Der neue Landdoktor Box 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980641
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      »Ich muss noch einen Hausbesuch machen. So gegen acht?«

      »Ich werde ein paar Minuten früher da sein, damit wir noch einen Platz bekommen.«

      »Hallo, Papa!« Emilia brauste gefolgt von Markus auf ihrem Fahrrad in den Hof.

      »Hallo, Schatz, du weißt, ich bin nicht begeistert, wenn du allein mit dem Fahrrad hier draußen herumfährst. Es gibt hier einige Moore. Nur den Weg bis zum Hof, nicht weiter, das hatten wir ausgemacht.«

      »Ich habe sie keine Sekunde aus den Augen gelassen«, sagte Markus, der mit einer geschickten Bremsung vor Sebastian zum Stehen kam. »Doktor Seefeld, ich verspreche Ihnen, ich werde immer gut auf Emilia aufpassen.«

      »Ich kann allein auf mich aufpassen!«, rief Emilia.

      »Mag sein, aber du solltest die Gegend erst richtig kennen lernen.«

      »Markus kann mir die Gegend zeigen.«

      »Ja, ich denke, das kann er.« Sebastian klopfte Markus freundlich auf die Schulter. Er war froh, dass Emilia endlich einen gleichaltrigen Freund gefunden hatte, auch wenn das für ihn bedeutete, sie wieder ein bisschen mehr loszulassen.

      »Es hat sich etwas verändert«, raunte Anna ihm zu und schaute auf die weiße Caprihose und das türkisfarbene T-Shirt, das Emilia trug.

      »Ich weiß.« Das war wohl noch eine Veränderung, die Emilias Bekanntschaft mit Markus ausgelöst hatte.

      *

      »Was machst du da?« Anton kam aus dem Wohnzimmer und sah Miriam an, die in der Diele an der Haustür lehnte.

      »Mir war kurz schwindlig«, log sie und stützte sich an der Kommode neben der Tür ab.

      In Wirklichkeit hätte sie die Welt vor Glück umarmen können. Ein Notfallkaiserschnitt, der beinahe in einer Katastrophe geendet hätte, das war genau das, was sie hatte hören wollen. Es gab wohl keinen Zweifel mehr daran, dass Anna leichtfertig gehandelt hatte, dass sie vielleicht gar nicht in der Lage war, eine drohende Gefahr zu erkennen. Sebastian mochte durch seine Schweigepflicht gebunden sein, den Vorfall für sich zu behalten. Sie war es nicht.

      »Möchtest du ein Glas Wasser?«, erkundigte sich Anton.

      »Danke, nein, ich wollte nur etwas abgeben, ich bin auch schon wieder fort.« Sie drückte Anton den Karton in die Hand und eilte aus dem Haus.

      Sebastian befestigte gerade Emilias Fahrrad in der Halterung an der Rückseite des Geländewagens, als sie die Tür hinter sich zufallen ließ. Sie winkte ihm freundlich zu, als er sich noch einmal umdrehte, bevor er gleich darauf zu Emilia und Anna ins Auto stieg.

      »Ade, Anna«, murmelte Miriam und lachte in sich hinein.

      »Das ist ein Feldweg, keine Rennstrecke!«, rief Markus Miriam nach, die kurz nachdem Sebastian den Hof verlassen hatte, in ihren Wagen stieg und das Gaspedal so hart durchtrat, dass sie erst einmal ein paar Meter über den Sandweg schlitterte, bevor sie das Auto wieder abfing.

      »Rücksichtsloses Frauenzimmer«, murmelte Pia, die mit den Zwillingen bei den Ziegen gewesen war, die hinter dem Haus auf der Wiese grasten.

      *

      »Harald, in zehn Minuten bei mir!«, rief Miriam in die Freisprechanlage ihres­ Telefons, das in einer Halterung am Armaturenbrett des Sportwagens steckte.

      »Was ist los?«

      »In zehn Minuten«, wiederholte Miriam und beendete das Gespräch.

      *

      Der Biergarten der Brauerei war wie jeden Abend gut besucht. Die Tische und Bänke standen im Hof des roten Backsteingebäudes direkt neben dem Bach, in dem sich schon so mancher nach einem langen Abend abgekühlt hatte.

