Männer waren als Arbeitskräfte gefragter. Sklavinnen verrichteten seltener qualifizierte Arbeiten und hatten deshalb geringere Chancen auf eine Freilassung als ihre männlichen »Kollegen«. Privilegiert waren nur jene, die im direkten Kontakt für Römerinnen der Oberschicht oder gar des Kaiserhauses arbeiteten – als Hebammen, aber auch als Vorleserinnen oder Gesellschaftsdamen. Sehr reiche Frauen beschäftigten Sklavinnen, die ihnen den Sonnenschirm halten oder den Trittschemel zum Ausstieg aus der Sänfte tragen mussten. Auf diese Weise konnte im täglichen Umgang ein Vertrauensverhältnis entstehen, das den leibeigenen Frauen Vorteile verschaffte und ihnen den Weg zur Freilassung bahnte.
Und noch eine Möglichkeit gab es, der Sklaverei zu entrinnen: dem eigenen Herrn eine stattliche Anzahl von außerehelichen Kindern zu gebären. Wenn er nicht wollte, dass diese als Sklaven aufwuchsen, ließ er ihre Mutter frei. Manche Besitzer heirateten sogar ihre Lieblingssklavin, allerdings war das nur für in den unteren Ständen geduldet, Rittern und Senatoren war eine solche Mesalliance gesetzlich verboten.
Frauenarbeit war im Volk weit verbreitet, besonders im Gastronomiebereich und im Handel. Insgesamt waren in der frühen Kaiserzeit mehr als hundert Frauenberufe bekannt, von der Amme bis zur ornatrix, der Friseurin, wörtlich »Schmückerin«, der Oberschichtsfrauen. Frauen waren Schankwirtinnen oder Kellnerinnen, sie verkauften Lebensmittel, Parfüm, Kleidung und Juwelen. Die römischen Theater und Arenen kannten Schauspielerinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen und sogar Gladiatorinnen. Deren gesellschaftliches Ansehen war gering, ihr Einkommen dafür jedoch umso höher. Unzählige Frauen arbeiteten in Bordellen, andere in Handwerksbetrieben, vor allem in der Textilproduktion, und nicht wenige hatten ihr eigenes Unternehmen. In Pompeji etwa stieg die Ziegelei-Besitzerin Eumachia zur Schirmherrin ihres Berufsverbandes auf, vertrat also als Lobbyistin auch Männer.
Im Senatorenstand gab es keine Berufstätigkeit, weder für Männer noch für Frauen. Auch bei der Bildung wurden gemeinhin wenig Unterschiede gemacht. Töchter wie Söhne wurden von griechischen Lehrern erzogen, die ihnen Grundzüge der Grammatik und der Mathematik, in selteneren Fällen auch Philosophie und Rhetorik beibrachten. Bildung gehörte für die Mädchen zum notwendigen Gepäck, um sich möglichst Gewinn und Prestige bringend für ihre Ursprungsfamilie zu verheiraten. Liebesheiraten waren Glückssache, von den Vätern vereinbarte Verbindungen üblich. Das Mindestalter für die Hochzeit lag für Mädchen bei vierzehn Jahren, aber Verlobungen im Kleinkindalter waren, wie wir noch sehen werden, keine Ausnahme.
War sie erst einmal matrona (Ehefrau), so hatte die Oberschichts-Römerin eine Menge Freiheiten. Ihre Teilnahme an Gastmählern, wo Männer und Frauen selbstverständlich nebeneinander lagen, war nicht nur normal, sondern ausdrücklich erwünscht. Idealerweise konnten Frauen bei einem solchen convivium geistreich über Kunst, Literatur und Philosophie plaudern, allerdings ohne mit ihrem Wissen anzugeben und die anwesenden Männer übertrumpfen zu wollen. Dieser Balanceakt für die gebildete Frau war schon im alten Rom nichts Neues.
In Abwesenheit ihres Gatten durfte die matrona auch allein zu einem Abendessen außer Haus gehen. Manchmal waren ganze Gruppen von Frauen gemeinsam unterwegs – was bekannt ist, weil Cicero einmal einen Mann verteidigte, der wegen Belästigung einer solchen Frauengruppe angeklagt war. Die gemeinsam genossene Geselligkeit unterschied die Römer von den Griechen, bei denen Frauen im öffentlichen Raum tabu waren und auch private Gastmähler eine rein männliche Angelegenheit blieben. Aus Rom sind derartige Einschränkungen nicht bekannt. Hier gingen Frauen aller Schichten seit der späten Republik ins Theater, in den Circus oder auch zu Gerichtsverhandlungen und nahmen ohne Einschränkung am gesellschaftlichen Leben teil.
Dabei war das Leben der Oberschichtsfrauen voller Widersprüche. Einerseits unerhörter Luxus, viel Zeit für kulturelle Interessen und Teilnahme an allen Vergnügungen, andererseits überkommene moralische Vorschriften und ideologische Vorgaben, die kaum zu erfüllen waren. Die römische Matrone lebte in einem Dauerkonflikt zwischen gesellschaftlicher Realität und überlieferten Idealen. Eigentlich durfte sie ohne einen männlichen Vormund keine Entscheidungen für sich und ihre Angehörigen treffen. De facto aber wurde genau das etwa von Witwen oder Offiziersfrauen selbstverständlich erwartet. Letztere waren manchmal viele Monate oder sogar Jahre auf sich allein gestellt, wenn ihre Männer zu Feldzügen oder anderen Auslandseinsätzen abkommandiert waren – auch die in diesem Buch beschriebenen Frauen der Kaiserfamilie.
