Die kreisförmigen Strukturen der Ruinenstadt, von oben gut erkennbar, verloren an Deutlichkeit. Bröckelndes Gestein, poröse Polymere und geborstene Metallträger bildeten Hügel neben den Resten von Gebäuden, die einst so hoch gewesen waren, dass sie nicht nur an den Wolken gekratzt, sondern sie durchstoßen hatten. Die stolze, zum Himmel gereckte Skyline von Terras größter Stadt existierte nicht mehr.
Rhodan hielt nach den Resten einer architektonischen Blume Ausschau, nach einer Stahlorchidee, einen Kilometer hoch und mit fünf großen Blütenblättern, einem der Wahrzeichen von Terrania City, nicht nur Regierungssitz, sondern auch Museum für terranische Geschichte, ein Ort des Erinnerns und der Besinnung.
Er hörte, wie die Wissenschaftler von der NEY ELIAS leise miteinander sprachen, wie sie Aufnahmen machten, nachdem sie die Shenpadri um Erlaubnis gebeten hatten. Sie klangen beeindruckt, und Felix Ghiss machte keinen Hehl aus seiner Begeisterung, doch niemand von ihnen, nicht einer, hatte eine direkte, persönliche Beziehung zu der Stadt unter ihnen.
Während Rhodan einzelne Teile von Terrania City identifizierte – dort der Gobi-Park mit den Resten des STARDUST-Memorials, westlich davon Whistler-Arena und Zoo, weiter im Norden die Hängenden Gärten und die Dolan-Gedenkstätte, von der aus es nicht mehr weit war bis zum Residenz-Ring und Antares City –, dachte er zurück an seine Erlebnisse in der Stadt, die er selbst in der Wüste Gobi als Galakto City gegründet hatte, damals, nach dem ersten Schritt der Menschheit ins All und der Entdeckung des gestrandeten arkonidischen Schiffes auf dem Mond. Er dachte an ihre wechselhafte Geschichte, wie oft sie im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende zerstört und wiederaufgebaut worden war – eine riesige Metropole, der nie die Kraft zur Erneuerung gefehlt hatte.
Doch unter ihm lagen ihre Reste still und tot, auf Tellus, 3109 Lichtjahre vom Solsystem entfernt. Es gab keine Menschen in dieser Stadt – nichts regte sich in den wenigen Gebäuden und Gebäudekomplexen, die noch halbwegs intakt zu sein schienen.
Die wenigen Bewegungen in dem sich über Dutzende von Kilometern erstreckenden Ruinenfeld stammten von Robotern und Shenpadri, die zwischen halb eingestürzten Mauern und Säulenstümpfen gruben. Sie dirigierten Traktorstrahlen, die größere Trümmer zur Seite schoben und Zugänge zu den unterirdischen Anlagen freilegten – ein weit verzweigtes subplanetares Überlebenssystem. Oben hatte das Eis von der Stadt nicht viel übrig gelassen. Unten sah die Sache vielleicht ganz anders aus.
Rhodan beugte sich zu Amma Vargas. »Wir sollten landen und uns einen unmittelbaren Eindruck verschaffen.«
»Ich habe dich gehört, Seher und Erkenner«, sagte Shanlud, bevor Amma antworten konnte. Sein gefiederter Schlangenkörper ruhte in einem nahen Stützgerüst, dem Shenpadri-Äquivalent eines bequemen Sessels. »Du möchtest den Staub der Vergangenheit berühren?«
»Wir möchten Proben nehmen, wenn du gestattest, Ruinenhüter«, warf Zafer Young ein. »Ich bin Materialanalyst und auf entsprechende Untersuchungen spezialisiert.«
Shanlud hob den Schwanz und deutete mit allen drei Greiflappen nach draußen. Der Transporter neigte sich gerade zur Seite und flog einen engen Bogen, um dem Fächer eines Thermostrahls auszuweichen. Plötzlich schien die Stadt nicht mehr unter ihnen zu sein, sondern direkt neben ihnen.
»Genügt euch das nicht als Beweis? Wollt ihr die Stadt riechen und schmecken, um sicher zu sein, dass sie einst von Menschen erbaut wurde?«
Amma Vargas sagte sanft: »Manchmal müssen wir Menschen Dinge berühren, um an sie zu glauben.«
Von Shanluds Lingumaske kam ein seltsames Geräusch, vielleicht ein Seufzen. »Beweise wollt ihr, als ob nicht existieren kann, was eure Augen sehen. Nun gut. Landen wir, damit ihr berühren und eure Stadt riechen und schmecken könnt.«
*
Grauschwarze Roboter krabbelten wie Käfer zwischen den Ruinen oder schwebten in Antigravfeldern dicht über ihnen. Sonden schwirrten wie zu groß geratene Insekten über Mauern und eingestürzten Gebäuden, stiegen an den Resten von Türmen und Säulen auf und richteten ihre Scanner in dunkle Fensteröffnungen.