      Kurz vor sieben betrat Miriam den Biergarten. Sie trug ein cremefarbenes Dirndl mit rotem Schürzchen, ein rotes Samtband um den zarten Hals, und sie hatte ihr Haar zu einem Kranz geflochten, den sie am Hinterkopf festgesteckt hatte. Für das, was sie jetzt vorhatte, war sie perfekt zurechtgemacht. Sie steuerte auch gleich auf den Tisch des Landfrauenvereins zu, der an lauen Sommerabenden immer gut besucht wurde. Die Damen hielten sich gern über die Geschehnisse im Dorf auf dem Laufenden. An diesem Abend saßen aber erst zwei der Damen am Tisch, aber es waren genau die richtigen.

      »Therese, meine Liebe, wie schön, dich zu sehen«, begrüßte Miriam die Vorsitzende des Landfrauenvereins, eine staatliche Frau um die fünfzig, die in ihrem dunkelblauen Dirndl und mit dem früh ergrauten Haar erschreckend streng aussah. »Darf ich mich zu euch setzen?«, fragte sie.

      »Freilich, setz dich her«, forderte Elvira Draxler, die Therese gegenüber saß, sie auf.

      »Schönes Dirndl, es passt zu dir«, sagte Miriam und schaute auf das graue Dirndl, das Elvira, die größte Tratsche im Dorf, trug. In Wirklichkeit stand ihr das Kleid überhaupt nicht, weil es ihre blasse Haut und ihr aschblondes Haar noch mehr unterstrich. Unscheinbar und blass, letztendlich passt dann doch alles zusammen, dachte Miriam.

      »Danke«, erwiderte Elvira lächelnd, weil sie Miriams Kompliment ernst nahm.

      »Ein kleines Weißes, bitte!«, rief Miriam der Kellnerin in dem grünen Dirndl zu, die genau wir ihre beiden Kolleginnen mehrere Maßkrüge auf einmal an die Tische schleppte. »Ich war vorhin übrigens auf dem Mittnerhof«, sagte sie und legte eine Kunstpause ein, während sie zuerst Therese und danach Elvira ansah.

      »Wie geht es Sabine?«, erkundigte sich Therese.

      »Den Umständen entsprechend.«

      »Du weißt, warum der Rettungshubschrauber kommen musste?«

      »Ihr wisst es nicht?«

      »Nein, woher denn? Anton hat nur vor sich her gebrummt, wenn jemand ihn darauf angesprochen hat.«

      »Es muss aber unter uns bleiben.«

      »Selbstverständlich«, beteuerte Elvira mit glänzenden Augen, und sie und Therese rückten ganz dicht an Miriam heran.

      »Ich sage nur Querlage.«

      »Eine Querlage? Das kündigt sich doch vorher an. Sie hätte Sabine rechtzeitig ins Krankenhaus überweisen müssen«, stellte Therese entrüstet fest.

      »Eben, stattdessen endete das Ganze in einem Notfallkaiserschnitt. Ohne Sebastians Eingreifen hätten Sabine und das Kind…«

      »… es nicht überlebt«, vollendete Elvira den Satz, als Miriam innehielt, so als wagte sie es nicht, das Schreckliche auszusprechen.

      »Sebastian befürchtet, dass sich solche Dinge wiederholen.«

      »Er muss dieser Dame das Handwerk legen«, erklärte Elvira.

      »Er wird es versuchen, aber er muss sich auch an die ärztliche Schweigepflicht halten.«

      »Die Bergmann hat Leben gefährdet, da muss es Möglichkeiten geben, die Schweigepflicht aufzuheben.«

      »Du hast recht, Therese, aber sie könnte den Fall auf andere Weise darstellen als Sebastian.«

      »Dann muss Sabine gegen sie aussagen.«

      »Sabine ist noch zu geschwächt, um über so etwas nachzudenken, und Anton ist erst einmal froh, dass beide überlebt haben. Außerdem…«

      »Was?«, hakte Elvira nach.

      »Anna Bergmann ahnt natürlich, was auf sie zukommen könnte, deshalb versucht sie, Sabine und Anton zu beschwichtigen. Sie besorgt ihnen Holz für die anstehenden Reparaturen auf dem Mittnerhof, sie kauft stapelweise Gutscheine in der Drogerie, die sie Sabine überlässt, und wer weiß, was sie sich sonst noch so ausdenkt.«

      »Ein raffiniertes Weib«, murmelte Elvira.

      »Richtig, deshalb müssen wir aufpassen, dass sie Sebastian nicht mit in den Sumpf zieht«, seufzte Miriam und spielte die Besorgte. »Vielleicht können wir das aber gar nicht mehr verhindern«, fügte sie nachdenklich hinzu und senkte den