Im "Stern des Bundes" (1914) wird die Zeitschau, die in den "Zeitgedichten" nur aus der Ahnung des Göttlichen geschah, aus seinem Schauen und Wissen gegeben. Hier wächst George zum gewaltigen Richter und Propheten der Zeit empor. Ein paar Monate vor Beginn des Weltkrieges hat er hier aus heiligen Höhen den chaotischen Untergang der zersetzten Zeit gesichtet und gerichtet:
Aus Purpurgluten sprach des Himmels Zorn:
Mein Blick ist abgewandt von diesem Volk.
Siech ist der Geist! Tot ist die Tat!
In einer ungeheuren Vision sieht und hört er in gewitternden Lüften schreitende Scharen, klirrende Waffen, jubelnd drohende Rufe: den "letzten Aufruf der Götter über diesem Land". Er sieht den maß- und haltlosen Bau der Zeit wanken und zusammenstürzen. Er fühlt die furchtbare Gewißheit:
Zehntausend muß der heilige Wahnsinn schlagen,
Zehntausend muß die heilige Sache raffen,
Zehntausende der heilige Krieg.
Er hört sein Prophetenwort, seinen Schrei zur Umkehr verhallen, als wäre nichts geschehen. Und im letzten, flammenden Gesicht sieht er den Herrn des Gerichtes:
Weltabend lohte...wieder ging der Herr
Hinein zur reichen Stadt mit Tor und Tempel,
Er arm, verlacht, der all dies stürzen wird,
Er wußte: kein gefügter Stein darf stehn,
Wenn nicht der Grund, das Ganze sinken soll.
Die sich bestritten, nach dem Gleichen trachtend:
Unzahl von Händen rührte sich und Unzahl
Gewichtiger Worte fiel und eins war not.
Weltabend lohte...rings war Spiel und Sang,
Sie alle sahen rechts — nur er sah links.
Und als die Vision Wahrheit geworden, das Weltverhängnis niedergebrocben war, als immer noch "In beiden Lagern kein Gedanke — Wittrung — Um was es geht", als aller Augen immer noch nur das strategische Hin und Her anstarrten, da kündete er in seinem Gedicht "Der Krieg" (1917):
Der alte Gott der Schlachten ist nicht mehr.
Erkrankte Welten fiebern sich zu Ende
In dem Getob.
— — —
Zu jubeln ziemt nicht: kein Triumpf wird sein.
Nur viele Untergänge ohne Würde.
— — —
Keiner, der heute ruft und meint zu führen,
Merkt, wie er tastet im Verhängnis, keiner
Erspäht ein blasses Glüh'n vom Morgenrot.
Weit minder wundert es, daß so viel sterben,
Als daß so viel zu leben wagt.
— — —
Ein Volk ist tot, wenn seine Götter tot sind.
Aber eben weil George von heiligen Höhen über die Zeit hinwegsah, sah er auch weiter, über den Zerfall und Untergang hinaus, mündete sein Kassandraruf in die heilig-liebende deutsche Verheißung:
Doch endet nicht mit Fluch der Sang. Manch Ohr
Verstand schon meinen Preis auf Stoff und Stamm,
Auf Kern und Keim...schon seh' ich manche Hände
Entgegen mit gestreckt, sag' ich: O Land,
Zu schön, als daß ich dich fremder Tritt verheere:
Wo Flöte aus dem Weidicht töne, aus Halmen
Windharfen rauschen, wo der Traum noch webt
Untilgbar durch die jeweils trünnigen Erben...
Wo die allbühende Mutter der verwildert
Zerfallnen weißen Art zuerst enthüllte
Ihr echtes Antlitz...Land, dem viel Verheißung
Noch innewohnt — das drum nicht untergeht, — — —
Die ruft die Götter auf.
Der "Geist der heiligen Jugend unseres Volkes", der — in Maximin göttliche Gestalt geworden — schon im "Stern des Bundes" verkündet und in Lehre und Liebe dort unterwiesen war, wird in Frommheit und Würde, Zucht und Opfer, Größe und Schöne die zerfallene Welt erneuern.
Als einziger einer zersetzten Zeit hat Stefan George seine Wesenheit in Leben und Lyrik zur reinen Form geläutert, urbildlich erhöht und vollkommen gestaltet. Mag das Gesetz seines Wesens wenigen gemäß sein — er ragt in die Zeit als Standbild des in sich Vollendeten, ein Vorbild jedem, das Gesetz seines eigenen Wesens zu ergründen, zu leben, zu formen und im eigenen göttlichen Keim die Kraft Gottes im entgötterten Europa zu befreien.
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