Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1). Perry Rhodan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Perry Rhodan
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan-Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845333458
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gibst mir dieses Gefühl, ja.«

      »Nur ich?«

      »Nicht nur.« Sie kam auf ihn zu, zögerte ein wenig, nahm den zweiten Stuhl vom Tisch weg und setzte sich ebenfalls. Dabei wirkten ihre Bewegungen unsicher. Der sonderbare Stoff ihres Einteilers schillerte, als das Licht der Deckenlampe schräg auf ihn fiel. »Du hast mir die Frage noch nicht beantwortet. Wieso kommst du ohne meine Aufpasserin?«

      »Ich habe Siad im Vorfeld gebeten, uns allein sprechen zu lassen.«

      »Also brauche ich mir keine Illusionen zu machen – sollte ich später die Tür erneut öffnen, wird sie sofort zur Stelle sein?«

      Rhodan lächelte. »Es ist für jeden gut, sich nicht irgendwelchen Illusionen hinzugeben, sondern in der Wahrheit zu leben. Ich versuche das immer, sogar wenn es nicht unbedingt einfach ist. Es scheint mir, als wären Täuschungen allgegenwärtig.«

      »Warum bist du hier?«, fragte Zemina. »Doch nicht etwa, um mit mir zu philosophieren?«

      »Es ist ein guter Zeitvertreib, und ich bin sicher, du könntest einige interessante Gedanken beisteuern, und das, obwohl du vieles vergessen hast.«

      »Was mir in meinem Verstand und an meinem Körper fehlt«, sagte sie und legte ihre Hände gespreizt auf die Tischplatte, sodass das Fehlen der Finger geradezu ins Auge sprang, »wurde mir geraubt. Ein willentlicher Akt der Kriminalität. Es als einfaches Vergessen zu bezeichnen, ist eine Lüge. So viel zu Selbsttäuschung und Wahrheit, Perry. Ich werde denjenigen aufspüren, der mir das angetan hat.« Sie zog den Arm zurück. Die metallenen Hüte kratzten auf der Oberfläche.

      Ob die Fingerkuppen darunter ebenfalls fehlten? Rhodan hatte Zemina nie danach gefragt, und dies schien ihm ebenfalls nicht der geeignete Moment dafür. Sie war wütend und verletzt, und er hatte das Gefühl, dass sie vollkommen offen und ehrlich zu ihm war. Zum ersten Mal.

      »Wenn ich dir helfen kann, den Dieb zu finden, unterstütze ich dich gerne«, sagte er.

      »Danke. Aber deswegen bist du nicht zu mir gekommen. Also, Perry – was willst du wirklich?«

      Terra entdecken und der ganzen Galaxis beweisen, dass es meine Heimat gibt, dachte er.

      »Mit deinem Koffer sprechen«, sagte er.

      *

      »Also besuchst du eigentlich meinen Paau, nicht mich«, sagte sie.

      »Bist du enttäuscht?«

      Sie sah ihn an. »Eher vielleicht verletzt? Wer weiß das schon. Es braucht dich nicht zu scheren.«

      »Doch. Es ist mir wichtig, wie du dich fühlst. Und ohne dich hätte ich nie vom Paau erfahren. Oder seinen Fähigkeiten.« Rhodan winkte ab. »Er ist ein Gegenstand, nicht mehr, obwohl er kommunizieren kann. Hochstehende Technologie. Lass es mich so sagen: Ich bin zu dir gekommen, um deinen Rat zu erhalten. Wie soll ich mit deinem Koffer umgehen? Wird er mir etwas offenbaren?«

      Sie lachte, hell wie ein Sonnenstrahl an einem Nebeltag. »Du schmeichelst mir listig, Perry. Ich halte allerdings nicht viel von Ratgebern.«

      »Wieso nicht?«

      »Es gibt eine Geschichte in meinem Volk, die ...« Sie brach ab. Atmete tief durch. Und sah verwirrt aus.

      »Was ist mit dir?«, fragte er.

      »Ich habe mich daran vorher nie erinnert.«

      »Die Geschichte gehört also zu dem Teil deiner Erinnerung, den du verloren hast?« Er hob entschuldigend die Hand. »Die man dir geraubt hat?«

      »Ich weiß nicht. Was mir fehlt, kann nicht einfach zurückkommen. Es ist entfernt. Aus mir herausgeschnitten, körperlich oder mental. Doch es gibt ... wie soll ich sagen ... es existieren Randbereiche. Sie sind dunkel, aber sie können erhellt werden. Ich erlebe es gerade nicht zum ersten Mal. Dort liegt allerdings nie etwas Wichtiges. Nur Erzählungen. Geschichten. Das Aussehen von Kunstwerken. Der Gedanke an ein gemaltes Bild.«

