»Mich achten«, antwortete sie, »wenn du das tust, dann sind wir ein Stück weiter. Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken, daß man nur lieben kann, was man auch achtet. Ein Madel nicht achten und dann vorgeben, es zu lieben, das paßt net, wenn du verstehst, was ich mein’.«
Toni Schall stand traurig da. Er hatte sich so auf den Tag gefreut, hatte zu Heidi gehen wollen, um zu fragen, ob Christl eine Stunde frei haben könne, und nun dies…!
Er warf Christl, die ihm den Rücken zukehrte, noch einen langen Blick hinterher, dann drehte er sich um und verließ den Bergerhof. Mit müden Schritten ging er Richtung Almausschank, der ihm so was wie eine Heimat geworden war.
Als Christl es nicht länger aushielt und sich umdrehte, sie wollte Toni etwas Versöhnendes sagen, da tauchte er gerade in die randständigen Fichten ein und gleich darauf schlugen die Äste hinter ihm zusammen.
»Toni…!« Christls Stimme war kaum zu hören. Daß der Toni, der schon ein paar hundert Meter weg war, sie hörte, war ausgeschlossen.
Als kurz drauf Heidi mit einem Tablett Gläser und Teller in die Küche kam, lächelte sie.
»Es ist schon interessant«, sagte sie zu Luise.
»Was ist interessant«, wollte die wissen.
»Daß bei den jungen Madln, was die Liebe betrifft, alles so eng beieinander ist…!«
»Von wem sprichst du?«
»Von der Christl.«
»Der Toni ist da, gell?« Luise hatte den jungen Burschen zwar kommen, aber nicht wieder gehen sehen.
»Er ist schon wieder weg«, erwiderte Heidi.
»Warum…?«
»Ich weiß es net«, antwortete Heidi, »aber wenn ich die Christl anschau’, dann denk’ ich mal, daß sie sich gestritten haben.«
»Oje…!«
Heidi nickte. »Genau, es ist schad’. Die beiden passen nämlich supergut zusammen.«
»Es wird kein richtiger Streit sein«, erwiderte Luise, »vielleicht eine vorübergehende Stimmungsschwankung bei beiden.«
»Ich glaub’, der Toni sieht alles von der leichten Seite«, entgegnete Heidi, »während die Christl meint, alles was mit Liebe zu tun hätt’, müßt’ ernsthaft behandelt werden.«
»Das eine schließt das andere doch net aus.«
»So ist es«, nickte Heidi, »du weißt das und ich weiß es, aber die beiden wissen es net. Sie sind auch viel zu jung, um es zu wissen.«
»Schau mal, wer da kommt…!« Luise zeigte mit einer Kopfbewegung aus dem Fenster.
»Die Lissi, das ist aber eine Überraschung«, sagte Heidi. »Das Madel ist nach dem Abi total aufgeblüht.«
»So wird’s mit unserer Steffi auch sein«, sagte Luise, »du wirst sehen.«
Heidi nickte. »Ich wünsch’s ihr und ich wünsch’s uns.«
Kurz darauf kam Lissi in die Küche und begrüßte die beiden Bergerhoffrauen sehr freundlich und bestellte Grüße von ihrem Vater.
»Er will demnächst wieder mal hereinschauen«, sagte sie. »Ich wollt’ eigentlich nur mal die Christl besuchen.«
»Der geht’s net ganz so gut«, erwiderte Luise.
»Wieso net?«
»Es könnt’ sein, daß sie ein bisserl Liebeskummer hat.«
»Die Christl?« Lissi sah erstaunt drein.
Heidi nickte. »Ja, der Toni war eben da herunten, ist aber ziemlich rasch wieder verschwunden.«
»Seitdem rennt deine Schwester mit verweinten Augen herum«, fügte Luise hinzu.
