Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1). Perry Rhodan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Perry Rhodan
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan-Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845333458
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wusste Tsaras nicht. Wohl etliche Kilometer. Eigentlich kein Problem, aber wer nicht ständig aufpasste, sich nicht versteckte, nicht unablässig bereit war zu fliehen, fand den sicheren Tod.

      Von einem der Raubtiere zerrissen.

      Bei einem künstlich ausgelösten Erdbeben verschüttet.

      In einem unberechenbar vagabundierenden Feld mit mörderisch erhöhter Schwerkraft zerquetscht.

      Von einer Zone ohne Lebenserhaltung eingeholt, in der man erstickte oder erfror.

      Vielleicht fiel man auch einem anderen Gefangenen zum Opfer, der glaubte, etwas rauben zu können – Kleidung, Nahrung, ein simples Messer.

      »Pass auf!«, rief Desach.

      Alarmiert sprang Lirach auf, der bislang den improvisierten Holzspieß auf dem notdürftigen Haltegestell über dem Feuer gedreht hatte, auf dem die Fleischstücke garten. Er sah sich um, angespannt, zur Verteidigung bereit.

      Sein Bruder lachte. Ein selten gehörter Klang. »Kein Angreifer, du Idiot! Das Fleisch!«

      »Was?«, fragte Lirach verwirrt.

      »Es verkohlt! Dreh schneller!«

      Diesen Gefallen konnte ihm sogar Tsaras tun. Die Hitze des Feuers fühlte sich unendlich gut an und vertrieb jede Starre aus seinem Leib. Seine Bewegungen flossen geschmeidig und locker. »Ich übernehme das.«

      Lirach setzte sich, zog die Beine an und legte das Kinn auf den Knien ab. »Was sollen wir als Nächstes tun?«

      »Wir essen«, sagte Desach.

      »Du weißt, dass ich das nicht gemeint habe. Wie geht es ... überhaupt weiter? Immer rennen, fliehen, kämpfen, so gut wir es eben können, während unsere Vitalenergie abgesaugt wird ... bis es uns irgendwann erwischt?«

      »So läuft das Leben als Gefangener. Uns bleibt keine andere Wahl.«

      Doch, dachte Tsaras.

      »Doch«, sagte Lirach zu seiner Überraschung.

      »Und die wäre?«

      »Die Cairaner haben uns hierher gesteckt und rechnen damit, dass wir genau das tun. Ich will nicht länger ihre Erwartungen erfüllen.«

      »Sondern?«

      »Widerstand leisten.«

      Nach Lirachs Worten schwiegen alle.

      Tsaras drehte den Fleischspieß, und der Duft wurde immer köstlicher. Seine Zunge fühlte sich ausgetrocknet und sehnsüchtig an. »Wie stellst du dir das vor?«, fragte er schließlich. »Auszubrechen ist unmöglich. Es gibt keinen Weg!«

      »Wir können sterben«, sagte Lirach tonlos. »Ohne Not. Ohne dass die Cairaner uns dazu zwingen. Aus freier Entscheidung. Die erste freie Entscheidung seit Monaten.«

      Sein Bruder ballte die Hände zu Fäusten. »Du willst also aufgeben, dich umbringen und es Widerstand nennen, damit du dich besser fühlst?«

      »Falsch. Damit ich den Cairanern und ihrem verfluchten Vital-Suppressor nicht länger meine Lebensenergie liefere!«

      »Das ist Unsinn!«

      »Ach ja? Und hier von Tag zu Tag vor uns hinzuvegetieren, ist die letzte Weisheit, ja?«

      »Still!«, herrschte Tsaras sie an. »Alle beide! Ich weiß nicht, wie Terraner das beurteilen, aber für Sliwaner ist das Leben ein Geschenk.«

      »Als der Löwe angegriffen hat, wolltest du es wegwerfen«, sagte Lirach.

      »Um euch zu retten!«

      »Also zwingt ihr mich, weiter zu leiden?«, fragte Lirach.

