Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
Скачать книгу
hast du gestern auch auf mich gewirkt. Bist du deswegen schon mal beim Arzt gewesen?«, erkundigte sich die junge Frau besorgt.

      »Dutzende Male! Ich kann das in den letzten Jahren gar nicht mehr zählen«, antwortete er bitter. »Tests über Tests sind gemacht worden, die nichts erbracht haben. Meine Symptome können für hundert verschiedene Krankheiten stehen, oder vielleicht bilde ich sie mir auch alle nur ein.«

      »Glaub ich nicht!«, antwortete Elli prompt. »Du bist kein eingebildeter Kranker! Aber das Gebiet der Medizin ist riesig, vielleicht ist man deiner Krankheit nur noch nicht auf die Spur gekommen? Ärzte können nicht alles wissen, es gibt so viele Fachrichtungen. Offensichtlich warst du schon bei mehreren Spezialisten, die dir bisher keine befriedigende Auskunft geben konnten. Das macht mit Sicherheit müde, mutlos und reizbar.

      Wenn ich dir etwas vorschlagen darf: geh zu unserem Doktor Seefeld. Er ist ein sehr guter Arzt mit vielfältiger Erfahrung und großem Einfühlungsvermögen.«

      »Ach, Elli! Ein Landdoktor! Nichts gegen euren Doktor Seefeld, aber was sollte ausgerechnet er erkennen, was gut ausgebildete Spezialisten nicht gefunden haben?«

      »Keine Ahnung!« Elisabeth schaute ihn eindringlich bittend an. »Aber was schadet es? Ein Fehler ist es mit Sicherheit nicht, zu ihm zu gehen; du solltest es zumindest versuchen!«

      »Ich bin es leid, immer wieder das gleiche zu erzählen und immer wieder die gleichen Antworten zu bekommen, und nichts ändert sich. Ich bin das alles so müde, Elli!«

      Voller Mitgefühl antwortete die junge Frau: »Auch wenn ich nicht in deiner Situation bin, kann ich dich sehr gut verstehen, Til. Trotzdem rate ich dir, diese Chance zu nutzen! Vielleicht bringt es dir Erleichterung, und schaden kann es auf keinen Fall.«

      Til lächelte müde, aber ergreifend zärtlich. »Welche Mühe du dir mit mir gibst«, sagte er leise. »Du hast mich überredet; ich werde morgen in seine Praxis gehen, auch, wenn ich mir nicht viel davon verspreche.«

      »Musst du auch gar nicht. Hauptsache, du gehst hin!«, antwortete Elli fest. »Und jetzt legst du dich hier auf die Bank und ruhst dich weiter aus. Dante bleibt bei dir; du ahnst ja nicht, welche entspannende Wirkung ein schnurrendes Kätzchen hat, das mit dir kuschelt! Ich mache inzwischen meine Kasse und die Buchführung, und nachher gucken wir wieder in die Sterne. Sollst mal sehen, wie gut dir das tut!«

      Til musste lachen und streckte sich tatsächlich auf den gemütlichen Polstern der Bank aus. »Sag mal, bist du in Wahrheit eine Ärztin oder so eine resolute Oberschwester, vor der die gesamte Station, einschließlich des Chefs, Bammel hat?«

      Elli grinste und schob ihm noch ein Kissen unter den Kopf. »Du hast eindeutig zu viel Fantasie, Herr Krimiautor!«, sagte sie mit gespielter Strenge. »Jetzt wird das Gehirn auf Ausruhen geschaltet und nur gedöst!«

      Als die junge Frau einige Zeit später wieder in ihren Stadtgarten kam, waren Dante und Til beste Freunde geworden und lagen im Tiefschlaf zwischen den Kissen auf der alten Bank. Elli zog sich leise einen Korbstuhl heran, legte den Kopf in den Nacken und wartete lächelnd auf den ersten Schimmer der Sterne.

      *

      Henning betrat ihr Geschäft, und das erste, was Elli sah, war der große Rosenstrauß, den er in der Hand hielt. Es waren mindestens drei Dutzend langstielige, dunkelrote Rosen. Der Mann trat zu ihr und schaute sie lächelnd an. »Elli, hast du Zeit für uns beide? Ich glaube, wir haben uns eine Menge zu sagen.«

      »Jetzt?« Die junge Frau warf einen Blick auf die Uhr. »Es ist mitten am Vormittag, und bei mir kommen und gehen die Kunden. Ich habe zu tun.«

      »Dann schließ doch einfach den Laden! Ich muss heute noch in die Schweiz abreisen, wir haben einen neuen Auftrag in Zusammenarbeit mit den USA bekommen, die Zeit drängt. Und ich möchte ungestört mit dir über unsere Zukunft sprechen.«

      Elli schüttelte den Kopf. Sie ärgerte sich über seinen Vorschlag, ›einfach‹ den Laden zu schließen, weil er ungestört mit ihr reden wollte. Die Forschung rief, und dem hatte sie sich unterzuordnen. Nichts hatte sich geändert!