Lissi grinste. »Warum soll’s ihr besser als anderen gehen. Aber ich möcht’ trotzdem mit ihr reden. Hat sie euch die Neuigkeiten erzählt?«
»Welche Neuigkeiten?«
»Was die Mutti dem Vati sozusagen als Vermächtnis hinterlassen hat?«
»Nein«, Heidi schüttelte den Kopf, »keine Ahnung. Setz dich und erzählt mal. Magst was zu trinken?«
»Ja, ein Almdudler wär gut«, antwortete Lissi. Als der da war und sie davon getrunken hatte, sahen Luise und Heidi sie erwartungsvoll an.
»Was war deiner Mutter denn so wichtig?« fragte die schließlich.
»Sie hat sich gewünscht, daß wir der Reihe nach heiraten«, antwortete Lissi, »praktisch, gell?«
»Moment mal«, sagte Luise, »was hat sie sich gewünscht?«
»Daß wir der Reihe nach heiraten…!«
»Was soll das denn heißen?«
»Daß zuerst die Moni heiratet«, antwortete Lissi, »ich schätz’ mal, das war das Wichtigste. Ob die Christl dann zuerst oder ich, das war ihr wohl gleich.«
»Ja, wieso wollt’ sie denn, daß die Moni zuerst heiratet?« Luise sah das hübsche Mädchen immer noch konsterniert an.
Lissi erklärte es und zuckte mit den Schultern. »Da machst du nichts.« Dann hellte sich ihre Miene auf. »Aber die Mutti hat auch dem Vati was gesagt, wovon grad’ ich heut’ total profitier.«
»Von was denn?«
»Sie hat ihre Mitgift festgelegt und wollt’ damit einer ihrer Töchter das Studium finanzieren«, antwortete Lissi. »Die Moni, so hat sie dem Vati gesagt, würd’ wohl den Hof übernehmen, eine soll studieren und eine würd’ in einen Hof einheiraten.«
»Das wär’ dann die Christl«, sagte Luise. »Beim Toni wär’ sie dann schon an der richtigen Adresse.«
Daraufhin runzelte Heidi die Stirn. »Wenn du sie grad’ jetzt in dem Moment fragen würdest, ich glaub’ nicht, daß sie dir zustimmen würd’…!«
*
»Die Tannhofer-Christl ist ein sehr fesches Madel«, sagte Michl Berner am gleichen Tag zu Hans Karner, als sie von der Alm herunterkamen und einen Abstecher auf seinem Hof machten.
Hans bewirtschaftete im Nebenerwerb ein kleines Anwesen, in erster Linie war er Zimmermann und bei einem Betrieb in Vorderstein, der auf Innenausbau spezialisiert war, beschäftigt.
Hans lächelte. »Die Christl ist allerdings vergeben. Der Toni läßt sie garantiert nimmer aus und sie ihn auch net.«
»Schad’«, erwiderte Michl, »die besten Madln sind halt immer zuerst in festen Händen.«
Da grinste Hans breit. »Die Christl hat aber noch zwei Schwestern. Und eines ist gewiß, die beiden sind net unfescher als die Christl.«
Michl staunte. »Echt…?«
»Können wir nicht mal hinfahren?« fragte Michl. »Irgendeinen Vorwand wird’s doch schon geben.«
»Vorwand braucht’s gar keinen«, erwiderte Hans, »ich muß eh zum Tannhofer. Weil ich ihm letzten Winter einige Festmeter Bäum’ geschlägert und verkauft hab’. Ich muß mit ihm abrechnen. Wir können jetzt hinfahren und du kannst mitkommen.«
»Wenn du mit ihm abrechnest?« Michl schüttelte den Kopf. »Das ist net so gut.«
»Schmarrn«, erwiderte Hans, »der Tannhofer ist ein kommoder Mensch. Er redet gern und er hat garantiert deinen Großvater gekannt. Er wird sich freuen, wenn er dich sieht.« Dann lächelte er. »Und die Lissi, das ist die Jüngste der drei Madeln, sie will, das hab’ ich jedenfalls gehört, unbedingt Jura studieren.«
»Aha…!«
»Also