Der neue Landdoktor Staffel 9 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980528
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Wendelin. »Du hast was gut bei mir.«

      Ehe er darauf antworten konnte, fuhr sie schon los. Wendelin folgte ihr über den Fahrweg und holprige Waldwege, die schließlich auf der Lichtung endeten, auf der die geräumige Hütte stand.

      Während der Fahrt schwieg er und versuchte, das angetrunkene Gerede seiner drei Mitfahrer zu überhören. Sie beschwerten sich über sein unbequemes Fahrzeug, das tatsächlich ein alter, klappriger Jeep und kein geländegängiges Luxusauto war.

      »Ihr könnt gern zur Hütte laufen«, bot Wendelin an und trat auf die Bremse. »So weit ist es gar nicht mehr, ihr müsst euch nur vor den Wildschweinen in acht nehmen. Die verstehen keinen Spaß, wenn Fremde durch ihr Revier laufen.«

      Das wirkte, und das Gemecker hörte auf. Stattdessen wurde jetzt lauthals überlegt, welche Frauen man noch zu dieser Jagdpartie einladen könne. »Das geht ja gar nicht, dass nur der Gisbert seinen Spaß hat«, dröhnte es vom Rücksitz. »Habt ihr mitbekommen, wie er sich an die hübsche Bedienung rangemacht hat? Die Kleine ist auch richtig knackig in ihrem Dirndl. Wetten, dass sie nach dieser Woche zu seiner Trophäensammlung gehören wird?«

      Die Männer feixten und machten anzügliche Bemerkungen, und Wendelin hätte am liebsten jedem einzelnen eins aufs Maul gegeben. Auf der Lichtung legte er eine unsanfte Bremsung hin, welche seine Mitfahrer kräftig durchrüttelte, und stieg mit grimmiger Miene aus. Sein erster Blick galt Kathi, hatte sie sich auch solch dummes Gerede anhören müssen?

      Die junge Frau wirkte nicht wütend, sondern amüsiert. Sie beobachtete einen Freund Gisberts, der sich auf die Kühlerhaube ihres Wagens stützte und lauthals schimpfte: »Verdammte Dunkelheit! Mensch, Gisbert, mach endlich die Außenbeleuchtung an!«

      »Es gibt hier keine Außenbeleuchtung«, erwiderte Gisbert und versuchte, im Licht der Autoscheinwerfer den richtigen Schlüssel zu finden.

      »Hier gibt es überhaupt keinen Strom«, fügte Kathi mit leisem Vergnügen hinzu. Sie konnte sich nur über diese Leute amüsieren, die sich vor der Reise nicht genug über ihre Unterkunft informiert hatten.

      »Gisbert, du Blödmann, das hättest du uns vorher sagen müssen!«, beschwerte sich jetzt lauthals einer der anderen Männer.

      »Ihr habt die Gaslichter, Petroleumlampen und Kerzen, das dürfte wohl reichen«, sagte Wendelin.

      »Gaslicht? Die Lampen funktionieren mit Gas? Ja, in welchem Jahrhundert lebt ihr Leute denn hier?«, stöhnte jetzt der Mann, der vorhin so abfällig über Kathi geredet hatte.

      Wendelin hielt es kaum noch aus. Nicht eben freundlich nahm er Gisbert den Schlüssel ab, öffnete die Tür und entzündete die Gaslampen, sodass jetzt weiches Licht durch die Fenster nach außen fiel.

      »Ah, ein Mann der Tat«, höhnte einer der Angetrunkenen.

      »Ohne den ihr hier offensichtlich nicht zurechtkommt«, erwiderte Kathi scharf und warf einen besorgten Blick auf das Jagdschlösschen. »Werden ihr mit dem Gas klarkommen oder jagt ihr am Ende das ganze Haus in die Luft?«

      Gisbert fand sie absolut hinreißend, wie sie dort im warmen Lampenlicht stand, die Hände in die Hüften stemmte und mit empörten Blicken um sich schaute. Ihr Temperament und Selbstbewusstsein gefielen ihm.

      Plötzlich hatte er eine Idee.

      »Selbstverständlich kommen wir mit dem Gas zurecht, aber trotzdem fehlt uns etwas sehr Wichtiges«, sagte er freundlich und zeigte dieses besondere Lächeln, das schon etliche Frauen unwiderstehlich gefunden hatten. »Ich wünsche mir für diese Woche nach der Jagd auch Ruhe und Bequemlichkeit, ein behagliches Haus, leckeres Essen, frisch bezogene Betten und dergleichen. Hast du Lust, während dieser Zeit als Haushälterin für uns zu arbeiten? Du hättest geregelte Arbeitszeiten, und ich zahle ein sehr gutes Gehalt.« Er nannte eine großzügige Summe und wartete.

