Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1). Perry Rhodan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Perry Rhodan
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan-Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845333458
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nicht?«

      Rhodan trat näher, streckte die Hand aus und sah Zemina fragend an.

      »Du musst nicht«, sagte sie.

      Also kann und darf ich, dachte der Terraner und legte die Fingerspitzen auf eine der gerundeten Kanten. Es fühlte sich richtig an. »Du bist ein wertvolles Artefakt«, sagte er.

      »Das ist der Paau«, stimmte der Koffer zu.

      Rhodan fiel auf, dass er nunmehr das Pronomen ich vermied und seltsam geschraubt in der dritten Person von sich sprach. Wollte er damit indirekt ausdrücken, kein Individuum zu sein, über kein Bewusstsein zu verfügen? Oder trat er bewusst hinter seine Besitzerin zurück? Oder interpretierte Rhodan zu viel in die Worte eines Gegenstands hinein?

      Der Terraner entschied sich, offensiv zu fragen. Was schadete es, in die Vollen zu gehen? »Was weißt du von der Geschichte der Milchstraße in den letzten 500 Jahren?«

      »Der Hyperfunkverkehr gibt viele Informationen.«

      »Zu viele«, sagte Rhodan.

      Natürlich hörte ANANSI auf der RAS TSCHUBAI und genauso OXFORD, die Hauptpositronik der BJO BREISKOLL, und mit ihnen eine ganze Heerschar von Leuten den Hyperfunk ab. Man sichtete die Informationen ... doch es herrschte in dieser Hinsicht reines Chaos.

      Ja, es gab Informationen. Zu nahezu jedem Ereignis kursierten allerdings eine Menge einander widersprechender Aussagen. Die sogenannte Datensintflut hatte jegliches Wissen korrumpiert. Fand man endlich eine Feststellung etwa über das Solsystem, dauerte es nicht lange, bis man das Gegenteil als Stichwort aus irgendeinem Datennetz herausfilterte. Manches schien sich zu bestätigen oder zu verdichten, aber echtes Tatsachenwissen war mehr als rar. Noch blieben die aktuelle Milchstraße und ihr Gefüge weitaus fremder und unbekannter, als es Rhodan lieb war.

      Weil der Koffer nicht reagierte, ergänzte der Terraner: »Ich hoffte, dass du Fakten kennst, die ...«

      »Diese Information steht nicht zur Verfügung«, fiel der Paau ihm ins Wort.

      Er ahnte, wo das alles hinführen würde. »Wann genau sind die Cairaner aufgetaucht, und in welchem Verhältnis stehen sie zu den Ladhonen?«, fragte er, um irgendetwas zu fragen.

      »Diese Information kann aus bestimmten Gründen nicht mitgeteilt werden.«

      »Also weißt du es nicht?«

      »Diese Information steht nicht zur Verfügung.«

      Rhodan ließ die Fingerspitzen über eine Seitenfläche des Koffers wandern. Ein hoher Summton erklang, ein wenig ähnlich dem Vibrieren eines straff gespannten Fells einer Trommel. Er sah Zemina an. »Er ist nicht sehr redselig.«

      »Habe ich das behauptet?«

      Rhodan grinste. Genau diese Formulierung hatte sie vorhin schon verwendet, als es um die Geschichte über die beiden Ratgeber ging. »Hast du ihn gebaut?«, fragte er. »Oder jemand aus deinem Volk?«

      »Das weiß ich nicht. Ich weiß ja nicht einmal, welchem Volk ich angehöre!«

      Demjenigen, das sich die Geschichte des weisen Ratgebers Tassalo erzählt, dachte Rhodan. Er würde OXFORD nach diesem Namen und dieser Erzählung suchen lassen. Ein vager Hinweis, aber vielleicht gab es einen Zufallstreffer.

      Seltsam – er glaubte ihr sofort, während er bei dem Paau das Gefühl hatte, hingehalten zu werden. »Ich wüsste gerne mehr über die Milchstraße dieser Zeit.«

      »Willst du wissen, wie sie aussieht?«, fragte der Koffer.

      »Selbstverständlich.« Natürlich kannte er die heimatliche Galaxis, besser als nahezu alle anderen. Er hatte sie ein unsterbliches Leben lang erforscht, zahllose Holoaufnahmen gesehen und tausendfach aus Raumschiffen nach draußen geblickt. Der Anblick der Sterne und ihrer Majestät ergriff ihn jedes Mal wieder aufs Neue.

