Vom guten Tod. Reiner Sörries. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reiner Sörries
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783766642837
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und ihre gleichzeitige Anrufung geschah in höchster Todesnot. Das muss in Zeiten, als die Todesgefahr durch die verschiedensten Umstände größer war als heute, sehr häufig geschehen sein – so häufig, dass sich der zumal im Süddeutschen zu Jesses, Maria und Josef mutierte Schreckensruf bald auch in weniger dramatischen Lebenslagen fand. Schon bei Kleinigkeiten entfuhr den Menschen dieses kurze Stoßgebet und zeigt, wie volkstümlich diese Trias geworden war. Außerdem konnten die Namenspatrone oder die Zunftheiligen in Sterbensnöten angerufen werden. Alle Schutzheiligen, die sich die Zünfte oder Berufsgruppen erwählt hatten, konnten als Sterbepatrone angerufen werden, etwa die heilige Barbara bei den besonders gefährdeten Bergleuten. Es gab noch keinen Sanitäter oder Notarzt, den man hätte rufen können, um das Leben zu retten; stattdessen vertraute man sich den Mittlern zwischen Himmel und Erde an, damit, wenn schon nicht das Leben, dann wenigstens die Seele gerettet würde.

      Bildeten das Gebet und die Anrufung der Sterbepatrone den spirituellen Teil der Vorsorge für einen guten Tod, so konnte man das Seelenheil zusätzlich durch gute Werke und materielle Leistungen absichern. Die Kirche bot dem Menschen an, sich auf verschiedenen Wegen einen Schatz im Himmel anzulegen, der dann gegen die zeitlichen Strafen im Fegefeuer aufgewogen wurde. Die Summe dieser Vorsorgemöglichkeiten bezeichnet man als Seelgerät. Die Vorstellung, man könne irdische und vergängliche Dinge in himmlische und ewige Güter verwandeln, führte im Alltag zum Almosengeben, nährte aber auch den Entschluss, der Kirche zu Lebzeiten oder posthum Teile des eigenen Vermögens zu vermachen. Daraus resultierten kleinere, größere und umfassende Stiftungen zugunsten von Kirchen und Klöstern. Die damit verbundene Vergewisserung, Sterben und Tod letztlich zu einem guten Ende führen zu können, war eine ungeheure Motivation, sich von irdischem Reichtum zumindest in Teilen zu trennen. Daraus bestritten kirchliche Institutionen ihre Aufgaben, häuften damit selbst Reichtum an, leisteten damit aber auch ihren seelsorgerlichen Beitrag zur Besänftigung der Angst vor dem Tod.

      Theologisch gesehen, konnten all diese Seelgeräte zwar nur die zeitlichen Strafen im Fegefeuer verkürzen helfen, doch in der Volksfrömmigkeit hatten sich Fegefeuer- und Höllenstrafen miteinander verquickt. Man hegte durchaus die Vorstellung, durch materielle Leistungen auch der ewigen Verdammnis entgehen zu können. Deshalb waren auch die Ablassprediger so erfolgreich, die selbst gegen kleines Geld wahrhaftige Erlösung versprachen. Ihr berühmtester und erfolgreichster Vertreter seiner Zunft, der Dominikanermönch Johann Tetzel, hatte mit seiner Parole Sobald der Gülden im Becken klingt im huy die Seel im Himmel springt überaus großen Zulauf. Selbst die Armen waren bereit, sich zugunsten ihres Seelenheiles von einem Groschen zu trennen. Immerhin hatte der Ablasshandel sogar die Möglichkeit eröffnet, etwas für das Seelenheil der bereits Verstorbenen zu tun: Wenn ihr mir euer Geld gebt, dann werden eure toten Verwandten auch nicht mehr in der Hölle schmoren, sondern in den Himmel kommen, soll Tetzel marktschreierisch verkündet haben. Den Menschen war es recht, denn die Angst vor dem Tod und vor allem vor dem, was danach kommt, war groß. Zugunsten ihrer Verstorbenen bezahlten sie Seelenmessen und sorgten durch Messstiftungen zu Lebzeiten dafür, dass auch für sie selbst nach ihrem Tod Seelenmessen gelesen wurden.

      Unverkennbar verfolgten die Stiftungen neben ihrem religiösen Charakter die profane, innerweltliche Absicht, das Gedächtnis an die Person über den Tod hinaus zu bewahren. In vielen Kirchen bestand die gesamte Ausstattung vom Abendmahlkelch bis zum Altar aus gestifteten Objekten, die mit dem Hinweis auf den Namen des großzügigen Spenders versehen waren. Selbst Türen und Fenster waren oftmals fromme Gaben. Sie dienten der Bewahrung vor dem sozialen Tod und legten die Grundlage für ein fortdauerndes Gedenken. Diese Entwicklung ist seit dem Ausgang des Mittelalters zu beobachten und schlug sich auch in der Gestaltung und Beschriftung von Grabsteinen nieder. Zu einem üblichen Motiv der Vorsorge für die Zeit nach dem Tod wurden die Stiftungen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts, nachdem durch die Reformation die Hoffnung zunichte gemacht worden war, man könne durch Geld und Testament sein Seelenheil sichern. An die Stelle einer religiös motivierten Vorsorge war der Wunsch nach einer innerweltlichen memoria getreten. Der Wunsch, nicht umsonst gelebt zu haben, hatte alle erfasst, die zu Lebzeiten eine gewisse soziale Stellung in der Gesellschaft eingenommen hatten.17 Es ist die Zeit der Renaissance, in der sich der Mensch als Individuum begreift und beginnt, die Spanne seines Lebens für einmalig und erinnerungswürdig zu halten. Die Hoffnung auf das Leben nach dem Tod genügte nicht mehr, und man wollte festhalten, was eigentlich vergänglich ist. Ein Lebenswerk geschaffen und vollendet zu haben besaß einen tröstlichen Aspekt.

      Die Epoche hat begonnen, in der die Sorge um einen guten Tod sich nicht mehr auf das Seelenheil allein fokussierte, sondern auch das Leben in den Blick nahm. Es konnte doch nicht sein, dass alles vergebens war, denn die irdische Existenz hatte einen eigenen Wert angenommen. Es sollte doch etwas bleiben von der Spur des Lebens. Seit dieser Zeit wächst allein die Zahl der Namen, die erinnert werden, verbunden mit Grabsteinen, Stiftungen und schließlich Straßennamen und Nachschlagewerken. Nur der ist wirklich tot, der vergessen ist. Oder er lebt zumindest im Herzen seiner Lieben fort. Sang- und klanglos von der Welt zu verschwinden stand als neue Sorge vor dem Tod im Raum.

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