Vom guten Tod. Reiner Sörries. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reiner Sörries
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783766642837
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Tod

       Die Neubewertung unwerten Lebens

       Vom Selbstbestimmungsrecht des Menschen

       Euthanasie und Ökonomie

       XIII. Sterben lernen – im Hier und Jetzt

       ars moriendi nova – ars vivendi

       Das Lernziel Sterben

       Kinder lernen sterben

       Friedhofspädagogik und Death Café

       Sterbebegleitung

       XIV. Die Autonomie des Menschen oder die Debatte um die Sterbehilfe

       Definitionen der Sterbehilfe

       Erlaubte, nicht erlaubte und praktizierte Sterbehilfe

       Regelungen der Sterbehilfe im europäischen Ausland

       Sterbehilfe zum guten Tod?

       Beurteilung der Sterbehilfe in den Religionen

       XV. Und der Tod wird nicht mehr sein – in Zukunft?

       Die Brücke zur Unsterblichkeit

       Makrobiotik und Athanasia

       Die Schaffung des unsterblichen Menschen

       Vom Unglück des Sterblichen ein Unsterblicher zu werden

       XVI. Vorläufige Gedanken zum Schluss

       Anmerkungen

       Weiterführende Literatur

      „Dann wirft er die Fessel von sich, und er tut das nicht bloß in der äußersten Not; sondern sobald das Schicksal anfängt, ihm verdächtig zu werden, geht er gewissenhaft mit sich zu Rate, ob er sofort ein Ende machen soll.“ In seinem vierten Brief an Lucilius argumentiert der römische Philosoph und Staatsmann Seneca mit diesen Worten für die Berechtigung der Selbsttötung, und er hat dabei in erster Linie den weisen Menschen im Blick, der über seinen Zustand und das, was ihn noch erwartet, reflektieren kann. Sein Bekenntnis zum überlegten Entschluss, dem Leben ein Ende zu setzen, blieb auch zu seiner Zeit nicht unwidersprochen, doch seinen Gegnern, welche für ein Verbot der Selbsttötung eintraten, antwortete er in einem weiteren Brief an Lucilius: „Wer so spricht, sieht nicht, dass er der Freiheit den Weg versperrt. Wie hätte das ewige Gesetz besser verfahren können, als uns nur einen Eingang ins Leben zu geben, aber viele Ausgänge?“ Ungeachtet dessen, welche Einstellung zum Tod aus eigener Entschlossenheit man haben mag, ist es richtig, dass das Leben viele Ausgänge haben kann. Doch welcher ist der richtige, der beste? Und kann es einen falschen geben?

      Angeregt ist dieses Buch durch die Ankündigung der Ende 2013 ins Amt gekommenen schwarz-roten Bundesregierung, die mehrfach verschobene Gesetzgebung zur Sterbehilfe nun auf den Weg zu bringen. Dabei solle nach Möglichkeit eine fraktionsübergreifende Regelung gefunden werden, wobei ein Fraktionszwang nicht gelten dürfe. Jeder Abgeordnete sei in dieser Frage allein seinem Gewissen verpflichtet, denn es gehe um elementar persönliche Einstellungen in dieser Menschheitsfrage. Trotz dieser Ausgangslage will das Buch kein weiteres zum Thema Lebenspflicht und Sterberecht sein, sondern es befasst sich mit dem Ausgang des Lebens und stellt sich der Frage, ob es angesichts der bitteren Weisheit vom Sterben-Müssen einen guten Tod geben kann.

      Die Quintessenz lautet, dass es nicht nur viele Ausgänge des Lebens gibt, sondern ebenso viele Vorstellungen vom guten Tod. Ein Gang durch die Kulturgeschichte lässt deutlich werden, welch unterschiedliche Auffassungen dazu miteinander um die Wahrheit kämpften. Daran hat sich nichts geändert. Der Unterschied von heute zu früher besteht allenfalls darin, dass diese Frage nicht mehr ausschließlich von religiösen oder philosophischen Eliten beantwortet wird, sondern jeder bildet sich dazu seine eigene Meinung. Im Wissen um die freie Meinungsbildung, die mit jener Autonomie verschwistert ist, die jedem das Recht einräumen will, sein Ende nach eigenem Willen zu gestalten, erhebt dieses Buch nicht den Anspruch, das Kriterium für den guten Tod gefunden zu haben. Vielleicht kann es sensibilisieren, Argument und Gegenargument verständlich machen, vielleicht ist es auch nur ein lesenswerter Gang durch die Kulturgeschichte, denn die Vorstellungen vom guten Tod sind ein Teil von ihr. Zumindest wird dann verständlich, dass es für die Wertebestimmung des guten Todes keine überzeitlichen, unhinterfragbaren und quasi menschheitsimmanenten Kriterien gibt. Was wir für einen guten Tod halten, ist Teil eines kulturellen Lernprozesses, der von der Welt abhängig ist, in der wir leben.

      Freilich werden dann auch wir zum Ende in der Gegenwart angekommen sein und der aktuellen Debatte um die Sterbehilfe begegnen, die manche aus bitterer Erfahrung als Euthanasie ablehnen oder als Inbegriff des Selbstbestimmungsrechts des Menschen als Euthanasia herbeisehnen und einfordern, denn im Wortsinn geht es nur um den guten Tod. Das ist jedoch nur der vorletzte Schritt, denn es stehen ja die Wünsche im Raum, den Tod vermeiden zu können. Für Trans- und Posthumanisten stellt sich die Frage nicht mehr, was ein guter Tod ist, denn es wird ihn dann nicht mehr geben. Bis es allerdings so weit ist, bleibt es der Gesellschaft, der Politik und dem Einzelnen kaum erspart, Regelungen zu finden, die für alle gelten.

      Die Neuregelung der Sterbehilfe hierzulande wird noch etwas auf sich warten lassen und beim Abschluss dieses Manuskripts nicht vorliegen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, der selbst für ein Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe eintritt, erläuterte beim Auftakt des Deutschen Ärztetages am 27. Mai 2014 in Düsseldorf den Fahrplan zu einem entsprechenden Gesetz, das bis 2015 eingebracht, diskutiert und verabschiedet sein soll.

      Märchen sind ja nicht nur etwas für Kinder, sondern sie enthalten auch für uns Erwachsene manche Lebensweisheit. Da sind vier Tiere: ein Hahn, eine Katze, ein Hund und ein Esel, denen aufgrund ihres Alters bescheinigt wird, dass sie zu nichts mehr nütze seien, weshalb ihr Tod für alle die beste Lösung sei. Als der Hahn daraufhin beschließt, aus vollem Hals zu krähen, solange er noch kann, macht ihm der Esel den Vorschlag, gemeinsam nach Bremen zu ziehen, um dort als Bremer Stadtmusikanten Karriere zu machen. Und er spricht den entscheidenden Satz: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall!“ Nun ist das eine ein Märchen, das andere