bookwire
Серия: Literatur aus Litauen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783898968508
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mit der Waffe – und dann ab ins Bett. Morgen unterhalten wir uns. Und dass du mir nüchtern bist.«

      Nüchtern war ich noch im selben Augenblick. Alle »Da ist er, der Sieg« und »Da ist sie, die Hand« verpufften aus ihrem Körper und verschwanden unwiederbringlich.

      Beim Vertreiben derselben sagte sie noch:

      »Morgen halte ich dir eine Standpauke.«

      Und ich erwiderte bestimmt:

      »Sie werden mir keine Standpauke halten.«

      Sie packte mich am Futteral und ich drückte dort ihre Hand an mich. Für einen Augenblick sah es so aus, als ob sie in meinem Geldbeutel herumwühlen würde, ich sie dabei ertappt und gesagt hätte: »Schon bald wird es uns beiden gehören.«

      Dann ließ ich zu, dass sie mir die Waffe wegnahm.

      »Ab ins Bett«, sagte sie, während sie einen Schritt zurückwich.

      Ich stand da, als würde ich mit einer Hand rauchen, während ich die andere zur Faust geballt ausgestreckte, mir jemand auf die ausgestreckte Hand hieb und riefe: »Gewonnen. Gewonnen.«

      »Und was ist daran nicht in Ordnung.«

      »Morgen«, sagte sie.

      »Morgen sind wir bereits weit weg von hier«, sagte ich. »Sagen sie es mir jetzt.«

      »Wozu hast du den hergebracht.«

      »Ich dachte, ich zeige ihn Ihnen, dann weiter, wo immer hin«, erklärte ich. »Wahrscheinlich bekommen Sie nicht jeden Tag so einen zu Gesicht.«

      Müdigkeit, vermischt mit irgendeiner unangenehmen Erinnerung trat in ihr Gesicht, das sich überhaupt seit dem Augenblick, als sie zur Tür herausgetreten war, nicht zum Guten verändert hatte.

      »Manchmal jeden Tag«, sprach Marja Petrowna. »Dieser Žemaitis hat sich mehr um uns verdient gemacht als drei von deiner Sorte, Wassili, die für die Heimat gefallen sind, wenn man sie nebeneinander legt. Nur einen Orden, den wird er nicht bekommen. Obwohl ich ihm einen geben würde. Ab ins Bett!«

      Jener schrie »Gewonnen. Ich« und ließ mich zu seiner eigenen Überraschung zu Boden gehen.

      »Sie würden ihm also einen verpassen«, sagte ich, doch das war nicht für sie bestimmt. Offenbar ein Clown. Hat sich lächerlich gemacht. »Den nackten Oberschenkel darfst du berühren, wenn du willst, doch Spiritus habe ich keinen«.

      All das sagte ich voller Wut (falls dies das treffende Wort ist), während ich den schlafenden Rapolas ansah, kam zugleich mit ausgestreckter Hand Marja Petrowna immer näher, denn plötzlich brauchte ich meine Waffe wieder. Mir schien, als hätte ich sie Marja nur zum Halten gegeben und jetzt, bei Bedarf, würde sie sie mir zurückgeben. Doch Marja dachte da anders. Sie wich noch mehr zurück und spannte mit einem Klicken den Hahn meines Revolvers.

      »Ab ins Bett!« Die Waffe zielte auf mich.

      »Ins Bett kann ich jetzt unter keinen Umständen«, erwiderte ich und wollte schon mit einem Satz neben ihr stehen. Doch mein Körper war nur zur Hälfte nüchtern, die Beine gehorchten mir noch nicht. Marja Petrowna schoss und ich fiel auf den Wagen. Sie hatte mir direkt ins Gesicht geschossen.

      »Marja Petrowna, sie haben einen Menschen erschossen«, schrie Afanassi.

      »Ich habe nicht getroffen, Afanassi«, sagte sie im Gehen.

      »Was heißt hier – nicht getroffen?«

      »Maul halten, sie hat nicht getroffen«, brachte ich ihn zum Schweigen. »Lass uns fahren.«

      »Wohin, Genosse Komandir.«

      »Irgendwohin«, gab ich zur Antwort.

      »Und die Leichen?«

      »Lad die Leichen aus?»

      »Ich treffe nur selten«, war von der Tür her zu hören und das alte Gebäude brach in ein herzhaftes Lachen aus. Das Verhör dort war zu Ende.

