Siebels zeigte ihr jetzt auch den Kassenzettel.
»Was ist denn passiert?«, wollte die Verkäuferin wissen. Sie war plötzlich ganz aufgeregt. Simone Tetzloff war im Geschäft gewesen, das war eine kleine Sensation für sie.
»Nichts Schlimmes. Ihr Wagen, ein Jaguar, wurde beim Parken beschädigt, wahrscheinlich mutwillig. Wir machen nur eine Routinebefragung.«
»Verstehe ich nicht. Wenn ihr Wagen beschädigt wurde, warum überprüfen Sie dann, ob sie hier Parfum gekauft hat?«
Siebels schaute hilfesuchend zu Till, der war auf dem Posten.
»Ach wissen Sie, das ist nur wegen der Versicherung, die sind da sehr misstrauisch. Die Reparatur an dem Jaguar wird nämlich ziemlich kostspielig und der Frau Tetzloff ist schon öfter mal ein kleines Missgeschick beim Fahren passiert. Das bleibt aber unter uns.« Till zwinkerte ihr zu.
»Ach ja, das kenne ich. Gerade beim Einparken, wie schnell knallt man da mal gegen ein anderes Auto oder gegen einen Zaun. Aber dafür zahlt man ja schließlich auch jeden Monat seine Versicherungsprämie, nicht wahr. Die sollen sich mal nicht so anstellen, die von der Versicherung.«
»Das sehe ich auch so«, entgegnete ihr Till. »Trotzdem müssen wir das leider überprüfen. Sie können sich also nicht an sie erinnern, vielleicht eine Kollegin?«
»Das glaube ich nicht. Das hätte sich doch rumgesprochen. Bestimmt hatte sie eine Perücke auf, wie das so ist, bei den Prominenten.«
Siebels und Till schauten sich gegenseitig an. Der Gedanke schien gar nicht so abwegig zu sein. Die Verkäuferin rannte trotzdem los, ganz euphorisch zeigte sie ihren Kolleginnen das Foto, erntete aber nur Schulterzucken und Kopfschütteln. Enttäuscht kam sie zu den wartenden Kommissaren zurück.
»Tut mir leid, niemand kann sich an Frau Tetzloff erinnern.« Sie warf noch einmal einen Blick auf den Kassenbon. »Die hätte sich aber auch was Besseres leisten können.«
»Haben am Samstagvormittag noch andere Kolleginnen oder Kollegen gearbeitet, welche, die heute nicht da sind?«
»Nein, leider sind wir zurzeit nicht voll besetzt. Ziemlich stressig, wenn so wenig Personal zur Verfügung steht. Gerade jetzt, wo das Weihnachtsgeschäft auf Hochtouren läuft.«
»Sollte Ihnen doch noch etwas einfallen, rufen Sie mich einfach an, hier ist meine Karte.« Siebels nahm den Kassenbon und das Foto wieder an sich und die Verkäuferin wandte sich einer älteren robusten Dame zu, die bereits ungeduldig auf fachkundige Beratung wartete.
Wieder draußen überlegte Siebels laut: »Eine Perücke, das klingt gar nicht so dumm. Eine Frau wie Simone Tetzloff wird doch bestimmt ständig erkannt und angesprochen, wenn sie hier herumläuft und einkauft.«
»Das hätte uns ihr Mann aber gesagt, meinst du nicht?«
»Wir fragen ihn auf jeden Fall. Wäre doch zu blöd, wenn wir überall nach einer Brünetten mit schulterlangem Haar fragen und sie ist hier hellblond mit langen Haaren zum Einkauf erschienen.«
»Wo geht’s jetzt hin?«
»Da drüben ist das Reformhaus. Da hat sie zwei Flaschen Goldtraubensaft gekauft.«
»Hört sich gesund an.«
»Da gibt’s überhaupt nur gesundes Zeug. Solltest du auch mal einkaufen. Immer nur Hamburger und Currywurst, das macht auf die Dauer dick.«
»Das predigt mir Johanna schon ständig. Sehe ich vielleicht irgendwie dick aus? Höre du mal lieber mit dem Rauchen auf, dann kannst du mir was von gesunder Ernährung erzählen.«
»Apropos, bevor wir da reinmarschieren, rauche ich erst mal eine.«
»Wundert mich, dass Sabine dir das noch nicht abgewöhnt hat.«
»Sie arbeitet daran, in der Wohnung nur noch in der Küche bei geöffnetem Fenster.«
»Die wird mir immer sympathischer. Ich gehe schon mal rein und schau mich um. Vielleicht finde ich ja ein leckeres Knäckebrot.«
Siebels setzte sich auf eine Bank, platzierte sich neben einem Aschenbecher und rauchte genüsslich seine Zigarette.
