Der neue Landdoktor Box 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980641
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waren alle in guter Stimmung und freuten sich auf den nächsten gemeinsamen Schafkopfabend. Sebastian begleitete Anna noch bis hinunter zur Straße, dort trennten sie sich mit einer freundschaftlichen Um­armung.

      *

      Sebastian schaute auf die Uhr, nachdem der letzte Patient am nächsten Vormittag gegangen war. Die Sprechstunde ging eigentlich nur bis zwölf, es war wieder kurz nach eins geworden. »Ja, bitte!«, rief er, als es an der Tür des Sprechzimmers klopfte.

      »Geht noch einer?«, fragte Gerti, die zur Tür hereinschaute.

      »Hast du schon jemals irgendjemanden nach Hause geschickt, der es bis ins Wartezimmer geschafft hat?«

      »Ich glaube nicht«, antwortete Gerti sichtlich stolz.

      »Wer ist es denn?«

      »Anton Mittner.«

      »Das ist eine gute Nachricht, auf ihn habe ich gewartet.«

      »Na dann, Anton, komm her!«, rief Gerti und trat zur Seite, um Anton Platz zu machen.

      »Grüß dich, Sebastian, Sabine hat gemeint, ich könnte vorbeikommen«, sagte Anton und schaute verlegen zu Boden. Er hatte wieder seinen guten Sonntagsanzug an, weil er sonst nichts Ordentliches mehr zum Anziehen besaß.

      »Soll ich noch warten?«, fragte Gerti und ordnete eine Falte ihres Rockes.

      »Nein, Anton und ich kommen allein zurecht.«

      »Dann bis heute Nachmittag«, verabschiedete sie sich und schloss die Tür.

      »Was kann ich für dich tun?«, fragte Sebastian.

      »Es ist schon ein bisschen komisch.«

      »Was ist komisch?«, fragte Sebastian, als Anton sich in dem Zimmer umsah, so als hätte er es zum ersten Mal betreten.

      Er betrachtete die Vitrine aus gemasertem honigfarbenem Holz, die einmal Sebastians Großeltern gehörte. Sie stand nun an der Wand neben dem Schreibtisch, und hinter den Glastüren des Aufsatzes bewahrten sie die alten Medizinbücher auf, die Benedikt im Laufe der Jahre gesammelt hatte. Die Vitrine verlieh dem ansonsten mit modernen weißen Möbeln eingerichteten Raum Wärme.

      »Anton du solltest schon mit mir reden«, machte sich Sebastian wieder bemerkbar, nachdem er einen Augenblick gewartet hatte.

      »Es ist halt merkwürdig, dich da sitzen zu sehen, in deinem weißen Hemd und der weißen Hose. Das ist ein bisschen befremdlich.«

      »Möchtest du lieber mit meinem Vater reden?«

      »Nein, ich rede schon mit dir. Wenn einer weiß, dass du deinen Beruf verstehst, dann ich. Ich werde dir das nie vergessen, wie du meiner Sabine geholfen hast. Wenn du mir ein bisschen Zeit gibst, dann werde ich auch deine Rechnung begleichen.«

      »Anton, es gibt wichtigere Dinge, wir müssen zusehen, dass du gesund wirst und euer Hof wieder in Schuss kommt. Also, welche Beschwerden hast du?«

      »Der Rücken.«

      »An einer bestimmten Stelle?«

      »Eigentlich überall.«

      »Dann mach dich bitte mal frei.«

      »Was ist mit mir?«, wollte Anton wissen, nachdem Sebastian ihn untersucht hatte.

      »Wann hast du das letzte Mal einen Tag frei gehabt? Ich meine, einfach mal gar nichts gemacht?«

      »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte Anton, während er sich wieder anzog.

      »Du musst dir unbedingt ein bisschen Zeit für dich nehmen. Bis jetzt leidest du einfach nur an extremen Verspannungen.«

      »Verspannungen? Ich habe Schmerzen, Sebastian.«

      »Ja, ich weiß, du bewegst dich zwar viel, aber es sind immer die gleichen Bewegungen, das tut deinen Muskeln nicht gut, du brauchst einen Ausgleich. Geh schwimmen, wobei nur Rückenschwimmen infrage kommt, weil das auch den Nacken entspannt, geh spazieren, lege dich in die Sonne, tue etwas, was dir Spaß macht.«

      »Ich denke, ich bin nicht krank.« Anton schaute auf das Rezept, das Sebastian ausstellte und ihm in die Hand drückte.