Ähnliches galt für Vermögen, die Frauen zwar erben, aber eigentlich nicht selbst verwalten und vermehren durften. Doch schon zur Zeit des Prinzeps Caligula stellten manche Römerinnen ihren Reichtum selbstbewusst zur Schau. Unter Claudius wurden Frauen verbannt, damit der Kaiser ihr Vermögen konfiszieren konnte. Und Lepida, eine Tante von Nero, verfügte auf ihren gigantischen Latifundien in Süditalien über so viele Sklaven, dass diese eine Rebellentruppe bilden konnten.
Seit den letzten beiden Jahrhunderten der Republik erlebten Roms Frauen eine fortschreitende Emanzipation. Namentlich mit dem Verschwinden der manus-Ehe, durch die Ehegattinnen mitsamt ihrer Mitgift der Kuratel ihres Mannes unterstellt wurden, erhielten Frauen aus wohlhabenden Familien weitergehende Rechte. Sie konnten nun im Falle einer Scheidung ihr Vermögen zurückverlangen und sich auch aus eigenem Antrieb scheiden lassen. Bis zum 25. Lebensjahr waren sie zwar noch ihrem Vater unterstellt, danach aber übernahm die Vormundschaft ein tutor, der sie nur noch formal ausübte. Cicero etwa beklagte, dass die Tutoren unter der Fuchtel ihrer Mündel ständen und nicht umgekehrt. Und Claudius legalisierte lediglich eine weit verbreitete Praxis, als er es Erbinnen gestattete, einen Sklaven als Finanzverwalter einzustellen. Der Reichtum mancher Erbinnen provozierte die Konservativen: Die Multimillionärinnen konnten sich nicht nur Sklaven kaufen, sondern durchaus einen »bedürftigen« Senator politisch vor ihren Karren spannen. Bei den wohlhabendsten und einflussreichsten Frauen Roms machte so mancher Aristokrat seine Aufwartung – wie bei den Kaiserfrauen die Vasallenkönige und Provinzstatthalter.
Im Jahr 42 v. Chr. befanden sich bereits so viele Vermögen in weiblichem Besitz, dass das regierende Triumvirat, darunter der spätere Augustus, eine Sondersteuer für 1400 reiche Römerinnen verfügte. Damit sich niemand der Abgabe entziehen konnte, wurde eine Belohnung für alle Verwalter ausgelobt, die ihre Herrinnen anzeigten. 1400 Adressatinnen waren eine große Anzahl für die geplante Vermögenssteuer, noch beachtlicher ist allerdings, dass die Frauen sich dagegen wehrten, und wie sie es taten. Weil es kein Mann wagte, sie zu vertreten, erwählten sie Hortensia, Tochter des Konsuls und berühmten Redners Hortensius, zu ihrer Sprecherin. Hortensia tat das Unerhörte: Mitten auf dem Forum hielt sie, umjubelt von ihren Standesgenossinnen, vor den Triumvirn und deren Gefolgsmännern eine flammende Rede – dabei war das Frauen untersagt. Doch Hortensia hatte ihren skandalösen Auftritt gründlich vorbereitet, mit Besuchen bei den weiblichen Angehörigen der Triumvirn. Die mächtigsten Frauen Roms standen hinter ihrer Argumentation, wer keine Ämter besetzen dürfe, der müsse auch keine Steuern zahlen.
Die Männer gaben sich geschlagen, und die reichen Matronen durften ihr Geld behalten. Später bat Augustus sie dann allerdings doch zur Kasse. In den letzten Jahren seiner Herrschaft, als es immer schwieriger wurde, das riesige Heer zu unterhalten, rekrutierte er Sklaven aus den reichsten Haushalten. Deren Eigentümer, gleichgültig ob Männer und Frauen, mussten diese Soldaten noch sechs Monate lang verköstigen. Vermögende Frauen mussten also Staatsbürgerpflichten erfüllen, konnten sich aber auch als Wohltäterinnen gerieren. Beides garantierte ihnen im Gegenzug zumindest ungeschriebene Rechte.
Augustus förderte die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen, indem er Mütter von mindestens drei Kindern von männlicher Vormundschaft befreite. Wer jedoch weniger als drei Kinder hatte, wurde erbrechtlich benachteiligt. Und mit der Strafverfolgung des Ehebruchs sowie der gesetzlichen Verpflichtung zur Ehe und zur Mutterschaft verhinderte der Prinzeps jede echte Emanzipation. Unter seinem Regime hatten Römerinnen nur als devote Ehefrauen und Mütter ihre Existenzberechtigung.
Im Zentrum der überlieferten und von Augustus perfektionierten Rollen-Ideologie stand die Keuschheit der Frau. Sexuelle