Der Name PEP wird von vielen Anwendern und Klienten zudem positiv konnotiert, da PEP nun eben auch peppig klingt. Menschliches Leid wiegt häufig schwer genug, so sollten doch zumindest die Leidensveränderungsmaßnahmen (also z. B. Psychotherapie) auch Freude machen dürfen, und auch Leichtigkeit, Zuversicht und wertschätzender Humor sollten ihren Raum haben. Für mich gilt deshalb – und dies auch aus eigener Klientenerfahrung:
»Man kann Leichtigkeit, Zuversicht und Humor gar nicht ernst genug nehmen.«
Da die Teilnehmer meiner Workshops immer wieder explizit erwähnen, dass ihnen die Leichtigkeit, die Zuversicht und der Humor (auch bei sogenannten schweren Themen) so guttäten, habe ich mich dazu entschlossen, auch diesen beiden Aspekten in diesem Buch Raum zu geben. Bei all jenen, die sich mehr Ernsthaftigkeit, Bedeutsamkeit und einen wissenschaftlicheren Stil wünschen, möchte ich mich schon hier entschuldigen.
Meine Absicht ist es nicht, der wissenschaftlichen Gemeinschaft mit diesem Buch ein in der Sprache der Wissenschaft abgefasstes, nüchternes und mit der für wissenschaftliche Publikationen gehörigen Zurückhaltung verfasstes Buch vorzulegen oder mit diesem Buch die skeptischsten Zeitgenossen zu überzeugen. Ich selbst bin Praktiker und will gar nicht verhehlen, dass ich nach wie vor fasziniert bin von dem, was ich an Erfahrungen mit der PEP in der psychotherapeutischen und der Coachingpraxis mache und was mir von mittlerweile mehr als 3500 Seminarteilnehmern und Kollegen berichtet wurde. Natürlich begrüße ich es sehr, dass sich mehr und mehr Kollegen auch an Hochschulen des Themas aus wissenschaftlicher Sicht annehmen. Dieses vorliegende Buch jedoch ist für Praktiker geschrieben und will aufzeigen, was sich hinter dieser zunächst ungewöhnlich anmutenden Methode PEP verbirgt und wie sie sich in verschiedenste Arbeitsweisen prozessorientiert integrieren bzw. damit kombinieren lässt.
Aus wissenssoziologischer Sicht gibt es aber noch ein paar Beobachtungen, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Das Autorenteam um Geßner-van-Kersbergen, Aalberse und Andrade hatte 2012 ein sehr umfangreiches Buch zu den Klopftechniken (Aalberse u. Geßner-van-Kersbergen 2012) vorgelegt, in dem es auch diesen Autoren ein Anliegen ist, die positiven Erfahrungen der Klopftechniken vor allem neurobiologisch zu erklären. Andrade ist Arzt und Psychoneuroimmunologe und hat eine Fülle von spannenden Ergebnissen aus der Akupunkturforschung und eigenen Untersuchungen vorgelegt, die hier gar nicht im Einzelnen erwähnt werden können. Das Buch ist eine echte Bereicherung im Feld der Klopftechniken, und das Autorenteam hat einen Begriff geprägt, der Psychotherapiegeschichte schreiben könnte – sie sprechen von bifokal-multisensorischen Aktivierungen/Stimulationen bzw. bifokal-multisensorischen Interventionsstrategien/-techniken (BMSI). Hiermit war zunächst ein neuer Begriff für bestimmte Klopftechniken eingeführt worden. Auch diese Terminologie lässt die energetischen Wirkhypothesen hinter sich und fokussiert auf neurobiologische Wirkmechanismen. Die Terminologie lässt sich aber auf alle Bottom-up-Techniken anwenden, die zunächst ein belastendes Thema aktivieren und dann gleichzeitig (also bifokal, unter Herstellung einer geteilten Aufmerksamkeit) multisensorische Stimuli wie z. B. Augenbewegungen, haptisch-taktile Stimuli wie Klopfen setzen, oder die mit Gerüchen, dem Geschmackssinn oder Geräuschen arbeiten.