Im Reformhaus hielt sich weniger Kundschaft auf, nur eine Verkäuferin stand hinter der Kasse. Siebels entdeckte Till in der hinteren Ecke des Ladens, er studierte die Nährwerte auf einer Zwieback-Packung.
»Vom Saulus zum Paulus was die Ernährung angeht, was? Deine Johanna scheint dich ja auch gut im Griff zu haben.«
»Sie arbeitet dran, Samstag morgens gibt’s immer Tee, nix mehr mit Kaffee.«
»Die machen uns fertig, die Weiber. Der Goldtraubensaft wurde Tetzloff wahrscheinlich auch zwangsweise von seiner Frau eingeflößt. Fragen wir ihn mal, ob er Mitglied in unserem Club werden will.«
»Bringen wir es hinter uns, die Kassiererin hat gerade keine Kundschaft.«
Das gleiche Ritual wie bei Douglas begann, Siebels schmückte die Geschichte mit dem demolierten Jaguar jetzt aber etwas besser aus. Die Verkäuferin schüttelte aber nur mit dem Kopf, die Frau auf dem Bild schien ihr nicht weiter bekannt vorzukommen. Siebels vergewisserte sich, ob sie auch am Samstag im Laden gewesen sei, was sie bejahte. Er wollte gerade wieder gehen, als Till tatsächlich mit dem Zwieback erschien und ihn bezahlte. Er packte auch gleich den ersten aus und fing an, an dem Zwieback zu knabbern.
»Schmeckt’s?«
»Lecker!«
»Lügner. Jetzt müssen wir in den Body-Shop. Da kannst du dir auch noch Faltencreme besorgen. Da um die Augen, da hast du schon lauter kleine Fältchen, das kommt vom vielen Cholesterin.«
»Nee, das kommt von dem Qualm, der mir im Büro immer in die Augen steigt.«
»Ach, jetzt bin ich schuld. Kann gar nicht sein, dann hätte ich ja auch Falten um die Augen.«
»Das waren vielleicht mal Falten, jetzt sind es Krater, was du da um die Augen hast.«
Die beiden liefen zur Hochform auf, auch in dem Body-Shop gaben sie keine Ruhe, die Verkäuferin hörte ihnen belustigt zu.
»Und wenn schon, das kommt vom Arbeiten. Außerdem macht mich das sexy, sagt Sabine.«
»Klar, wahrscheinlich bist du ihr süßes kleines Walross.«
»Kann ich Ihnen helfen?« Die junge Frau konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, wurde aber schnell wieder ernst, als Siebels erst seinen Ausweis und dann das Foto vorzeigte.
»Ja, die kenne ich. Das ist doch die Frau Tetzloff. Die kauft hier öfter mal ein. Immer nur Kleinigkeiten, mal ein Badesalz, mal eine Bodylotion. Was ist denn mit ihr?«
Diesmal erzählte Till die Geschichte von dem Jaguar. Die Frau blieb aber skeptisch. Man sah ihr an, dass sie nicht glaubte, was ihr gerade vorgegaukelt wurde. Siebels merkte das und bedrängte sie mit neuen Fragen, wollte ihr keine Gelegenheit zum Nachfragen geben.
»Kennen Sie Frau Tetzloff näher?«
»Nein, nicht wirklich. Ich hatte sie mal angesprochen, als sie das erste Mal hier eingekauft hatte. Sie war ganz nett gewesen, wollte aber nicht in ein tieferes Gespräch verwickelt werden. Seitdem begrüße ich sie einfach mit ihrem Namen, wenn sie mal wieder reinkommt. Früher mit Frau Deubinger, nach der Hochzeit mit Frau Tetzloff.«
»Ist Ihnen noch jemand aufgefallen, als Frau Tetzloff am Samstag hier war? Jemand, der kurz nach ihr in den Laden kam? Oder jemand, der draußen stand und sie beobachtet hat?«
Die Verkäuferin schaute die beiden ratlos an. »Ich kann mich nicht erinnern, nein, mir ist niemand aufgefallen. Das fragen Sie doch nicht wegen so einer Lappalie. Worum geht es denn wirklich?«
»Wenn Sie wüssten, was die Frau Tetzloff schon für Blechschäden angerichtet hat. Ihr Mann hat Anzeige gegen Unbekannt