      »Nein«, widersprach Tsaras. »Nur dazu, weiterzuleben. Du bemerkst den Unterschied hoffentlich selbst.«

      »Warum?«

      Desach stand auf, ging zu seinem Bruder und setzte sich dicht neben ihm. »Weil wir damit wirklich Widerstand leisten. Die Cairaner haben uns weggeschlossen. Uns aus dem Leben entfernt und in diese Raumstation gesteckt. Sie wollen uns loswerden. Aber eines Tages, irgendwann, wird jemand kommen und gegen sie aufstehen.«

      »Und dieser Held fliegt direkt von Terra hierher, was?«, fragte Lirach höhnisch. »Wach auf! Terra hat es nie gegeben, und es kommt niemand, der ...«

      »Aber es gibt den Residenten im Ephelegonsystem, und solange ich das weiß, habe ich ...«

      »... Hoffnung? Glaubst du das wirklich?«

      Desach nickte.

      »Liefere mir einen Beweis. Irgendeinen.«

      »Das kann ich nur, wenn wir weiterleben.«

      Plötzlich bewegte sich etwas, vielleicht fünfzig, sechzig Meter von ihnen entfernt, ein Stück zur Seite und an der Kraterwand nach oben versetzt. Eine Gestalt erhob sich hinter einem Felsbrocken.

      Sie stand so gebückt, dass die beiden langen Arme fast bis zum Boden hingen. Von der Hüfte aufwärts zog sich ein schwarzer Körperpanzer, der nur die Vorderseite des Kopfes freiließ. Sechs dunkelrote Augen gruppierten sich dort ringförmig um einen zentralen Mund, der offen stand und einen Kreis nadelspitzer Zähne freilegte.

      Ein Aankhpanali!

      Es lebten, nein, vegetierten etliche von ihnen in der Ausweglosen Straße – offenbar war dieses Volk bei den Cairanern unbeliebt, wenn sie so viele gefangen nahmen. Tsaras wusste sonst nichts über sie, denn in seinem früheren Leben hatte er nie von diesen Wesen gehört.

      »Darf ich zu euch kommen?«, rief der Fremde. Seine Stimme klang weich und sanft.

      Desach stand auf, zog unmissverständlich sein Messer. »Was willst du?«

      »Ich werde euch nichts wegnehmen!«

      »Also hat dich nicht der Duft des Bratens angelockt?«

      »Doch«, gab der Aankhpanali unumwunden zu, während er einige Schritte näher kam. Kleine Steinchen lösten sich bei seinen Füßen und kullerten in die Tiefe. »Natürlich habe ich Hunger. Wie jeder. Aber ich stehle nichts von eurem Eigentum. Bei euch gibt es Feuer. Wärme. Dort unten außerdem Wasser.« Er wies auf den See.

      »Vergiss es. Es ist nur Salzwasser«, sagte Desach. »Wieso sollten wir dir glauben, dass du kein Dieb bist?«

      »Weil ich den Braten an mich nehmen könnte, wenn ich wollte.«

      »Ach?«

      Der Spieß ruckte plötzlich aus Tsaras Griff und schwebte einen halben Meter in die Höhe. Reflexartig fasste der Sliwaner danach, doch er stieß ihn nur an, sodass er trudelte. Das Fleisch rutschte herab, löste sich und klatschte auf den Boden, während das Holz weiterhin in der Luft hing.

      »Entschuldigt«, sagte der Fremde. Der Spieß fiel ins Feuer. Funken stoben auf und verpufften. »Ich habe meine Gabe nicht gut unter Kontrolle.«

      »Du bist Telekinet?«, fragte Lirach, packte den Waffenarm seines Bruders und drückte ihn hinab.

      Der Aankhpanali kam näher. »Leider nur schwach, und wegen des Vital-Suppressors kann ich kaum etwas bewirken. Nur ein bisschen harmlose Zauberei mit einem Stück Braten.«

      »Wir teilen«, entschied Tsaras. »Wenn meine Freunde das nicht wollen, schenke ich dir meinen Anteil.« Die Vorstellung, in Zukunft zu viert unterwegs zu sein und einen Parabegabten bei sich zu wissen, gefiel ihm, und war dessen Psi-Kraft noch so schwach.

      »Wir dürfen ihm nicht einfach vertrauen!«, sagte Desach.

      »Vielleicht müssen wir das aber«, meinte Tsaras. »Könnte er nicht die Antwort auf deine Frage sein, warum wir weiterleben sollten? Es gibt Hoffnung – sogar auf der Ausweglosen Straße.«

      »Und wenn er uns in den Rücken fällt?«, flüsterte Desach.

      »Dann sterben wir eben«, sagte Lirach, noch ein wenig leiser.