      »Ich werde das ›Lesezeichen‹ jetzt nicht schließen!«, antwortete sie kühl. »Bist du gekommen, um dich zu verabschieden? Das können wir auch so tun.«

      »Elli, bitte entschuldige! Ich war wohl gedankenlos, und das tut mir leid.« Er überreichte ihr den großen Blumenstrauß. »Nimm die Rosen bitte als Zeichen meiner Zuneigung und nicht als Abschiedsgeschenk.«

      Die junge Frau schaute mit einem Ausdruck auf den Strauß, den Henning nicht deuten konnte. Freute sie sich etwa nicht?

      »Elisabeth«, sagte er ernst, »ich wünsche mir einen Neuanfang mit dir. Bitte sag, dass du uns eine zweite Chance gibst und dass wir von vorn beginnen können.«

      Elli schüttelte den Kopf. »Ich sehe keine Chance für einen Neubeginn«, sagte sie ruhig. »Es ist viel Zeit vergangen, und ich habe mir ein neues Leben aufgebaut, in dem ich mich wohl fühle.

      Ich habe dich einmal sehr geliebt, Henning, aber das war in der Vergangenheit. Jetzt empfinde ich Freundschaft für dich, aber nicht mehr. Es gibt für mich kein neues Leben als Frau an deiner Seite.«

      »Ist es wegen dieses Schriftstellers? Bist du in Til Tilsner verliebt?«, fragte Henning erregt.

      Elli schüttelte den Kopf und seufzte nachsichtig. »Wie kommst du nur auf diese Idee! Nur weil ich nicht wieder in dein Leben einsteigen will, muss ein anderer Mann im Spiel sein? Ich kenne Til Tilsner viel zu wenig, um in ihn verliebt zu sein.«

      Ihr Ex-Mann verzog ärgerlich das Gesicht. »Aber du magst ihn, gib es zu!«

      »Ich muss nichts ›zugeben‹, wie redest du denn mit mir?« Jetzt wurde auch Elisabeth ärgerlich.

      »Aber du rechnest dir Chancen aus, richtig?«

      »Henning, dieses Gespräch ist albern und führt zu nichts. Wir sollten uns jetzt verabschieden, und dann gehst du.« Elli schaute ihm gerade in die Augen, und er sah Stolz und bewundernswerte Ruhe in ihrem Blick.

      Der Mann wusste jetzt, dass er seine Frau schon vor längerer Zeit endgültig verloren hatte, und diese Erkenntnis kränkte ihn zutiefst. »Denk an meine Worte vom Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach!«, sagte er beleidigt. »Wer weiß, was mit diesem Tilsner wird? Vielleicht kommt bald der Tag, an dem du ganz allein bist, weil beide Vögel weitergezogen sind!«

      Elli schüttelte den Kopf und – wahrhaftig! – sie lächelte. »Damit kann ich leben! Außerdem sind Vögel noch nie meine Lieblingstiere gewesen, ich liebe Katzen.« Sie deutete auf Dante, der sich wie ein elegantes, seidenschwarzes Wappenschild vor ihr auf dem Tresen aufgebaut hatte und den Mann herausfordernd anstarrte. »Es war nett, dich wiedergesehen zu haben, und ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft, Henning!«

      »Ja, ich dir auch, obwohl ich sicher bin, dass du einen Fehler machst! Servus, Elisabeth!« Er wandte sich ab und war schon fast zur Tür heraus, als er hörte, dass Elli seinen Namen rief. Überrascht schaute er zurück und sah, dass seine Ex-Frau auf den kostspieligen Rosenstrauß deutete.

      »Ach, Henning, wie lange kennen wir uns jetzt eigentlich? Es müssen an die zwanzig Jahre sein, nicht wahr? Wie viele Sträuße roter Rosen hast du mir in dieser Zeit geschenkt und wie viele Male habe ich dir gesagt, dass ich diese Blumen nicht mag? Es war dir wohl nie wichtig genug, dass du es dir gemerkt hast.«

      »Du bist einfach nur undankbar!«, schrie Henning, stürmte nach draußen und verschwand auf Nimmerwiedersehen zwischen den Gassen.

      »Hoppla!« Caro, die junge Sprechstundenhilfe der Seefelds, hatte dem Mann gerade noch ausweichen können. »Da war aber jemand sauer.«

      »Tja, manchmal kommt es anders, als man denkt«, antwortete Elli mit einem leisen Lächeln. »Caro, was kann ich für Sie tun?«

      »Meine Mama hat bald Geburtstag, und ich suche etwas Schönes für sie. Einen Roman, in den man so richtig abtauchen und die Welt vergessen kann.«

      Die junge Buchhändlerin deutete voller Freude auf ihre Abteilung