Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1). Perry Rhodan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Perry Rhodan
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan-Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845333458
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Blitze am Kuppelhimmel immer wieder für Sekundenbruchteile aufblitzten wie Kupfer. Licht benötigte sie keines.

      Nur ein paar Momente ... es war genügend Zeit.

      Seit mehr als fünfzig Tagen hatte sie keinerlei Verfehlungen begangen. Na ja, fast keine. Keine gravierenden. Zumindest keine, die erkannt worden wären. Den Ü-Freund zu hassen war zwar verboten, aber zumindest in ihr Herz konnte ihr das Triumvirat nicht blicken.

      Irgendwie juckte es sie, einmal auszubrechen und gegen die strikten Vorschriften zu verstoßen. Ein ... Zeichen zu setzen.

      Mit einem minderen Vergehen wäre ihr nicht gedient. Solche wurden stillschweigend geduldet. Die Meldestelle wusste, dass ein geringer Verstoß gegen die Regeln half, dem immensen Druck zu begegnen, dem die Bewohner der Zuflucht Tag für Tag ausgesetzt waren.

      Die Verborgenen waren die letzten Menschen. Ohne sie stürbe ein jahrtausendealtes Erbe. Honams Verborgenheit war alles, was geblieben war nach jenem furchtbaren Schicksalsschlag, der die Galaxis entlebt hatte: dem Ek-Feuer.

      Sie war es der Menschheit schuldig, sich zu unterwerfen. Sie war es der Zukunft schuldig, in der Gegenwart zu dienen.

      Nur ein Moment der Ruhe ... der Erinnerung, die sie nicht selbst erlebt hatte.

      Sie ging in den Keller des Gemeinheims, in dem es still war. Sie legte Kleidung und Ausrüstung ab, einfach auf eine einfache Holzbank vor der Tür, dann betrat sie den dahinterliegenden Raum.

      Sanftes Licht umfing sie, leise, sonderbare Geräusche hallten wie ferne Echos schlecht geölter Maschinen.

      Climba überlegte, ob sie sich in eine Ruhekuhle legen und ein wenig erholen sollte. Nur ganz kurz ...

      Nein!

      Sie benötigte die Stille der Ruhekuhlen nicht. Sie war aus einem anderen Grund in den Keller hinabgestiegen. Nicht des Stillraums wegen, sondern wegen des Sichtraums. Sie benötigte den Blick auf das, was früher einmal gewesen war und das stets aufs Neue eine schier unstillbare Sehnsucht in ihr weckte.

      Also ging sie durch die nächste Tür, glatt und warm, Kunststoff über Stahl, und betrat den Sichtraum. Das etwa zehn mal vier Meter große Zimmer bestand nur aus vier kahlen Wänden und dem nackten Boden. Und er war leer. Kein Hausbewohner benutzte ihn zu dieser frühen Stunde.

      Sie berührte noch im Eintreten das Sensorfeld neben der Tür und aktivierte damit den gesamten Sichtraum.

      Und plötzlich war der Raum fort, so wie es sein sollte. Sie wusste, dass all das nicht real war, aber sie sehnte sich nach dem Tag, nachdem die Wirklichkeit zum Holo und das Holo zur Wirklichkeit wurde.

      Jedes Mal aufs Neue berührte sie das, was sie nun zu sehen und hören bekam, ganz tief in ihrem Inneren.

      Da waren Bewegungen, da war Leben.

      Geräusche, die von einer Schriftleiste als Krächzen bezeichnet wurden. Sie stammten von Vögeln, die durch himmelblaue Leere schwebten. Da und dort zeigten sich weiße faserige Strukturen – Wolken! –, die von einer gelben Lichtquelle beschienen wurden. Sonne. Sie war so grell, dass Ossy-Benk nach wenigen Sekunden die Blicke abwenden musste.

      »Himmel«, wiederholte sie leise die projizierten Begriffe. »Vögel. Wolken. Sonne. Leben.« Und noch einmal: »Himmel. Vögel. Wolken. Sonne. Leben.«

      Sie hätte die Texteinblendung nicht benötigt. Climba Ossy-Benk kannte all diese Worte gut. Sie waren Teil ihrer Sehnsüchte, ihrer Träume, ihrer Hoffnungen.

      Honams Verborgenheit kannte Vögel, immerhin vier unterschiedliche Arten, die in dem möglichst einfach gehaltenen Ökosystem existierten. Ihr Tschilpen war kläglich, ihr Lebenswille zäh, aber uninspirierend. Angeblich hatte es vor zwei Generationen drei weitere Spezies gegeben, doch sie waren ausgestorben. Die Vögel hatten schlichtweg die Abgeschlossenheit ihrer kleinen Welt nicht ertragen. Oder waren leichte Beute für ausgewilderte Wachkatzen geworden.