      Kathi schaute ihm genau in die Augen. »So viel ist meine Arbeit auch wert«, antwortete sie kühl. »Aber da sie hier unter erschwerten Bedingungen stattfindet, erwarte ich das Doppelte.«

      Damit hatte Gisbert nicht gerechnet, aber ihre Haltung imponierte ihm. Er streckte ihr seine ausgestreckte Hand entgegen. »Abgemacht, schlag ein!«

      Kathi schüttelte den Kopf. »Setz einen vernünftigen Arbeitsvertrag auf und bring ihn morgen früh mit, wenn ihr eure Autos abholt. Wenn alles in Ordnung ist, unterschreibe ich, und mittags stehen Hirschragout und Knödel auf eurem Tisch.«

      »Einverstanden.« Gisberts Lächeln wuchs in die Breite.

      Wendelin konnte sich mit seiner Meinung kaum noch zurückhalten. Kathi war selbstbewusst und stark, aber sie sollte jetzt Tag für Tag hier draußen arbeiten, allein? Unter Männern, die in ihr eine Trophäe sahen? Er wollte gerade protestieren, als einer von Gisberts Freunden fragte: »Wie hast du dir das eigentlich mit den erlegten Tieren gedacht, Kumpel? Wer soll sich um die kümmern? Von mir kannst du das nicht erwarten, ich habe immer einen Jagdgehilfen. Wen hast du dafür engagiert?«

      Darum hatte sich Gisbert noch nicht gekümmert, ihm waren andere Dinge wichtiger gewesen. Als er jetzt die fragenden Blicke seiner Freunde bemerkte, musste er sich auf die Schnelle etwas einfallen lassen.

      »Das wollte ich vor Ort regeln«, sagte er rasch und klopfte Wendelin kumpelhaft auf die Schulter. »Und ich glaube, wir haben den richtigen Mann gefunden. Was hältst du davon, in dieser Woche für uns zu arbeiten? Du kümmerst dich um unsere Waffen, die Trophäen und so weiter. Als Forstwirt kennst du dich hier im Wald gut aus, das ist ein Vorteil für uns. Ich zahle gut; was sagst du?«

      Wendelin schluckte eine ehrliche Antwort hinunter und antwortete stattdessen: »In Ordnung, ich komme als Jagdgehilfe zu euch raus.«

      »Dann sehen wir uns also morgen«, sagte Gisbert und hieb ihm noch einmal auf die Schulter. »Servus, ihr zwei, und auf gute Zusammenarbeit.«

      Kathi und Wendelin stiegen in ihre Autos und fuhren hinter einander über die schmalen Pfade, bis sie zum Hauptweg kamen, an dem sie sich trennen mussten. Beide hielten an, und Wendelin ging zu Kathis Wagen hinüber. Sie hatte ihr Fenster ganz geöffnet und schaute ihm aufmerksam entgegen.

      »Wendelin, du kannst Gisbert nicht ausstehen und die anderen Männer auch nicht. Weshalb hast du den Job angenommen?«, fragte sie ganz direkt.

      Er holte tief Luft. »Sie sind respektlos, und ich traue ihnen nicht über den Weg. Ich wollte nicht, dass du mit dieser Bande allein hier draußen bist«, antwortete er aufrichtig.

      »Du meinst, mich beschützen zu müssen?«, sagte sie mit einem leisen Lächeln.

      Wendelin schüttelte den Kopf. »Nein, um dir in deinem Alltag zu helfen.«

      »Du bist noch netter, als ich bisher dachte«, antwortete sie weich. »Gute Nacht, Wendelin, komm gut heim. Wir sehen uns morgen Abend bei der Gemeindeversammlung.«

      »Nacht, Kathi«, murmelte Wendelin. Er wartete, bis ihre Rücklichter hinter einer Wegbiegung verschwunden waren, dann fuhr auch er nach Hause. In Gedanken plante er, wie er seine Arbeit für das Forstamt und die Beschäftigung bei Gisbert unter einen Hut bringen konnte. Er wusste, dass Förster Lorenz Breitner sich auf ihn verließ, und hatte nicht vor, ihn zu enttäuschen und seine eigentliche Arbeit zu vernachlässigen. Wendelin hoffte, dass Lorenz Verständnis dafür hatte, dass er sich auch um die Freizeitjäger kümmerte.

      Im Jagdschlösschen kehrte langsam Ruhe ein. Die Männer waren in die schmalen Betten gefallen, von denen keines den gewohnten Luxus bot. Die Hütte hatte einen mit Gauben ausgebauten Dachraum, in dem sich mehrere Schlafkammern befanden. Sie waren klein, rustikal und gemütlich.

      Gisbert wartete, bis alles dunkel war, dann stieg er leise fluchend in seine Gummistiefel, nahm den Rucksack und seine große Taschenlampe und verließ leise die Hütte. Er musste unbedingt die anderen Fallen holen, ehe sie entdeckt wurden und man sie möglicherweise auf ihn zurückführen konnte. Auch seine Gäste durften nichts davon wissen, dass er seinem Jagdglück auf diese hinterhältige Art hatte nachhelfen wollen. Warum musste dieser Wendelin auch eine der Fallen entdecken und solch einen Wirbel darum veranstalten! Nach der ersten Begegnung