Der Beifall war ausgesprochen dürftig. Selbst Malakin rührte keinen Finger. Er wusste zwar, dass Kamarow nur eine Pflichtübung mit diesem letzten Satz machte, aber selbst ein so erfahrener Profi musste auf ideologischem Gebiet vorsichtig sein.
„Eines jedenfalls ist sicher“, fuhr Kamarow fort, „diese Anlage ist ab sofort vor allen Spionen geschützt. Sie können Ihrer Arbeit ohne jede Befürchtung nachgehen.“
Oleg Petrow umklammerte seine Kaffeetasse so stark, dass der Henkel abbrach. Aber das leise Geräusch bemerkte niemand. Er senkte den Kopf und zerrte nervös an seinen Fingern.
18.
Der kleine dicke Mann mit dem roten Gesicht lächelte grimmig. Er senkte das starke Zeiss-Glas und lauschte dem Straßenverkehr, der in einiger Entfernung vorüberbrauste.
Der Abstand zu dem Militärlager war groß genug. Er glaubte nicht, dass Patrouillen noch in dieser Entfernung operierten. Als ihm klar geworden war, was das Ziel des Busses war, hatte er sofort angehalten und sich eine Stelle gesucht, von wo er unauffällig beobachten konnte.
Er sah sich um.
Von der Straße her gab es keine Einsicht, dichte Büsche und einige Zypressen und Palmen waren dazwischen. Hinter ihm lag ein Bananenhain, der ihm Deckung gegen Sicht vom Strand her bot.
Die Küstenstraße bog an dieser Stelle ab und führte im Landesinnern weiter. Eine Hügelkette versperrte kilometerweit die Sicht zur Küste.
Die Lage des Militärlagers war gut gewählt. Nur ein zufälliger Beobachter konnte es entdecken. Die Soldaten sorgten aber dafür, dass sich niemand allzu nahe herumtrieb.
Der Weg, der durch die Hügel führte und den auch der Bus genommen hatte, war von schweren Fahrzeugen zerwühlt und glich an manchen Stellen einer Kraterlandschaft. Mit einem Pkw war das Risiko für einen Achsenbruch groß. Aber der Beobachter hatte nicht vor, weiterzufahren. Ab hier ging es nur zu Fuß.
Der Mann verstaute das Glas in seinem Wagen und zündete sich eine Zigarette an. Seine nächsten Schritte musste er gründlich überlegen.
Seinen Verfolger hatte er jedenfalls abgelenkt. Er lächelte wieder, als er an den nächtlichen Hinterhalt in den Bergen dachte. Mit seinen Schüssen hatte er niemand töten wollen, der Treffer in den Reifen hatte ihm vollauf genügt.
Der Mann hieß Heinz Müller und gehörte zum Sicherheitsdienst der DDR, dem Ministerium für Staatssicherheit. Er war einer der erfolgreichsten Agenten im Nahen Osten und pendelte ständig unter der Maske eines Reisevertreters für optische Geräte zwischen Kairo, Amman, Damaskus und den Staaten am Persischen Golf hin und her. In bestimmten Abständen hielt er sich in Ostberlin auf, um dort seine Berichte abzuliefern und neue Instruktionen einzuholen.
Seinen Aufenthalt dort hatte er gerade hinter sich. Er hatte einen Auftrag, der ihm zusagte.
„Finden Sie den Mann, der sich von der sowjetischen Delegation in Syrien absetzen will“, hatte ihm sein Vorgesetzter erklärt.
„Unsere Leute haben in New York einen CIA-Kurier abgefangen, der in seinen Unterlagen Hinweise darauf hatte, dass ein Wissenschaftler dieser Delegation zu den Amerikanern überlaufen will. Unsere Kollegen von KGB wissen nichts davon. Wir haben eine gute Gelegenheit, ihnen zu zeigen, dass wir auch eine Menge können. Mit Sicherheit haben die Amerikaner einen tüchtigen Mann eingesetzt. Finden Sie ihn und schalten Sie ihn notfalls aus!“
Heinz Müller warf einen letzten Blick auf das Sperrgebiet, stieg in seinen Wagen und fuhr vorsichtig rückwärts, bis er wenden konnte.
Auch er musste jetzt einen Plan entwickeln, zündete sich aber zuerst eine neue Zigarette an.
19.