      Werden wir auch einmal aussterben? Besser gesagt: Wie lange wird es dauern, bis Honams Verborgenheit untergeht?

      Die Frau mit dem rotbraunen Haar, das im Licht der falschen Sonne wie poliertes Kupfer schimmerte, gab sich einen Ruck. Solcherlei Gedanken würden dem Triumvirat der Ewigen ganz und gar nicht gefallen.

      Einmal im Monat durfte sie eine Hauptbefragung unter Einfluss von Codynaps über sich ergehen lassen. Und wenn sie dabei diese im Kopf gehorteten Ideen preisgab, drohte ihr und ihrer ganzen Familie die Abstufung. Sie würden das Gemeinheim verlassen müssen. Dann blieben lediglich die Elends- und Geburtendistrikte.

      Climba Ossy-Benk ließ die Bilder auf sich einwirken. Fünfzehn Minuten dauerte eine volle Sitzung. Sie nutzte diese Zeit und hob andere Begriffe wie Schätze aus dem Ozean ihrer Sehnsucht:

      Meer. Schiff. Korallen.

      Wüste. Dürre. Hitze.

      Eis. Gletscher. Sprudelndes Wasser.

      Im Sichtraum verwirbelten alle Eindrücke und Bilder.

      Schließlich legte sich getragene Streichermusik über die Gedanken, und die Holos verschwanden spurlos.

      Climba war traurig. Eigentlich sollten der Still- und der Sichtraum für einen Schub an Freude und Lebenswillen sorgen.

      Bei ihr war stets das Gegenteil der Fall. Sie sah nicht das, was sein konnte und was das Triumvirat als ferne Zukunft für Honams Vergangenheit haben wollte. Sie sah nur, was einst gewesen war und was sie niemals in ihrem Leben bekommen würde.

      *

      Climba verließ das Gemeinheim und schlug sich den Mantelkragen hoch. Von der geölten Oberfläche perlte der Regen ab, Wasser spritzte unter ihren schnellen Schritten. Sie lag hinter ihrem eigenen Zeitplan, würde sich wohl fast fünf Minuten verspäten.

      Ihr Weg zum Wissens-Parlour führte sie an den Kinderfabriken vorbei über die kleine Brücke und entlang einer lockeren Reihe von Eidechsen, Katzen und Bekkars, ausnahmslos Wachtiere des Triumvirats.

      Das nur aus einem massiven Zentralbau und vielen flachen, gedrungenen Türmen bestehende Gebäude, in dem sie arbeitete, wuchs vor ihr an. Der Regen hörte auf.

      Nur das Wetterleuchten unter der Kuppel blieb.

      Climba steuerte den hellen Turm an, in dem sie arbeitete. Er unterschied sich von allen anderen und war ihnen doch gleich, so wie jeder in Honams Verborgenheit. Einheitlichkeit. Wer ihr an diesem Tag wohl den Verspätungsvermerk notieren würde?

      Es war einerlei. In ihren Gedanken waren Sonne. Ozeane. Klirrende Kälte. Flirrende Hitze. Frische Luft.

      Honams Verborgenheit mochte das Leben an sich bewahren, aber sie machte das Leben an diesem Ort trübsinnig. Und nicht nur sie: Die meisten waren auf die eine oder andere Weise vom Leben abgestoßen, ohne es aktiv beenden zu wollen.

      Das Triumvirat wollte das Richtige, aber erreichte das Falsche. Obwohl sie eine solche Meinung unter keinen Umständen kundtun durfte. Am besten sprach sie nicht einmal zu Hause von ihrem Besuch im Keller, weil sie nicht wusste, ob sie dabei ihr Mienenspiel unter Kontrolle halten konnte. Beim geringsten Verdacht würde Equidur sie sonst zu einer Hauptbefragung bitten.

      Die Tür zu ihrer Abteilung im Wissens-Parlour öffnete sich quietschend. Ein gelangweilter Wächter grüßte sie und gähnte. Er trug graue, bequeme Kleidung, unter der sich aber garantiert Schutztechnologie verbarg. Sie kannte sein Gesicht und wechselte daher einige Worte mit ihm. Darauf kam es nun auch nicht mehr an.

      *

      Climbas Arbeitsplatz war eine kalte, zugige Halle im Zentralbau, den sie sich mit mehr als hundert anderen Forschern teilte.

      Gelehrte aus allen Fachrichtungen waren im Wissens-Parlour versammelt. Die meisten arbeiteten der Lebensoptimierung zu, eine besonders ehrenwerte Aufgabe, wie die meisten annahmen, da jenes Ministerium damit beauftragt war, die Lebensumstände der Verborgenen zu verbessern.

      Leider wussten einige, zu denen auch Climba gehörte, dass das Ministerium damit auf verlorenem Posten kämpfte. Honams