      »Das wirst du aber bald sein, wenn du meine Ratschläge in den Wind schlägst. Ich habe dir Massagen aufgeschrieben, die werden deine Blockaden lösen.«

      »Aber auf dem Hof ist so viel zu tun, und die Kinder müssen versorgt werden. Sabine muss sich doch noch eine Weile schonen. Ich habe keine Zeit für so etwas.«

      »Gibt es denn niemanden, der euch auf dem Hof unterstützen könnte?«

      »Von meiner Familie lebt niemand mehr, Sabines Schwester wohnt mit ihrer Familie in Bremen, und eine bezahlte Hilfe können wir uns nicht leisten. Die Kinder haben schon oft gesagt, dass sie so gern eine Oma hätten, die für sie da wäre.«

      »Eine Oma«, murmelte Sebastian.

      »Jetzt siehst du gerade so aus wie früher in der Schule, wenn du was ausgeheckt hattest«, stellte Anton fest, als Sebastian sich mit dem Zeigefinger über das Kinn strich.

      »Vielleicht habe ich gerade etwas ausgeheckt, wir werden sehen.« Sebastian begleitete seinen alten Schulfreund durch das leere Wartezimmer zur Tür. Gerti, dachte er lächelnd, als er auf die Holzstühle mit den blauen Polstern schaute, die alle im gleichen Abstand nebeneinander standen, so wie es Gertis Ordnungssinn entsprach. Auch die Spielecke mit dem kleinen Tisch, den vier Stühlchen und der Spielzeugkiste war aufgeräumt. »Auf bald, Anton«, sagte er. Wenn das klappte, worüber er gerade nachdachte, dann konnte er Anton vielleicht schon an diesem Abend eine gute Nachricht überbringen.

      »Tschüs, Papa!«, rief Emilia, die mit Nolan an der Leine aus dem Haus kam, als er kurz darauf die Praxis verließ.

      »Wo gehst du hin?«

      »Ich bin mit Anna verabredet, schon vergessen?«

      »Nein, das habe ich nicht vergessen, mir war nur nicht bewusst, dass es schon so spät ist.«

      »Doch, ist es. Und übrigens, Traudel meinte, dass du in Zukunft Essen aus der Mikrowelle bekommst, weil du nie pünktlich bist, im Gegensatz zu Opa, der hat wenigstens hin und wieder die Zeit eingehalten.«

      »Das ist keine Absicht.«

      »Das musst du Traudel sagen. Bis später, Papa.«

      »Wuff, wuff«, verabschiedete sich Nolan und tapste fröhlich neben Emilia her.

      »Heute bleibt mir die Mikrowelle wohl noch erspart«, stellte Sebastian fest, als er in die Küche kam und Traudel ihm Käsenudel, und frischen Salat servierte.

      »Die kleine Maus hat es also gleich wieder weitergetragen«, entgegnete Traudel und schüttelte lachend den Kopf. »Geh, du weißt genau, dass das nie passiert, Bub«, sagte sie und streichelte Sebastian liebevoll über den Rücken.

      *

      Anna war auf ihrem Balkon und goss die Blumen. Es war ein heißer sonniger Tag, und bevor die Sonne vollends auf den Balkon prallte, musste sie ihre Pflanzen mit Wasser versorgen.

      »Ich mache dir auf!«, rief sie, als sie Emilia sah, die auf dem Feldweg hin­ter­ dem Haus mit Nolan entlangspazierte.

      »Gemütlich«, stellte Emilia fest, als sie die Wohnung wenig später betrat.

      »Wir können uns nach draußen setzen«, sagte Anna. Sie hatte die Liege zusammengeklappt und zwei Korb­stühle aus der Küche auf den Balkon getragen.

      »Einverstanden.«

      »Was möchtest du trinken?«

      »Wasser, bitte.«

      »Du bekommst natürlich auch Wasser.« Anna hatte den Welpen nicht vergessen und füllte einen sauberen Blumenuntersetzer mit Wasser, den sie für ihn auf den Balkon stellte. »Hast du schon eine Idee, wie wir unser Anliegen im Sägewerk vortragen?«, fragte Anna, als sie sich in den Stuhl neben Emilia setzte.

      »Du