      »Lass Rapolas, wo er ist«, sagte ich, da ich sah, dass Afanassi auch ihn ausladen wollte. »Den laden wir später aus. Erst muss er umgebracht werden.«

      »Unverletzt?«

      »Man hat mich, Afanassi, so könnte man sagen, erschossen«, erwiderte ich.

      »Stehen Sie auf, Herr Kommandeur«. Er rüttelte mich an der Schulter.

      »Ich will nicht.«

      Aus Afanassi Duschanskis Verhörprotokoll

      Ich sah, wie aus verschiedener Entfernung auf Wassili geschossen wurde, aus Waffen verschiedenen Kalibers, verschiedener Art, mit unterschiedlichem Produktionsort und -zeit, doch das Ziel war immer dasselbe – Wassili Sinizyn. Ich habe auch gesehen, wie eine der Waffen traf.

      »Schuld ist das ungarische Wetter. Schwül hier«, sagte er damals zu mir, als er neben mir zu Boden sackte.

      Für einen Menschen, dem gerade in den Bauch geschossen worden war, sagte er ziemlich viel. Kurz darauf verlor er das Bewusstsein.

      Ich habe nur nie eine Frau auf Wassili schießen sehen. Stimmt, die krummbeinigen Schönheiten aus der Medizinabteilung, denen vom Leichen- und Verletztenschleppen die Beine kaputtgegangen waren, schossen aus ihren Augen auf ihn. Wie allseits bekannt, ist diese Art von Schießen aber kaum gefährlich, obwohl für die dabei verwendeten Waffen dieselbe Vielfalt gilt: Kaliber, Produktionsort und -datum sind meist verschieden.

      Als Marja Petrowna von der Tür anmarschierte, schien sie aus einer in Russland hergestellten Waffe schießen zu wollen, deren Schöpfer Vater und Mutter Golubkow waren.

      Doch sie überzeugte sich schon bald davon, dass diese Waffe nur schlecht traf. Und wählte eine andere.

      Als ich die Leichen vom Wagen lud, sagte Wassili:

      »Lass Rapolas liegen. Den laden wir später aus. Erst muss er umgelegt werden.«

      Doch er hatte dies bereits zuvor mit einem Blick gesagt. Als er seine Hand ausstreckte, um Marja die Waffe wegzunehmen. Ich weiß nicht, was zwischen ihm und Rapolas vorgefallen war, denn letzterer schlief friedlich, doch ich konnte mitverfolgen, was kurz darauf zwischen dem Kommandeur und Marja Petrowna vorfiel. Eine Stimme flüsterte mir, dass zwischen Rapolas und Wassili etwas Ähnliches vorfallen würde, deshalb musste man den einen ausladen. Doch Wassili gestattete mir das nicht:

      »Erst muss er umgebracht werden.«

      Damals dachte ich, dass die »halbe« Leiche auch irgendwie mitbeteiligt war. »Es ist besser, wenn ich ihn auslade«, sagte ich. Ich hatte ihn schon an den Waden gepackt. Doch auch er schaute mit schläfrigen Augen, was ich da auslade. Er ließ mir keine Gelegenheit, einen Fehler zu begehen.

      Als ich aus dem Hof hinausritt, stand auf der Straße Fjodor. Mit Blumen. Wenigstens an Fedja werde ich vorbeireiten, ich hatte die Wahnvorstellung, dass alle, sogar die ausgeladenen Leichen, zu den Geschehnissen beitrugen. Wir hätten alle weitherum verstreuen sollen und dann unter vier Augen mit Wassili besprechen, was eigentlich los war.

      Aber Fjodor rief noch auf der Straße so laut er konnte:

      »Blumen, Herr Kommandeur. Alle möglichen Sorten.«

      »Ich, Fjodor, wurde gerade erschossen. Man hätte auch dir dasselbe angetan. Gut, dass du zu spät kommst«, erwiderte Wassili auf dem Wagen liegend.

      Fjodor stieg über ihn hinüber und setzte sich. In der Hand hielt er Blumen.

      »Und wer – hat auf Sie?«, fragte er nach längerer Pause.

      »Alle«, gab Wassili zur Antwort. »selbst Afanassi, auch der hat geschossen.«

      Also ahnten Wassili und ich in etwa dasselbe, nämlich dass alle, auf die eine oder andere Weise, mitbeteiligt waren.

      »Am meisten aber hat der Affe geschossen«,