Die nächsten Thermostrahlen schmolzen das Eis viele Kilometer entfernt, etwa dort, wo sich Monggon-West befand, mit dem Saturn Way und dem Ararat-Drive, südlich vom STARDUST-Memorial. Wo die wärmenden Energievorhänge fehlten, die von den zylindrischen Schiffen weiter oben herabhingen, kroch die Kälte zurück, die noch im Boden steckte.
Rhodan schlug den Kragen seiner Jacke höher, obwohl kaum Wind wehte. Die Jacke war Teil eines getarnten Slender-SERUN, eines Schutzanzugs, dessen Memory-Morphing gewöhnliche Kleidung vortäuschte, wie auch bei Donn Yaradua und dem Siganesen, der wieder rittlings auf seiner fliegenden SCHOTE saß.
Die Wissenschaftler der NEY ELIAS begannen sofort mit Untersuchungen. Sie gingen und kletterten vorsichtig zwischen den Ruinen, sondierten mit Sensoren und fertigten detaillierte Aufzeichnungen an.
Die Shenpadri, einige von ihnen trugen Lingumasken, schwärmten mit Raupenschlitten aus, die ihnen ein hohes Maß an individueller Mobilität verliehen. Andere benutzten Antigravgürtel, stiegen mit ihnen bis zu fünfzig Meter weit auf und schwebten über den Menschen. Um sie zu schützen, wie Shanlud betonte. Aber zweifellos waren sie auch Wächter und Beobachter.
»Das Eis hat unübersehbare Spuren hinterlassen«, sagte Amma Vargas. Sie ging neben Rhodan über eine Straße, die er als Roi Danton-Boulevard identifiziert hatte, nach seinem Sohn benannt. Sie befanden sich zwei oder drei Kilometer westlich des Arkon-Square und waren in Richtung Forum Andromeda unterwegs.
»Es grenzt an ein Wunder, dass die Shenpadri so viel bewahren konnten. Ihre archäologische Kompetenz ist unbestreitbar. Alles wird genau vermessen und präzise dokumentiert.«
Shanlud bewies erneut ein außerordentlich gutes Gehör. Er neigte den Körper ein wenig zur Seite und steuerte seinen Raupenschlitten damit näher.
»Wir sind die besten Archäologen der ganzen Galaxis!«, rief er. »Der Mythos Terra, er ist hier! Die Völker der Galaxis werden ihn sehen, zu unseren Ehren und zum Ruhm von Magnatin Shoniun. Wenn alles vorbereitet und gesichert ist, laden wir sie ein.«
Rhodan glaubte zu verstehen. »Ein Museum?«, fragte er. »Ein planetares Museum?«
»Eine galaktische Sensation! Von uns präsentiert! Alle werden Magnatin Shoniun preisen! Alle werden den Namen des Ruinenhüters Shanlud kennen!«
Das Summen der Raupenschlitten wurde lauter, als die Shenpadri auf ihnen mit einem Tanz begannen, durch den ihre Vehikel hin und her glitten.
Rhodan beobachtete sie einige Sekunden lang, wandte sich dann ab und betrat ein Gebäude, das einmal mehrere Hundert Meter hoch gewesen war. Etwas, vielleicht die Eismassen, hatte es in Höhe des siebten Stocks abgenickt – die Trümmer der übrigen Stockwerke, groß und klein, bildeten im Norden eine lange Reihe zwischen den Ruinen.
Eine leere Eingangshalle nahm ihn auf. Er ging weiter, setzte im Halbdunkel vorsichtig einen Schritt vor den anderen und hörte, wie ihm Amma Vargas, Shanlud und einige andere folgten.
Bereits zuvor hatte er an Gebäuden und auf Straßen nach Anzeichen von Gewaltanwendung Ausschau gehalten, nach Hinweisen darauf, was Terrania City von der ihm bekannten Erde nach Tellus versetzt und in eine Ruinenstadt verwandelt hatte. Es gab keine Explosionskrater. Nichts deutete auf die Verwendung von schweren Waffen hin. Nirgends lagen Tote, die Leichen vom Eis konserviert, oder bleiche Knochen.
Donn Yaradua trat an Rhodans Seite. »Welche Erklärung könnte es geben?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Perry Rhodan. »Sammelt Daten, so viele wie möglich. Vielleicht finden wir dann Antworten.«
»Ist dies wirklich Terrania City? Von der Erde?«
»Ja«, sagte Rhodan. »Ja, es scheint tatsächlich die echte Stadt zu sein.« So fühlte es sich an.
»Aber wie ist das möglich?«
Donn