Der schwarze Taucheranzug schimmerte nur stumpf. Steve McCoy hatte beim Kauf darauf geachtet, keine glänzenden Sachen zu bekommen. Schwimmflossen, Taucherbrille und Schnorchel vervollständigten die Grundausstattung. Das scharfe Tauchermesser hatte er besonders sorgfältig ausgewählt. In dem wasserdichten Beutel, den er an seinem Gürtel befestigen konnte, hatte er Pistole, Ersatzmunition und das kleine Funkgerät untergebracht.
Leila befühlte den Anzug. „Keine besonders gute Qualität“, meinte sie.
„Es wird reichen, ich will nicht lange im Wasser bleiben.“ Er packte die Sachen in seine Reisetasche. „Es wird Zeit. Gehen wir.“
Er fand den Weg ohne Schwierigkeiten. Eine Stunde später stand er fast genau an demselben Platz, an dem kurz zuvor Heinz Müller gestanden hatte. Sie waren beide Profis, und so war es nicht erstaunlich, dass sie denselben Beobachtungsplatz wählten.
Steve öffnete den Kofferraum und holte ein weiteres Paket heraus. Ein Schlauchboot! Er hatte lange gesucht, bis er das passende ohne grelle Signalfarbe gefunden hatte. Es war dunkelblau, und man würde es bei Dunkelheit auf dem Wasser nur schwer erkennen.
Danach zog er sich um. Leila half ihm beim Überstreifen des Gummianzuges. Er befestigte das Messer am Unterschenkel und schnallte den Gürtel mit dem wasserdichten Beutel um.
Er ging ein paar Schritte vor und starrte zu dem Lichtpunkt hinüber, der das Militärlager bezeichnete. Sein Fuß trat auf eine leere Zigarettenschachtel. Instinktiv bückte er sich und hob sie auf.
Steves Augen zogen sich zusammen; auf seiner Stirn bildete sich eine steile Falte. Er erinnerte sich, wer diese Marke rauchte. Ein Zufall? Er knüllte die Schachtel zusammen und warf sie weg. Er glaubte nicht an Zufälle!
Leila half ihm, das Schlauchboot zum Strand zu tragen. Die Gaspatrone blies das Boot auf, und Steve steckte das kleine Paddel zusammen. Er würde einige Zeit brauchen, bis er in die Nähe der Anlage kam. Aber er hatte die ganze Nacht vor sich.
Steve paddelte mit ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen. Die See war fast völlig glatt, und er kam gut vorwärts. Als er weit genug draußen war, änderte er den Kurs und steuerte parallel zur Küste.
Leila würde inzwischen den Wagen wegfahren und später zu dem vereinbarten Treffpunkt kommen. Es war alles vorbereitet, vorausgesetzt, er fand Petrow und konnte ihn aus dem Lager herausholen. Aber darüber machte er sich keine Gedanken. Er musste an Ort und Stelle improvisieren.
Allmählich kam die Anlage näher, und der amerikanische Agent konnte Einzelheiten erkennen. Das Schiff lag immer noch vor der Küste, es hatte nur die Positionslichter gesetzt. Das Lager selbst war von hellen Lampen erleuchtet, die in regelmäßigen Abständen aufgebaut waren.
Die geheimnisvolle Stahlkonstruktion lag im Dunkeln, nur einige schwache Lampen waren daran befestigt. Trotzdem sah Steve McCoy, dass in den letzten Tagen weiter daran gebaut worden war. Die antennenähnlichen Einrichtungen wirkten recht massiv und sahen so aus, als könnten sie eine Menge Belastungen aushalten.
Ein flacher Felsen, der ein ganzes Stück ins Wasser ragte, war für seine Zwecke richtig. Er ließ das Schlauchboot langsam treiben, bis es über Steine scharrte.
Lautlos ließ er sich ins Wasser gleiten und zerrte das Schlauchboot auf den Felsen. Zwischen den Steinen war es kaum zu erkennen. Er hatte Glück, dass fast Windstille herrschte, sodass es kaum Brandung gab. die ihn behindert hätte. Ein letztes Mal prüfte er seine Ausrüstung und warf einen Blick zu dem Lager hinüber, das nur noch einige hundert Meter entfernt war, schließlich zog er die Maske mit dem Schnorchel über die Augen.
Mit langen Stößen schwamm er dicht unter die Wasseroberfläche auf die Anlage zu. Gleichmäßig paddelten seine Beine mit den Schwimmflossen; Steve kam gut voran.
Der winzige Schnorchel mit dem Ball, den er ebenfalls dunkel gefärbt hatte, tauchte nur hin und wieder über der Oberfläche auf, die leicht vom Wind gekräuselt wurde. Nur ein sehr aufmerksamer Beobachter