      Der Paau projizierte ein münzgroßes Holo vor sich. Es schwebte greifbar nah vor Zemina. Wenn sie den Arm ausstreckte, könnte sie die Faust darum schließen.

      Rhodan kannte dieses Prinzip. Während der Reise im Koffer hatte dieser so seine Umgebung gezeigt – winzig und detailreich. Doch das aktuelle Holo übertraf das damalige bei Weitem. Eine Unmenge an optischen Daten ließ sich erahnen – die ganze Galaxis komprimiert auf die Größe einer Münze.

      »Meine Augen sind nicht gut genug, um damit etwas anfangen zu können«, sagte der Terraner.

      »Meine ebenso wenig«, meinte Zemina.

      »Diese Beschränkung ist bedauernswert«, donnerte der Paau.

      »Kannst du die Daten des Holos an das Schiff übermitteln?«, fragte Rhodan.

      »OXFORD ist es möglich, sie zu empfangen«, antwortete der Koffer.

      Also kannte er die Schiffspositronik zumindest mit Namen. Ob es bereits Kontakt oder gar Austausch gegeben hatte? Hatte sich der Paau womöglich Wissen angeeignet, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre?

      Der Gedanke weckte ein mulmiges Gefühl.

      »OXFORD?«, sagte Rhodan.

      Die Positronik reagierte auf den Sprachbefehl. »Ja, Perry?«

      »Du erhältst ein Datenpaket. Untersuche es.« Den Zusatz auf gefährliche Beigaben wie Schadprogramme konnte er sich sparen, denn das verstand sich von selbst, ohne dass er es vor Zemina und ihrem Koffer aussprach. »Danach projiziere das Holo vergrößert für uns.«

      OXFORD bestätigte.

      Scheinbar geschah nichts während der nächsten Sekunden, ja sogar Minuten – eine erstaunlich lange Zeit für Positroniken, in der gewaltige Datenmengen ausgetauscht und analysiert werden konnten.

      Rhodan sah zu, wie Zemina offenbar gedankenversunken ein paar Schritte zurückging, sich gegen die Wand lehnte und unbewegt stehen blieb.

      Dann ploppte das Holo auf, und es erfüllte den ganzen Raum. Sterne tanzten auf den Wänden, über die Möbel und die beiden Menschen, weil die Wiedergabe sich langsam drehte.

      Das perfekte Abbild zeigte ohne Zweifel die Milchstraße, aber Rhodan sah sofort, dass etwas daran seltsam war.

      Erstes Zwischenspiel

      Tsaras roch das Fleisch des Yiru-Löwen, das über dem kleinen Feuer briet.

      Das Holz der geborstenen Schuppenwand brannte gut. Desach und Lirach hatten es hinab in den Krater geschleppt. Sie lagerten gerade hoch genug, dass sie die giftigen Schwaden nicht erreichten, die aus dem blubbernden Salzsee unter ihnen aufstiegen.

      Die Umgebung behielten sie genau im Auge – zwar hofften sie, dass der Rauch und der Duft den Krater nicht verlassen würden ... aber sicher konnten sie nicht sein.

      Denn auf der Ausweglosen Straße durfte man nie sicher sein.

      Sie befanden sich inmitten einer der wenigen Erhebungen in dieser seltsamen, künstlich erschaffenen Welt des Straflagers, das letztendlich eine spezielle Raumstation war, die im Orbit eines Planeten schwebte, dessen Name Tsaras längst vergessen hatte.

      Manche sagten, es gäbe Hunderte Gefangene, andere sprachen von Zehntausenden. Tsaras hielt eher einige Tausend für wahrscheinlich, doch Beweise gab es dafür nicht. In den meisten Gegenden, wie etwa diesem Krater oder den Geröllwüsten rundum, traf man kaum auf jemanden – im Ankunftsdorf, wo es hin und wieder Lebensmittellieferungen gab, tummelten sich häufig zwei-, dreihundert Lebewesen.

      Wie viele sich über das ganze Straflager verteilten, wusste niemand. Außer den Cairanern, die ihre Gefangenen abluden und wahrscheinlich vergaßen.

      Die Ausweglose Straße bildete die Form eines Rings, dessen Öffnungen zu beiden Seiten ein von innen undurchsichtiges, glasartiges Material verschloss.

      Das Leben spielte sich auf der Innenseite ab, die Schwerkraft zeigte jeweils zum Ring hin. Blickte man nach oben, sah man nicht etwa in einen Himmel, sondern konnte die Oberseite erahnen – ein Anblick, der Tsaras jedes Mal deprimierte.