      Rhodan stand auf, sah nachdenklich auf die kahle Wand ihres Quartiers. »Ich halte all das sehr wohl für wichtig, Zemina. Weil ohne all das viel im Leben fehlt. Gerade du weißt, wie es sich anfühlt, wenn man nicht komplett ist. Willst du diese neue Erinnerung mit mir teilen?«

      »Dir eine Geschichte erzählen?«

      »Warum nicht?«

      »Es gab in meinem Volk einmal einen Ratgeber. Er hieß Tassalo, und viele kamen zu ihm, um seine Meinung zu hören. Sie zahlten bis zur Hälfte ihres Besitzes an ihn, so sehr wurde sein Rat geschätzt. Doch eines Tages brach ein Krieg aus, und die gegnerischen Anführer wandten sich beide an Tassalo. Er riet dem einen wie dem anderen, wie sie den Sieg erringen konnten, ohne unnötiges Blut zu vergießen. An diesem Tag stand jedoch ein zweiter Ratgeber auf, dessen Name in der Historie verschollen ist. Er riet den Gegnern ebenfalls, und einer verwarf den Rat des Tassalo. Er siegte und schlachtete das befeindete Volk ab. Tassalo hörte es, ging in sein Haus, ordnete seine Dinge und erhängte sich.«

      »Das ist keine schöne Geschichte.«

      »Habe ich das behauptet? Aber sie zeigt, dass Ratschläge letztendlich zu Blut und Tod führen, und dass sie den Ratgeber nicht glücklich machen, mögen sie noch so weise sein.«

      »Hältst du sie für wahr?«

      »Was ist Wahrheit?«

      Rhodan lachte. »Siehst du? Du kannst einiges beitragen, wenn es ums Philosophieren geht. Etwas, das dein Koffer nie könnte. Darf ich nun zu ihm?«

      »Würdest du zulassen, dass ich dich daran hindere?«

      Er dachte kurz nach. »Ja.«

      Sie erhob sich ebenfalls, ein wenig unbeholfen oder mit zu viel Elan. Der Stuhl fiel um, und sie beachtete es nicht. »Komm mit.«

      Sie hätte ihn nicht führen müssen – den Paau in einer Ecke des Raumes konnte er schließlich kaum übersehen.

      Er stand hochkant und war fast genau 1,60 Meter hoch, einen Meter tief und einen Meter breit. Das Material der Hülle schimmerte metallisch blau – allerdings in einer Tonfärbung, wie Rhodan sie sonst nie gesehen hatte. Entrückt und fern.

      Es gab weder Schloss, Fuge noch Naht, doch er ließ sich öffnen, wie Rhodan wusste. Die Temperatur des Paau lag konstant bei 37,7 Grad Celsius, ähnlich wie bei einem Terraner. Wohl ein Zufall. Rhodan erinnerte sich, wie es sich anfühlte, den Koffer zu berühren; die Oberfläche fast wie Haut.

      Zemina schlief darin, und gemeinsam mit ihr war Rhodan in dem Koffer gereist – er funktionierte sowohl als Fluggerät als auch als Selbsttransmitter. Der Paau vermochte sich mit einem oder zwei Passagieren zu versetzen.

      Eine hochstehende Technologie, deren Niveau und Ursprung Perry Rhodan vor Rätsel stellte.

      Als gäbe es nicht genug ungelöste Fragen in dieser Zeit, in die es Rhodan und die Leute der RAS TSCHUBAI verschlagen hatte.

      Zemina legte die Hand auf eine Seitenfläche, und ein wohltönender Gongschlag ertönte. Sie verschob die Finger, klopfte, als würde sie Schlagzeug spielen. Der Paau gab Trommelschläge in einer fremdartigen, seltsam fröhlichen Melodie von sich.

      Rhodan fragte sich, ob sie den Koffer gewissermaßen erweckte ... oder ob sie musizierte. Beim letzten Mal war sie anders vorgegangen.

      Was immer sie tat, Rhodan fühlte sich dabei wohl.

      Unwillkürlich kam ihm in den Sinn, ob es dem Paau wohl genauso erging. Stimmte Zemina ihn vielleicht milde? Schmeichelte sie dem Koffer? So, als würde man Gucky das Fell kraulen, dachte er und wollte gerade nachfragen, als Zemina den Paau ansprach.

      »Ich habe Besuch. Du kennst ihn.«

      »Perry Rhodan«, antwortete der Koffer und verzichtete zu Rhodans Überraschung vollkommen auf die Floskel Ich bin der Paau, die er womöglich nur für »Gastnutzer« reserviert hatte. Die Stimme grollte allerdings weiterhin wie ferner Donner. Die Oberfläche blieb dabei völlig unbewegt, die Worte kamen von überall