Nachdem ich von diesem Begriff bifokal-multisensorische Interventionstechniken (BMSI) gelesen und einen sehr inspirierenden Austausch mit dem Hirn- und Haptikforscher Martin Grunwald in Leipzig hatte, hat sich in mir mehr und mehr die Idee verfestigt, einen Kongress zu diesem Thema anzuregen. Der Begriff bifokal-multisensorische Interventionsstrategien erschien mir als einender Hauptnenner für viele innovative Techniken wie Brainspotting, EMDR, EMI, hypnotherapeutische Ansätze, Aufstellungsphänomene, sämtliche Klopftechniken und PEP. Der Begriff BMSI schien auch geeignet, zwischen den erwähnten Ansätzen mögliche Hürden und Ressentiments zu überwinden und sich hinsichtlich der Wirkhypothesen und praktischer Anwendungen gegenseitig zu inspirieren und voneinander zu lernen. Das hatte in mir den Wunsch geweckt, unterschiedliche Vertreter aus den verschiedenen Bereichen zusammenzubringen. Ich hatte ohnehin vor, mit der Carl Auer Akademie eine größere Veranstaltung zu PEP durchzuführen. Da ich von dem Thema so sehr angetan war, habe ich blitzschnell Gunther Schmidt und Bernhard Trenkle gefragt, ob sie auch Interesse an einem solchen Kongress hätten. Das sofortige große Interesse beider hat dazu geführt, dass wir eine Tagung mit dem Titel Reden reicht nicht! 2014 in der Heidelberger Stadthalle geplant haben, zu der wir neben Hirn- und Psychotherapieforschern Vertreter der verschiedenen bifokal-multisensorisch arbeitenden Techniken einladen wollten. Was dann hinsichtlich der Anmeldungen passierte, sprengte sämtliche Grenzen. Die Tagung war innerhalb von drei Wochen weit ein Jahr vor Beginn der Veranstaltung mit 1300 Plätzen ausgebucht. In den folgenden Tagen bekamen wir dann noch ca. 1000 weitere Anmeldungen, die eine so noch nie da gewesene Warteliste darstellten. Nach 2014 hat es dann noch zwei weitere (2016 und 2019) sehr erfolgreiche und ausgebuchte Tagungen mit dem Titel Reden reicht nicht!? gegeben. Wir haben da wohl mit dem Thema den Nerv der Zeit getroffen.
Ein wesentlicher Aspekt, der mir am Herzen liegt, ist neben der Entmystifizierung der Klopftechniken die Kombination von psychodynamischem, hypnotherapeutischem, systemischem und verhaltenstherapeutischem Wissen mit den bifokal-multisensorischen Aspekten der Klopftechniken. Hierzu zählt die für mich atemberaubende Entdeckung, dass eigentlich immer die gleichen ein bis fünf psychodynamisch-systemischen Gründe vorliegen, wenn BMSI-Techniken, aber auch Psychotherapie generell, nicht wirken. Diese Blockaden habe ich deshalb als die »Big-Five«-Lösungsblockaden (S. 62) bezeichnet. Sie haben mich wieder mit psychodynamischen Ansätzen versöhnt und auch dazu geführt, dass Kolleginnen und Kollegen mit psychodynamischem, tiefenpsychologischem und psychoanalytischem Hintergrund ein großes Interesse an PEP haben und PEP gut integrieren können. Auch der Kognitions-Kongruenz-Test (S. 80) hat sich als beeindruckendes diagnostisches Instrument für vor- und unbewusste Blockaden bewährt. Mit diesen Elementen und dem zu PEP gehörenden Selbstwerttraining weist PEP weit über den Status einer bifokal-multisensorischen Klopftechnik hinaus.
Nicht zuletzt ist es mir ein wichtiges Anliegen, auf die wesentliche Bedeutung der therapeutischen Beziehung und der inneren Haltung des Therapeuten einzugehen. Die innere Haltung, so hat es der Hypnotherapeut Jeffrey Zeig einmal bezeichnet, ist eine hoch wirksame Tranceinduktion, und unser innerer Zustand hat nicht erst seit der von Stephen Porges (2010) beschriebenen Polyvagal-Theorie einen direkten stresssteigernden oder stressmindernden Einfluss auf unser Gegenüber. Somit ist PEP gekennzeichnet von einer inneren Haltung, die bei aller Würdigung des Leids auf dem Fundament von Wertschätzung, Leichtigkeit, Zuversicht und Humor steht. Ohne solch eine humanistische Grundhaltung laufen die bifokal-multisensorischen Techniken Gefahr, eine inhumane, leistungsorientierte und technische therapeutische Atmosphäre zu erzeugen. Wie könnte man Paracelsus im 21. Jahrhundert, also in einer Zeit, in der Effizienz, Technikorientierung und Machbarkeitswahn uns alle nicht gänzlich unbeeinflusst lassen, ergänzen? Die wichtigste Arznei für den Menschen ist (und bleibt, M. B.) der Mensch.
Da die Geschwindigkeit, mit der sich PEP inhaltlich weiterentwickelt hat und mit der es im psychotherapeutischen Feld wahrgenommen wird, von Anfang an recht turbulent war und in den letzten Jahren noch einmal deutlich zugelegt hat, musste PEP immer wieder neu und aktualisiert beschrieben werden. Vieles hat sich verändert. Teils betrifft es konkrete Abläufe in der PEP, teils den Blick auf PEP als Ganzes, dann wiederum die Forschungslage zu den Klopftechniken allgemein und zu PEP im Besonderen, also die Forschungsprojekte hier in Hannover in der Arbeitsgruppe Neuropsychophysiologie der Emotionsregulation des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Wir haben hier die drei weltweit ersten bildgebenden Studien zum Klopfen und zu PEP mittels fMRT durchgeführt.